Autounfälle sind trauriger Alltag und in der Öffentlichkeit leider so normal geworden, dass sie kaum mehr in den Medien erwähnt werden. Anders bei so genannten autonomen oder automatisierten Fahrzeugen: Hier ist die öffentliche Aufmerksamkeit so hoch, dass selbst ein an sich vorteilhaftes Konzept nur unter dem Gefahrenaspekt betrachtet wird. Dabei sind autonome Fahrzeuge in vielen Aspekten weiter, als die Öffentlichkeit es heute wahrnimmt. Selbst die kühne Zukunftsvision, während des Fahrens zu schlafen und die Kontrolle dem Fahrzeug zu überlassen, könnte Wirklichkeit werden. Dennoch gibt es offene Fragen und Lücken im System.

Status Quo: Wie viel Autonomie ist heute möglich?

Vollautomatisiertes Fahren ist schon längst keine ferne Zukunftsmusik mehr: Spätestens ab dem Jahr 2020 werden Privatfahrzeuge praktisch autonom auf deutschen Autobahnen unterwegs sein. Derzeit kann jedoch noch kein System alle erwartbaren Situationen übernehmen, aber mit jedem gefahrenen Kilometer wachsen die Kompetenzen und Möglichkeiten der fahrerlosen Systeme, so dass automatisiertes Fahren bei gutem Wetter auf Autobahnen bald keine Eingriffe des Fahrers mehr benötigt. Baustellen, Landstraßen, Stadtverkehr und Nachtfahrten stehen jedoch noch auf der Agenda von uns Forschern.

Zum Einschlafen: Wie sich autonome Systeme auf uns auswirken

Stellen wir uns eine Fahrt in einem heutigen hochautomatisierten Fahrzeug vor, wie sie bei Daimler, BMW, Audi, Tesla und anderen eingeführt wurden. Beschleunigen, Bremsen, oder Signale erkennen geschieht völlig ohne unser Zutun, als wären wir Beifahrer. Wir haben Zeit, im Internet zu surfen oder aus dem Fenster zu blicken und konzentrieren uns nur gelegentlich aufs Fahrgeschehen, wenn sich Situationen einstellen, die dem Standard nicht entsprechen. Hier sollten wir eingreifen und die Kontrolle wieder übernehmen – doch genau das erweist sich beim hochautomatisierten Fahren als schwierig, da die Autofahrer während der reinen Überwachungstätigkeit nachweislich müde werden und sogar häufiger einschlafen. So konnte in der Studie Results of a Study on Reduced Awakeness in Drivers Using ACSF beobachtet werden, dass die ersten Versuchspersonen bereits nach drei, und mehr als die Hälfte der Probanden nach 15 Minuten Anzeichen von Müdigkeit, gemessen am Lidschlussverhalten, zeigten. Einige schliefen sogar ein. Somit lässt sich zwar der Vorteil der Entlastung der Autofahrer einerseits, aber – wegen der sinkenden Aufmerksamkeit – auch das steigende Risiko für Sekundenschlaf oder längere Schlafperioden andererseits erkennen. Solange aufmerksame Fahrer noch notwendige Instanzen in unseren Fahrzeugen sind, stellt diese »Tendenz zur Müdigkeit« ein Risiko dar, welches sich erst durch deutlich zuverlässigere Technik in einen Vorteil verwandeln würde. Dieser Reifegrad ist allerdings absehbar.

Schlafen Sie – das System kümmert sich um den Rest

Automatisierte Fahrzeuge haben eine steile Lernkurve: Je mehr Erfahrungen sie sammeln, desto weniger sind sie auf die Kontrolle durch uns Menschen angewiesen. Es ist abzusehen, dass unsere Rolle als »Systemkontrolleur« bald nicht mehr notwendig sein wird, insbesondere wenn wir bestimmte Fahrabschnitte isoliert betrachten.

Doch wenn automatisiertes Fahren technisch fehlerfrei funktioniert und das Auto Gefahren besser einschätzen und schneller reagieren kann als der Mensch: Könnte dem Fahrer aus psychologischer Sicht erlaubt werden, während des Autofahrens zu schlafen und wie wirkt sich ein Powernap auf die Fahrtüchtigkeit nach dem Aufwachen aus? Dass Schlafen am Steuer eine der wichtigsten Anwendungen des automatisierten Fahrens wird, liegt auf der Hand. In Umfragen zu Nebentätigkeiten beim automatisierten Fahren liegt es stets unter den Top 5. Berufsfahrer wären in der Lage, im Fernverkehr größere Strecken am Stück zu absolvieren, da während ihrer Ruhepausen der Autopilot übernehmen könnte. Zum anderen ist aus diversen Studien (unter anderem des Fraunhofer IAO) bekannt, dass Autofahrer über angemessene Strategien zur Reduktion von Schläfrigkeit, wie z. B. Naps, Bescheid wissen, gleichwohl aufgrund von Zeitdruck oder Kurzstreckenfahrten nur unangemessene Alternativen, beispielsweise das Öffnen des Fensters oder das Hören lauter Musik, einsetzen. Darüber hinaus sind Müdigkeit und Hypovigilanz schwerwiegende Risikofaktoren für Unfälle im Straßenverkehr, deren einzig zuverlässige Gegenmaßnahme das Schlafen ist. Wenn Fahrer schlafen können, während der LKW über die nächtliche Autobahn fährt, würde sich zudem aus verkehrspolitischer Sicht die Auslastung der Verkehrswege wesentlich verbessern, weil die klassische »Schlafenszeit« für Transporte genutzt werden könnte.

Deswegen untersucht das Fraunhofer IAO nun in einer neuen Studie, wie lange Autofahrer benötigen, um nach einem Powernap das Steuer wieder zu übernehmen, um anspruchsvolle Strecken im manuellen Fahrbetrieb zu meistern, die das automatisierte Fahrzeug nicht bewältigen kann. Diese Forschungsfrage wird zunächst explorativ in einer Fahrsimulation überprüft, um ggf. die Ergebnisse mittels Realfahrtstudien zu validieren. Die Ergebnisse werden auf dem nächsten Vehicle Interaction Summit am Fraunhofer IAO vorgestellt.

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Frederik Diederichs

Maschinenversteher und Fahrsimulant am Fraunhofer IAO. Er erforscht, wie zukünftige Assistenzsysteme und Anzeigen im Auto aussehen müssen, damit sie sich positiv auf unser Erleben und Verhalten auswirken. Spaß an Mobilität kann man schließlich auch in Zukunft nie genug haben.

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Kategorien: Future Mobility, Mensch-Technik-Interaktion
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