IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015: »Zukunftstadt«

Was macht das Netz einer Spinne aus? Es ist vier Mal so belastbar wie Stahl, extra reißfest und dehnbar. Die Spinnenfäden widerstehen mikrobiologischen Angriffen und sind biologisch abbaubar. Zudem bieten die Fäden vielfältige Verwendung: als Faden direkt an der Spinne dient dieser als Absturzabsicherung oder als Orientierungshilfe, als einzelne, gesponnene Fäden dienen diese als Kokons für den Nachwuchs, zum Auskleiden der Wohnhöhle oder als Signalfäden für den Beutefang. Die Eigenschaften sowie die vielfältige Verwendung weisen auf ein nachhaltiges Konzept hin. Was das mit Städten zu tun hat?

Vernetzte Dienstleistungen: Lockstoff für attraktive Städte der Zukunft

Jede Menge: Viele Städte sind auf der Suche nach nachhaltigen Konzepten bzw. vielmehr noch nach Lösungen, die ihre Zukunftsfähigkeit sichern. Städte brauchen ein möglichst attraktives Netz im Sinne von Signalfäden. Das Ziel: gewünschte Bewohner und Bewohnerinnen sowie Unternehmen anzulocken. Womit? Das Spinnennetz im praktischen Stadtkontext könnte beispielsweise eine Dienstleistungsplattform sein, auf der so genannte Smart Urban Services angeboten werden. Darunter verstehen wir eine ganz neue Art von Dienstleistungen: intelligent, vernetzt, flexibel, also kurz: smart. Zum Beispiel die Mülltonne, die sich selbst bei der Biogasanlage meldet, wenn sie voll ist und somit sofort für Nachschub für die Biogasanlage sorgt und die Optimierung der Entsorgung unterstützt. Wer möchte nicht in einer Stadt wohnen oder arbeiten, wo dieser nur einer von vielen intelligenten Services ist?

Wie wird ein Service smart? Chemnitz und Reutlingen machen den Praxistest

Solche »Smart Urban Services« entwickeln wir im vom BMBF geförderten Forschungsprojekt »Smart Urban Services: Datenbasierte Dienstleistungsplattform für die urbane Wertschöpfung von morgen«. Mit dabei sind Kommunen, Unternehmen und Bürger aus Chemnitz und Reutlingen. Wir installieren Sensoren in einem 1km2-großen Planquadrat, mit denen wir Bewegungsdaten von Fahrzeugen und Personen, Umweltdaten, Füllstandsdaten und einiges mehr messen können. Diese Daten laufen anonymisiert auf einer Datenplattform zusammen. Daraus ermitteln wir Bedarf für neue Services. Beispielsweise können wir rauslesen, welche Stellen im Planquadrat besonders attraktiv sind, z.B. weil viele Personen dort lange verweilen. Hier können wir für den Einzelhandel Angebote entwickeln, wie sich Läden präsentieren.

Dienstleistungsnetze systematisch verknüpfen, gemeinsam Beute machen

Unser Stadtspinnennetz ist idealerweise am Ende ein Wertnetz für alle Beteiligten. Jeder trägt dazu bei, das Netz zu stabilisieren bzw. zu tragen, um gemeinsam möglichst viel Beute zu machen.

Ziel ist also die systematische Vernetzung von mehreren Stadt-Subsystemen, wie beispielsweise Ver- / Entsorgung, Mobilität / Logistik, Handel, Gesundheit, Bürgerservices, Planen / Bauen/ Nutzen. In vielen Städten knüpft momentan noch jedes Teilsystem fleißig an seinem eigenen Netz, hier und da finden sich zwar Anknüpfungspunkte zu anderen Netzen, es fehlt jedoch eine durchgehende Systematik. Genau wie das Muster eines Spinnennetzes entsteht diese aber nicht durch Zufall, sondern muss gezielt gesponnen werden.

Von der spinnerten Idee zum nachhaltigen Geschäftsmodell

Das ideale Dienstleistungsnetz ist also nicht wild gesponnen, sondern gut eingefädelt: Zur Systematik gehören im Wesentlichen die systematische Gestaltung von Dienstleistungen und der Dienstleistungsplattform sowie die Ausarbeitung und der Test eines sehr guten Geschäftsmodells.

Doch wer hält die Fäden in der Hand, wer initiiert, koordiniert und oder managt das Netz? Stadtverwaltung, Dienstleister, Verbände oder Bürgerinnen und Bürger? Wer ist die Spinne im Stadtnetz? Sind Sie vielleicht die Spinne? Oder fühlen Sie sich als Beute?

Dann diskutieren Sie mit mir im Blog. Ich freue mich auf unseren Dialog.

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Inka Woyke

Dienstleistungsmanagerin und -entwicklerin. Inka Woyke interessiert sich besonders für innovative Geschäftsmodelle. In ihrer Freizeit ist sie außerdem Hobbyfotografin und Kulturinteressierte.

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Kategorien: Digitalisierung, Stadtentwicklung
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