Digitale Disruption
Blogreihe »Digitale Disruption«: Technologien und Anwendungsfelder mit Disruptions­potenzial: »Das Bessere ist des Guten größter Feind« – frei nach diesem alten Sprichwort von Voltaire lädt das Fraunhofer IAO zu einer Blogreihe ein, in der unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler disruptive Trends und Technologien vorstellen und deren Potenziale für Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen. Diskutieren Sie mit!

Auf der Webseite gruenderszene.de wird Disruption folgendermaßen beschrieben:
»Disruption ist ein Prozess, bei dem ein bestehendes Geschäftsmodell oder ein gesamter Markt durch eine stark wachsende Innovation abgelöst beziehungsweise ›zerschlagen‹ wird.« Disruption ist also eine tolle Sache, sofern man derjenige ist, der mit einem neuen Geschäftsmodell einen bestehenden Markt aufrollt. Für die Platzhirsche auf dem Markt ist Disruption dagegen katastrophal, weil sie meist nicht mehr schnell genug reagieren können, um ihre Position noch zu behaupten.

Oftmals kostet es sie auch die Existenz, wie es insbesondere der Fall des Farbfilmherstellers Kodak um die Jahrtausendwende auf tragische Weise veranschaulicht, der nicht nur die ersten Patente im Bereich der Digitalfotografie vorweisen konnte, sondern aufgrund von Fehleinschätzungen des Managements die Digitalisierung des Fotomarkts anschließend komplett verschlafen hat und nunmehr seinen Platz als abschreckendes Beispiel in den Geschichtsbüchern sicher hat.

Für die Platzhirsche unter den Lesern möchte ich zur Beruhigung an ein Zitat von Steve Jobs erinnern: »If you don’t cannibalize yourself, someone else will!« – was so viel bedeutet wie: man kann auch als Platzhirsch das eigene Geschäftsmodell disruptieren. Auf diese Weise wird das Absterben des einen Geschäftsmodells durch das Wachstum des anderen aufgefangen und das Unternehmen überlebt und gedeiht.

Disruption in der Praxis: Flixbus revolutioniert den Fernbusmarkt

Ein aktuelleres Beispiel für Disruption findet sich auf dem Fernbusmarkt. Dieser wurde Anfang des Jahrzehnts dereguliert. Alte Gesetze zum Schutz der Bahn gegenüber der Konkurrenz wurden fallen gelassen, was diverse Unternehmen zum Einstieg in den Fernbusmarkt bewogen hat. Darunter waren viele Unternehmen mit Erfahrung im Personentransport, wie zum Beispiel die Deutsche Bahn oder der ADAC. Und es gab da noch drei junge Männer, die den Koalitionsvertrag gelesen hatten und sich dachten, aus dieser Deregulierung müsse sich doch etwas machen lassen. Getrieben von dem Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen – und ohne jegliche Erfahrung im Personentransportgeschäft – entwickelten sie eine Idee.

Diese Idee sah nicht vor, selbst Busse zu fahren oder ein Busunternehmen im klassischen Sinne zu betreiben. Diesen Part wollte man alteingesessenen Busunternehmern überlassen, von denen es ja genügend gab. Stattdessen erkannten sie die eigentlichen Herausforderungen des modernen Fernbusverkehrs: einfache und komfortable Möglichkeiten online Tickets zu buchen, die Unterstützung von Mobilgeräten, Internetanbindung per WLAN während der Busfahrt, und – nach einer kurzen, aber steilen Lernkurve gleich zu Beginn ihres Start-ups – die elementare Wichtigkeit von gutem Kundensupport, sodass man auch nachts um drei jemanden ans Telefon bekommt, der einem erklären kann, wo die Bushaltestelle jetzt denn nun wirklich liegt.

Die Cloud: Schlüsseltechnologie für neue Geschäftsmodelle

Diese Herausforderungen ließen sich am besten durch Software-Anwendungen lösen. Anwendungen, die jedermann online zur Verfügung stehen sollten. Anwendungen, mit denen die Mitarbeiter im Kundensupport schnell alle nötigen Informationen verfügbar haben. Anwendungen, die mit wachsender Kundenzahl immer stärker ausgelastet sein würden und immer mehr Rechenzentrums-Hardware benötigen würden. Mit anderen Worten: man benötigte ein flexibel skalierbares IT-System: eine Cloud!

Ein entscheidender Vorteil der Cloud war, dass man keine Investition in Hardware oder Lizenzen tätigen musste und somit für die IT immer nur so viel Finanzierung benötigte, wie durch die Nachfrage auch unmittelbar im Anschluss gedeckt wurde. Und Busse musste man ja keine anschaffen , da sich die alteingesessenen Busunternehmer jederzeit über Aufträge für neue Fernbusfahrten im Flixbus-Auftrag freuen würden.

Dieses Geschäftsmodell hat dann auch zunehmend große Investoren aus dem Venture Capital-Bereich angezogen, so dass die verbleibende notwendige Vorleistung bezüglich der IT-Systeme jederzeit gesichert war. Das Ende der Geschichte ist, dass Flixbus den Fernbusmarkt in Deutschland durch Aufgabe oder Übernahme der Hauptkonkurrenten inzwischen mit über 90 Prozent Marktanteil dominiert.

Die Treiber der Disruption waren die Kundenorientierung und der Digitalisierungsansatz sowie das innovative Geschäftsmodell der drei Gründer. Was diese Form der Digitalisierung – und somit auch die Disruption – erst möglich gemacht hat, war die Flexibilität der Cloud.

In diesem Sinne freue ich mich auf weitere Flixbusse und wünsche Ihnen viel Spaß beim Querdenken und viele disruptive Ideen!

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