Haben wir gestern noch von 2.0-Technologien gesprochen, sind wir jetzt bei 4.0 angekommen. Sie haben das nicht gewusst? Dann wird es Zeit, vor allem, wenn Sie in Ihrem Unternehmen ein industrielles Service-Geschäft betreiben. Mit »Industrie 4.0« werden derzeit neue Produktions- und Fertigungsprozesse beschrieben, bei denen Objekte und Maschinen miteinander interagieren, wodurch eine weitgehende Vernetzung aller wertschöpfenden Elemente erreicht wird.

Bislang weniger diskutiert wird, welche Auswirkungen Industrie 4.0-Technologien auf das industrielle Service-Geschäft haben. Mein Eindruck ist: Die Auswirkungen sind schon spürbar und eventuell wird sich Industrie 4.0 im Technischen Dienstleistungsbereich schneller durchsetzen als in den Fertigungshallen. Denn anders als in der Produktion, wo schon heute die meisten Prozesse digital ablaufen (Stichwort MES Systeme), stehen viele Service-Bereiche erst am Anfang der Digitalisierung. Nicht selten wird der Service-Bericht mit Papier und Bleistift geschrieben.

Revolution im Technischen Service: Worauf kommt es jetzt an?

Dieser »Innovations-Stau« könnte sich jetzt als Vorteil erweisen, weil neue Verfahren und Technologien nur bedingt auf alte Systeme und Infrastrukturen Rücksicht nehmen müssen. Jedenfalls arbeiten einige Unternehmen bereits mit Hochdruck daran, Lösungen für folgende Fragen und Problemstellungen zu entwickeln:

  1. Sicherstellung einer international gleichbleibend hohen Service-Qualität. Wie geht das, wenn man im Ausland kaum Niederlassungen hat bzw. auf geringer qualifiziertes Personal zurückgreifen muss?
  2. Gewährleistung von Vor-Ort-Verfügbarkeiten. Immer mehr Kunden schreiben vertraglich vor, dass der Service-Einsatz innerhalb einer bestimmten Zeit zu erfolgen hat. Wie aber kommt man in zwei Stunden zum Kunden, wenn dieser 300 Kilometer vom nächsten Service-Stützpunkt entfernt sitzt?
  3. Bereitstellung des Service-Wissens in Echtzeit. Die Produkte sind so komplex, dass es kaum Service-Techniker gibt, die sämtliche Anlagen kennen. Wenn aber das Wissen nicht mehr in den Köpfen ist, muss es zu den Köpfen gebracht werden. Und das »Just in Time«. Aber wie?

7 Technologien mit Potenzial für industrielle Service-Anbieter

Diese Liste ließe sich leicht erweitern. Die Lösung für die skizzierten Problemstellungen liegt im Einsatz der richtigen Technologie in Verbindung mit organisatorischen und informationstechnischen Anpassungen. Aus unserer Sicht sollten industrielle Service-Anbieter jetzt beginnen, sich intensiver mit neuen Technologien auseinanderzusetzen. Das gilt insbesondere für KMU, die jedoch häufig nicht über die notwendigen personellen Ressourcen dazu verfügen. Hier eine kleine Auswahl an Technologien, die Sie jetzt im Blick haben sollten:

  1. Condition Monitoring Systeme: Diese Systeme sind zwar technologisch weitgehend ausgereift. Die Kunst liegt jedoch darin, die Technologie in attraktive Service-Produkte und Geschäftsmodelle zu integrieren.
  2. Augmented Reality zur Unterstützung von Service-Technikern: Marktreife Systeme gibt es bislang kaum, aber die Entwicklungen verlaufen so dynamisch, dass sich das schnell ändern kann.
  3. Virtual Reality zur Unterstützung der Service-Qualifizierung: Hier gibt es marktfähige Lösungen, um Service-Techniker effektiv und effizient an virtuellen Maschinenmodellen zu schulen.
  4. Sprachtechnologie zur Unterstützung von Dokumentations- und Übersetzungsprozessen: Die Systeme können mehr als man denkt und dürften in Kürze reif für den Massenmarkt sein.
  5. GPS-Unterstützung zur Koordination von Service-Einsätzen: Es gibt heute sehr gute Lösungen zum Flottenmanagement. Was bislang nur die großen Logistikfirmen einsetzen, könnte morgen bei KMU Standard sein.
  6. Analyse von Datenbeständen und Big-Data-Technologien: Der Schatz an Service-Informationen in Unternehmen braucht leistungsfähige Analyse-Systeme. Vieles liegt in Textform vor. Aber nicht jeder wird sich ein Google-Rack im Server-Raum installieren wollen. Hier gilt es Alternativen zu kennen.
  7. Game Based Qualification und soziales Wissensmanagement: Es kommt eine neue Generation von jungen Leuten in die Firmen, die anders lernt und kommuniziert. Wer darauf nicht vorbereitet ist, vernachlässigt seine wichtigste Ressource: die Mitarbeiter.

Hersteller-Services auf der MAINTAIN 2014

Auch diese Aufzählung ist nur ein Auszug. Es ist auch wahrscheinlich, dass nicht alle Technologien für alle Unternehmen gleich wichtig werden. Aber klar ist, dass sich die Service-Bereiche künftig stärker als heute mit technologischen Fragestellungen auseinandersetzen müssen. Das steht in keinem Widerspruch dazu, dass die Bindung zum Kunden künftig noch stärker als heute über die menschliche Ebene hergestellt wird. Aber das ist ein Thema für einen weiteren Beitrag.

Sie sind neugierig geworden? Dann besuchen Sie im Juni den Fraunhofer-Messe-Stand »Hersteller-Services« auf der MAINTAIN 2014. Die MAINTAIN ist die europäische Leitmesse für Instandhaltung und Technische Dienstleistungen. Gemeinsam mit fünf weiteren Fraunhofer-Instituten präsentieren wir Technologie-Trends und Lösungen für das industrielle Service-Geschäft.

Bernd Bienzeisler

Grenzstellen-Wissenschaftler am Fraunhofer IAO. Findet hier optimale Bedingungen, um seinen Interessen zwischen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen nachzugehen. Bevorzugt privat die Fortbewegung auf Zweirädern.

Autorenprofil



Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE)
Tags: , , , ,