Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war während des Hochwassers 2013 an Elbe und Donau grenzenlos. Neben den Helfern der Hilfsorganisationen wie Technisches Hilfswerk, DRK und Feuerwehr trat plötzlich eine neue Gruppe in den Fokus der Öffentlichkeit: Die ungebundenen Helfer.

Ungebundene Freiwillige sind Menschen, die sich freiwillig und unentgeltlich an den Hilfeleistungsaktionen beteiligen, aber keiner Hilfsorganisation angehören. Dabei ordneten sie sich den Hilfskräften unter bzw. boten diesen Hilfe an, arbeiteten völlig losgelöst von der Führungsstruktur auf eigene Faust oder halfen bei den Aufräumarbeiten nach der Flut.

Im Rahmen des EU- Forschungsprojekts DRIVER haben wir uns mit Praktikern des Bevölkerungsschutzes während des Runden Tischs zu Fragen im Bevölkerungsschutz zusammengesetzt und verschiedene Fragen rund um das Thema Freiwilligenmanagement diskutiert. Hier eine Sneak Peak auf die Ergebnisse:

Spontanhelfer – hilfreich oder sogar schädlich?

Der Gründer des Roten Kreuzes, Henry Dunant, war selbst ein ungebundener Helfer, der Hilfe während der Schlacht von Solferino (1859) organisiert hat und viele Hilfsorganisationen blicken auf ungebundene Wurzeln zurück. Auch Untersuchungen aus den USA zeigen, dass das altruistische Verhalten von Menschen kein seltenes Phänomen ist.

Doch das massenhafte Auftreten ist ein relativ neues Phänomenen. Im Gegensatz zu ehrenamtlichen Helfern haben ungebundene Helfer eben keine oder nur eine sehr rudimentäre Ausbildung und eventuell jahrelanges Training genossen. Das und die mediale Präsenz der ungebundenen Helfer können sich zu einem Problem entwickeln.

Das Ehrenamt ist die tragende Säule des Bevölkerungsschutzes. Daran lässt sich nicht rütteln. Das hohe Schutzniveau in Deutschland wäre ohne die gut ausgebildeten Helferinnen und Helfer nicht denkbar. Denkt man allein an Zahlen des Technischen Hilfswerks mit über 98 Prozent ehrenamtlicher Beteiligung oder an das der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland mit 1 Million Feuerwehreinsatzkräften, wird das Potenzial der Ehrenamtlichen deutlich.

Doch gerade diese Organisationen leiden an Mitgliederschwund, geringerer Bereitschaft oder Möglichkeiten sich neben Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten dort zu engagieren. Gleichzeitig steigt der administrative Aufwand für die Führungskräfte. Ehrenamt bedeutet demnach nicht nur Rechte, sondern vor allem auch Pflichten. Engagierte Helferinnen und Helfer leisten eine Vielzahl an Fort- und Ausbildungsstunden, um fachlich auf dem Niveau zu bleiben. Ungebundene Helfer leisten das alles nicht. Machen also ungebundene Helfer das Ehrenamt der Hilfeleistungsorganisationen kaputt?

Ungebundene Helfer: Steuerung per Facebook, Twitter & Co?

Kosten sie mehr Koordinationsaufwand als sie Nutzen bringen? Gefährden sie sich selbst und möglicherweise noch andere? Häufig wird die Steuerung dieser Helfergruppe zur eigentlichen Herausforderung für die Hilfskräfte. Während der Flutkatastrophe 2013 wurden vor allem soziale Medien wie Facebook oder Twitter zur Steuerung dieser Helfer eingesetzt. Doch so erfolgreich diese Koordination war – sie bewegte sich genau genommen in einer rechtlichen Grauzone. Katastrophenschutzbehörden können die neuen Medien auf Grund juristischer Regularien nur sehr eingeschränkt nutzen. Datenschutzbehörden haben Bedenken bei der Nutzung verschiedener Dienste.

Seitens der Bedenkenträger kommen dazu noch versicherungs- und haftungsrechtliche Fragestellungen. Wie sind ungebundene Helfer versichert, wer kommt für Schäden auf, was passiert, wenn sich Meinungsverschiedenheiten zwischen Führungskräften und Helfern ergeben?

Der Bevölkerungsschutz muss sich der Herausforderung durch die ungebundenen Helfer stellen. Es gibt bereits Stimmen, die eine Integration der Spontanhelfer in die Führungsstruktur vorschlagen. Dabei könnten auch Kooperationsmodelle zwischen Behörden und Hilfeleistungsorganisationen geschlossen werden. Die dann ihre Social Media-Kanäle zur Steuerung nutzen. Etablierte Kanäle wären vertrauenswürdiger und effektiver. Wenn erst im Krisenfall eine Facebook-Seite gestartet wird, ist es meist zu spät.

Die Kooperationen bieten noch weitere Vorteile: Viele Hilfeleistungsorganisationen haben Möglichkeiten zur kurzfristigen Mitgliedschaft geschaffen. Somit wären dann Fragen nach Haftung und Versicherung geklärt. Wenn hier Organisationen eine Art von Freiwilligenkoordinierung als Leistungspaket anbieten, können Behörden dies im Katastrophenfall abrufen. Eine Einbindung in den Führungsstab kann dann klassisch über die Stabsfunktionen S1 / S3 erfolgen.

Wunschliste: Wie aus Ungebundenen effektive Helfer werden

Zu Integration der spontanen Helfer muss die Ausbildung von Grund auf angepasst und weiter entwickelt werden. Bereits in der Grundausbildung müssen angehende professionelle Helfer lernen, ungebundene Freiwillige anzuleiten. In den Führungsausbildungen müssen Module geschaffen werden, die sich mit der Koordination von Freiwilligen im Zusammenspiel mit den eigenen ehrenamtlichen Kräften beschäftigen. Großen Wert sollte diese Ausbildung auf die Motivation von ehrenamtlichen und ungebundenen Helfern legen. Denn hier sind Fallstricke vorhanden.

Auf der anderen Seite sollten Ausbildungen und Informationsveranstaltungen für die breite Öffentlichkeit entwickelt und angeboten werden. Ein Verständnis für die Arbeit der professionellen Helfer im Allgemeinen und die Möglichkeiten zur Mitwirkung im ehrenamtlichen und ungebundenen Bereich sollten der Bevölkerung nach Meinung der Experten bekannt sein. Hier können Erste-Hilfe als Schulfach oder die Wiederaufnahme von Zivilschutzinhalten in die Erste-Hilfe-Ausbildungen als mögliche Lösungswege gesehen werden.

Haben Sie Interesse mit uns darüber zu diskutieren? Melden Sie sich gerne bei uns.

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Patrick Drews

Sorgt für zivile Sicherheit. Stellt die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis sicher und erforscht zukünftige Modelle zur besseren Hilfeleistung bei Unglücksfällen und in Katastrophen. Im Privatleben Familienvater und Bergretter.

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