Wie viele Elektroautos werden wir in den nächsten zehn oder 20 Jahren auf den deutschen Straßen sehen? In Europa und überall auf der Welt? Wie viele davon werden noch teilweise von einem Verbrennungsmotor angetrieben sein beziehungsweise wie viele von einer Batterie oder sogar von Brennstoffzellen?

Zahlreiche Szenarien aus Wissenschaft und Wirtschaft zeichnen die zukünftige Entwicklung des elektromobilen Verkehrs vor. Die Bandbreite möglicher Entwicklungen ist allerdings ausgesprochen hoch, wie unsere Metastudie zeigt.
Ausschlaggebend für das breite Intervall sind die Annahmen, auf denen die Szenarien basieren. Vor allem die Faktoren Öl- und Batteriepreis haben einen starken Einfluss auf die Betriebskosten des herkömmlichen bzw. elektrifizierten Fahrzeugs und können dadurch die Attraktivität der einen oder anderen Variante steigern. Sicher ist also nur, dass nichts sicher ist und alles im Fluss. Genau diese Volatilität zukünftiger Szenarien muss von den Akteuren der automobilen Wertschöpfungskette gelöst werden.

Das große Dilemma: sich anpassen oder neu erfinden?
Die einzige Gewissheit hinsichtlich der elektromobilen Entwicklung ist, dass sich der Elektrifizierungsanteil der Fahrzeuge mit der Zeit erhöhen wird, andere Parameter sind spekulativ. Somit stehen heute Automobilhersteller vor einer enormen Herausforderung: in welchem Maße können und sollen die bereits bestehenden Produktionssysteme an die Ära der Elektromobilität angepasst werden? Ist eine Anpassung überhaupt sinnvoll oder muss man ganz von vorne anfangen? Am IAO sind wir überzeugt, dass die automobilen Produktionssysteme der Zukunft sowohl verschiedene Antriebstechnologien als auch schwankende Stückzahlen je Antriebstechnologie bewältigen können müssen. Dieses wandlungsfähige Produktionssystem bezeichnen wir als »Hybrides Produktionssystem«.

Hybride Produktionssysteme: Wertschöpfung durch Wandel
Die Idee des Konzepts »Hybrides Produktionssystem« ist, ein Produktionssystem derart wandlungsfähig zu gestalten, dass es die unterschiedlichen Antriebskonzepte bzw. die dafür benötigten Komponenten bei sich verändernden Stückzahlen und Technologien abbilden kann. Zum Einsatz kommen dazu sogenannte »Wandlungsbefähiger-Prinzipien« wie Universalität, Mobilität, Modularität, Skalierbarkeit und Kompatibilität. Sie ermöglichen einem Produktionssystem, sich kurzfristig an wechselnde Bedingungen anzupassen. Die sinnvolle Einführung dieser Prinzipien verlangt eine detaillierte Analyse und Bewertung, wie die Wandlungsfähigkeit erzeugt werden kann. So ist die zentrale Frage, in welche Richtung ein Werk hinsichtlich der Komponenten eines elektrifizierten Fahrzeugs wandlungsfähig gestaltet werden soll. Hierzu müssen die zukünftig benötigten Komponenten und die möglichen Wandlungspfade des Werks identifiziert und bewertet werden.

Ein Beispiel: für ein Aggregatewerk macht es Sinn, die Themen »Effizienztechnologien für Verbrennungsmotoren« und »Hybridgetriebe« zu analysieren, da hier eine hohe Ähnlichkeit der benötigten zu den bereits vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen vorhanden ist und deshalb ein hohes Wertschöpfungspotenzial erwartet werden kann. Wandlungspfade müssen also insbesondere bezüglich dieser Komponenten mit den Wandlungsbefähiger-Prinzipien eröffnet werden.

Natürlich werden die Veränderungen auf Werksebene auch zu Verschiebungen in der Wertschöpfungskette führen. So werden der Austritt von etablierten Lieferanten aus der Wertschöpfungskette sowie der Eintritt neuer Lieferanten, ggf. sogar aus automotive-fernen Branchen, zu organisieren sein. Die gesamte Wertschöpfungskette muss dem Wandel der Produktion dynamisch angepasst werden können, damit die verfügbaren Kompetenzen die reale Entwicklung der Technologie und der Märkte abbilden können.

Entwicklung der Technologie und der Märkte

Wie gestalten Sie wandlungsfähig?
Die wandlungsfähige Ausgestaltung der Produktion, sei es über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg oder auf Werksebene, erfordert eine systematische Analyse und Kreativität. Wir haben unter dem Titel »Hybrides Produktionssystem« eine Methodik entwickelt, um Produktionssysteme hinsichtlich der Elektromobilität wandlungsfähig zu gestalten, die wir nun in ersten Projekten mit Industriepartnern einsetzen. Was sind Ihre Ideen und Ansätze für die automobile Produktion der Zukunft? Wir hören gerne zu!

Leselinks:

Carolina Sachs

Sie forschte über neun Jahren im Bereich Mobility Innovation am Fraunhofer IAO. Sie setzte sich für die Förderung und Höherqualifizierung von KMU ein und gründete die New Mobility Academy.

Autorenprofil - Website - LinkedIn



Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), Future Mobility
Tags: , , , , ,