Autonomes Fahren ist derzeit mal wieder in aller Munde. In 20 Jahren sei es soweit, so Daimler-Chef Dieter Zetsche. Google-Manager Christopher Urmsen formuliert süffisant, dass man hier auf einer Welle reite. In den 50ern und in den 70ern waren es auch jeweils nur noch 20 Jahre. Wie nah wir dem Horizont in den 2010ern tatsächlich kommen hängt allerdings im Wesentlichen davon ab, wie man »autonomes Fahren« definiert.

Autonome bzw. führerlose Fahrzeuge gibt es bereits heute. Sie bewegen sich in Fabriken, über Messen und in Fußgängerzonen. Durch niedrige Geschwindigkeiten bieten sie ausreichend Sicherheit und durch eingespeicherte Fahrwege genügend Zuverlässigkeit. Wieviel schwieriger es ist, auf unbekanntem Terrain zu navigieren, zeigen die aktuellen automatischen Einparkassistenten von Valeo und Co. Sonderfälle zwingen immer wieder zur Korrektur durch den Fahrer. Die Systeme sind automatisiert, aber nicht autonom. Autonom sind Fahrzeuge, die keinen Fahrer benötigen und den Passagieren keine Eingriffsmöglichkeit bieten – sprich: Sie sind lenkrad- und pedalfrei.

Die heute technisch und rechtlich denkbaren Szenarien für vollständig autonome Fahrzeuge sind begrenzt. Komplexe Umwelten werden auch in 20 Jahren noch nicht autonom beherrschbar sein. Darunter fallen insbesondere hohe Geschwindigkeiten bei denen die rein autonom gesteuerte Überführung in einen sicheren Zustand an physikalischen Grenzen scheitern würde, Mischverkehr von menschlich und maschinell gesteuerten Fahrzeugen sowie Situationen die von vielen Sonderfällen geprägt sind.

Automatisiertes Fahren

 

Die deutsche Automobilindustrie spricht deshalb lieber von automatisiertem Fahren – und nimmt damit auch Bezug auf die Definition der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) die unterschiedliche Ausbaustufen von assistiertem bis hin zu vollautomatisiertem Fahren spezifiziert.

Automatisiertes Fahren wird absehbar in 20 Jahren einen sehr hohen Reifegrad erreicht haben. So lange müssen wir allerdings tatsächlich gar nicht mehr warten, um automatisiertes Fahren in seinen Grundzügen zu erleben. Was noch vor kurzem als Fahrerassistenz verkauft wurde, kann nach Belieben heute schon als automatisiertes Fahren über den Ladentisch gehen: Einparken, Stauassistenz, ACC, Lane Keeping, automatische Notbremsung, auch ABS und ESP sind automatisierte Systeme. Sowohl Längs- als auch Querbeschleunigung ist manöverabhängig bereits automatisiert. Kombinationen wie ACC mit Spurhalteassistenten ermöglichen in Standardsituationen bereits jetzt ein hochautomatisiertes pilotiertes Fahrerlebnis.

Wenn da nicht die Verantwortung des Fahrers wäre. Heutige Systeme holen den Fahrer spätestens nach wenigen Sekunden wieder »zurück ins Boot«. Mehrwert erzeugende Nebenbeschäftigungen kommen da nicht in Frage. Vielmehr dienen die Systeme dem Komfortgewinn. Ablenkung und Unaufmerksamkeit gelten heute noch als größter Feind des verantwortlichen Fahrzeuglenkers. Dennoch: Wirklich messbaren Mehrwert würden Fahrzeuge erst bieten, wenn uns die Automatisierung Freizeit bringt, Arbeitszeit – oder Zeit zum Essen, Schlafen, Kommunizieren…Für diese neuen Möglichkeiten benötigen wir eine neue Art Fahrzeugintelligenz, mit der ich mich in Kürze hier auf dem IAO-Blog beschäftigen werde und die Sie auf dem VI-Summit am 2. April gerne mit mir diskutieren können.

Leselinks:

Frederik Diederichs

Maschinenversteher und Fahrsimulant am Fraunhofer IAO. Er erforscht, wie zukünftige Assistenzsysteme und Anzeigen im Auto aussehen müssen, damit sie sich positiv auf unser Erleben und Verhalten auswirken. Spaß an Mobilität kann man schließlich auch in Zukunft nie genug haben.

Autorenprofil



Kategorien: Future Mobility, Mensch-Technik-Interaktion
Tags: , , ,