Digitaler Wandel braucht digitale Denker und Gestalter. Ein Vorreiter und überzeugter digitaler Enthusiast ist Stephan Weiss, der seit 30 Jahren in der Versicherungsbranche tätig ist. Ich war mit ihm im Gespräch und haben ihn zur Digitalisierung von Versicherungen befragt.

Herr Weiss, wie stellen Sie sich auf die Digitalisierung ein?

Eigentlich ist Digitalisierung seit mehr als 20 Jahren ein schleichendes Thema, nur das der Handlungsdruck und die Geschwindigkeit heute wesentlich höher ist und das Thema Digitalisierung nicht mehr negierbar. Das Thema bietet eine Menge neuer Chancen für die Versicherungsbranche – aber auch bewusste Veränderungen! Das Wichtigste für mich ist dabei: Mit offenen Augen den Alltag beobachten, Neues einfach auszuprobieren und jederzeit neugierig die Digitalisierung als Consumer zu erproben. Manchmal reicht aber auch ein bewusster Seitenblick auf die eigenen Kinder.

Mein persönliches Setting: Neugier und Ausprobieren, Reflektieren, Vernetzung, keine Angst auch mal Fehler zu machen, bestehende Branchen-Paradigmen in Frage stellen und dann »mutig auch einfach mal machen«.

Die klassischen »Vollversicherer« werden ja immer totgesprochen – obwohl die Zahlen nach wir vor gut sind. Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?

Ich bin der Meinung, dass unsere Branche weiterhin ihre Kernkompetenz »Risikomanagement« behält. In 10 Jahren werden Versicherer, Start-ups und Serviceanbieter aus anderen Branchen gemeinsam neue Businessmodelle und Produkte etabliert haben. Vielleicht mag es einige Produkte nicht mehr geben, aber wir werden eine Reihe aus heutiger Sicht völlig neue Produkte bestaunen können. Dabei werden meines Erachtens Prävention und Echtzeitservices ¬– wie beispielsweise Assistance – anstatt der klassischen »Schadenregulierung« im Vordergrund stehen.

Wie berücksichtigen Sie die Erwartungen des Kunden im Innovationsprozess? Welche Rolle spielen dabei KI, Big Data oder andere Technologien?

In einem ersten Schritt nutzen wir gemeinsam mit Endkunden und Vertriebsmitarbeitenden den Kreativprozess »Design Thinking«. Dabei involvieren wir die Fragen der Kolleginnen und Kollegen, die täglich mit unseren Kunden zu tun haben.

Bei neuen Produkten spielen KI und Big Data eine große Rolle – denn mit der Erhebung und Auswertung neuer Daten und neuer Analysemöglichkeiten können wir in unserer Branche die Produkte und Services fortlaufend verbessern und neue Mehrwerte für den Kunden und das Kundenerlebnis generieren – und das eröffnet dann weitere Kundensegmente.

Wie motiviert man junge Leute in klassischen Unternehmen spannende Innovationen zu treiben?

Optimalerweise lässt man sie mit ihrem Wissen die Digitalisierung mitgestalten. Man sollte neue Formate aus Unternehmen jederzeit zulassen und Freiräume nutzen, um neue Dinge, Themen und Trends für andere »fassbarer« zu machen. Ein weiteres Thema: Vernetzung fördern – und zwar nicht nur innerhalb des eigenen Unternehmens. Letztendlich gibt es vielfältige Möglichkeiten, die individuell nach dem Stand und den Bedarfen gewählt werden können. Dazu zählen beispielsweise Hackathons, Themen-Contests, Mini-Prototypen, kurze Sprints, um auch mal neue Technologie auszuprobieren und viele mehr. Ich glaube, dass persönliche Wertschätzung, Mitverantwortung (»von Anfang bis Ende«), eine etablierte Fehlerkultur und Nachhaltigkeit die Motivation deutlich fördern.

Weitere inspirierende Vorträge zu den Themen digitale Transformation, kultureller Wandel und Start-up-Revolution für Versicherungen erlebt ihr auf dem interaktiven Forum und im Seminar »Innovate Insurance« am 31. Mai und 1. Juni 2017 am Fraunhofer-Institutszentrum Stuttgart.

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Julia Berner

Julia Berner ist Forscherin, Kommunikatorin und Innovationsbegleiterin an der Schnittstelle von Mensch und Technologie. Auf dem Blog teilt sie Ergebnisse und Beobachtungen aus ihrer Arbeit u. a. zu den Themen digitale Transformation, Künstliche Intelligenz, Cloud Computing sowie smarte Services und Produkte. Sie freut sich über eine Vernetzung auf LinkedIn.

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