Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Wie viel »mehr« könnten wir dann erst durch Bewegtbilder wie Videokommunikation transportieren?

Obwohl heute große Datenmengen übertragen werden können, hat sich die Videokommunikation im Berufsalltag noch nicht durchsetzen können. Meiner Erfahrung nach steht bei der Einführung von Videokonferenzen meist immer noch das Einsparpotenzial bei Reisekosten klar im Vordergrund – weshalb die Technologie vor Jahren auch zunächst an der Unternehmensspitze Einzug hielt. Ein recht schnöder Grund, der potenzielle Mehrwerte wie Effektivität und Qualität der Kollaboration völlig vernachlässigt.

Um herauszubekommen, ob Video- und Webkonferenzen tatsächlich auf breiter Basis eine Alternative zu anderen Formen der Fernkollaboration darstellt, also für eine echte Kosten-/Nutzenanalyse, haben wir genauer hingesehen. Und sind dieser Frage mit freundlicher Unterstützung von OmniJoin in einem Experiment nachgegangen.

Unsere Kernfrage:
Was wir konkret herausfinden wollten war: Welche Vorteile entstehen bei der Teamarbeit durch die Nutzung einer integrierten Kollaborationsplattform mit HD Video – im direkten Vergleich zur üblichen Kombination von Telefon(-konferenz) und E-Mail?

Unser Forschungsdesign:
Dazu entwickelten wir Gruppenaufgaben, typische Probleme aus dem Arbeitsalltag, die konvergierende Interessen und Konfliktpotenzial mit sich brachten: eine Budgetverteilung und eine Büroplanung.
Unsere Vergleichsgruppen bearbeiteten dann jeweils eine Aufgabe mit Telefon und E-Mail und eine über die integrierte Plattform mit Video innerhalb einer festgesetzten Zeit und füllten im Anschluss einen Fragebogen aus.

…and the winner is:
Schon die Erste, unmittelbare Beobachtung hat uns überrascht: Schneller ging es mit Video nicht. Vielmehr wurde parallel diskutiert und gearbeitet, während per Telefon die Aufgaben aufgeteilt und dann zügig separat bearbeitet und per E-Mail zirkuliert wurden. Beides dauerte ungefähr gleich lang.
Der Mehrwert der Videokommunikation liegt in der Qualität und im Prozess – und in der Zufriedenheit mit dem Ergebnis. Unsere Beobachtungen legen nahe, dass die Effekte von Videokollaboration eher »weiche« Effekte und daher eher über mehrere Meetings hinweg zum Tragen kommen.

Wesentliche Effekte/Faktoren waren dabei:

  • Engagement/Einbindung der Teilnehmer: 70,2% der Teilnehmer berichteten, dass bei Einsatz von Videokonferenztechnik eine höhere Motivation und mehr Engagement in der Team-Diskussion zu verzeichnen war, da jeder Teilnehmer das gleiche Dokument vor Augen hatte und man sich im Gegensatz zu Telefonkonferenz und E-Mail gegenseitig sehen konnte.
  • Offenheit der Diskussion: 59,6% der Teilnehmer sagten, dass die Visualisierung des Diskussionsobjekts und die Sichtbarkeit aller Teilnehmer eine offenere Diskussion gestattet (auch weil man sieht, wer sich zu Wort melden möchte).
  • Arbeitsatmosphäre: 73,9% der Teilnehmer sagten, dass die durch Videotechnik ermöglichte direkte und persönlichere Kommunikation zu einer positiveren (und damit entspannteren) Arbeitsatmosphäre führte. 91,5 % der Teilnehmer gaben an, dass für sie bei der Ausführung von komplexen Teamaufgaben eine positive und entspannte Arbeitsatmosphäre wichtig sei.
  • Gemeinsame Entscheidung: 81% der Probanden fand, dass per Telefon und E-Mail Aufgaben bloß aufgeteilt, aber nicht gemeinsam gelöst wurden. Mit der integrierten Plattform sei man gemeinsam zu einer Lösung gekommen.

So lautete unsere Schlussfolgerung, dass die Zusammenführung von Video, Ton und gemeinsam bearbeiteten Dokumenten in der integrierten Kollaborationsplattform Teamarbeit als echten Gruppenprozess ermöglicht.

Unterm Strich bedeutet das: die ‘um den Tisch’ versammelte Intelligenz wird voll ausgeschöpft, Teilnehmer fühlen sich integriert und schalten darum auch nicht so schnell ab.

Immer dann, wenn Themen eines echten Austauschs oder einer intensiven Diskussion bedürfen, können diese erweiterten Kommunikationsmöglichkeiten Mehrwerte schaffen. Die Gesprächsituation wird natürlicher, auch non-verbale Signale können von Gesprächspartnern besser verarbeitet werden, die Moderation kann besser auf Gesprächswünsche, Wortmeldungen, insgesamte Stimmungen eingehen. Wer schon einmal versucht hat, eine Telefonkonferenz mit mehr als drei Teilnehmern zu einem kontroversen Thema zu moderieren, weiß, wie anstrengend und eigentlich unmöglich es ist, im auf die Sprache reduzierten »Meetingraum« eine befriedigende Interaktion zu ermöglichen. Hier erlaubt gerade der visuelle Kanal eine wesentlich bessere Gesprächssteuerung, die Meetingteilnehmer fühlen sich präsenter, können sich leichter einbringen – und können sich auch nicht so leicht »zurückziehen«. Durch die zusätzlich angebotene Möglichkeit, gemeinsam das gleiche Arbeitsdokument zu betrachten und zu bearbeiten, können Misserständnissen und Doppelarbeit vermieden werden und insgesamt effizienter gearbeitet werden.

Entscheidend um Potenzial von Videokonferenzen auszuschöpfen, ist eine Einführung in die Nutzung dieser Systeme, welche neben dem rein funktionalen »Bedienwissen« (wie geht was, wo ist welche Funktion) spezifische Merkmale mediengestützter Interaktion vermittelt und auf die anzupassende Moderationstechnik vorbereitet.

Eine schriftliche Zusammenfassung der Studie »Virtuelle Teams. Kollaboration auf Distanz mit und ohne Video« kann bei sek110 [at] iao.fraunhofer.de bestellt werden.

Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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