Das angepeilte Ziel von einer Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland bis 2020 scheint in unerreichbarer Ferne. Gleichzeitig schießen die Verkaufszahlen von Pedelecs durch die Decke. Warum ist das so? Die Kurzantwort darauf: E-Autos haben aus Kundensicht keinen vorteilhaften Nutzen!

Die bisherige Produktentwicklung: kopieren statt kreieren

E-Autos gelten als Retter unserer Umwelt. Doch für eine Kaufentscheidung werden individuelle Nutzenbetrachtungen statt Umweltkriterien zugrunde gelegt: Im Vergleich zum herkömmlichen Pkw hat das E-Auto weniger Reichweite, »Tanken« ist unflexibel, mit langen Wartezeiten verbunden und teurer ist es auch noch. Bei Pedelecs ist die Situation genau umgekehrt: Bei fast allen Eigenschaften schlägt das Pedelec sein muskelbetriebenes »Vorgängermodell«. In beiden Fällen wurden bestehende Systeme elektrifiziert. Beim Pedelec wurden hierdurch jedoch Vorteile in der Anwendung geschaffen. Bei der Entwicklung von Elektroautos aber wurde durch die Ersetzung des herkömmlichen durch einen elektrifizierten Antriebsstrang ein gleichwertiges und gleich aussehendes Produkt mit Nachteilen »kreiert«. Innovative Produktentwicklung mit Alleinstellungsmerkmalen und Adressierung ungelöster Herausforderungen? Fehlanzeige! Ein E-Auto hat keinen Nutzenvorteil.

Herausforderungen adressieren: Auf der Suche nach den USPs

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um aus Elektrofahrzeugen lohnenswerte Objekte mit individuellem Nutzen zu machen. Unsere Städte sind voll von Problemen und Herausforderungen, die danach schreien, angegangen zu werden: Die Straßen sind chronisch verstopft von großen Fahrzeugen in denen meist nur eine Person sitzt. Erreichen die Fahrzeuge dann ihr Ziel, blockieren sie auf sogenannten »Parkplätzen« wertvolle, innerstädtische Flächen, die man eigentlich auch besser nutzen könnte und welche pro Stadt leicht einen Gesamtwert von mehreren Millionen Euro erreichen. Diese systemischen Herausforderungen lassen sich auch leicht auf den individuellen Kundennutzen transferieren: Im Stau stehen und Parkplätze suchen dauert lange und ist nervig. Der Nutzer möchte eine Lösung, die für ihn keine Zeitverschwendung bedeutet und zugleich angenehm ist.

Mikromobilität: Das Fahrzeug vom Bedarf her denken

Es gibt mehrere Strategien, vorhandene Bedarfe zu adressieren. So ist Tesla seit längerer Zeit nicht mehr in den Medien, weil das Unternehmen die besten E-Autos baut, sondern weil der Vorteil des autonomen Fahrens zur Verfügung gestellt wird: »Mir kann es egal sein, wenn ich im Stau stehe. Ich kann ja nebenher arbeiten.« Was aus individueller Sicht vorteilhaft erscheint, kann langfristig allerdings in der systemischen Perspektive zu ernsthaften Problemen führen; nämlich dann, wenn alle es nutzen wollen. Dafür gibt es eine einfache Formel: Belastung des städtischen Verkehrssystems = Autonomes Fahren + demografischer Wandel. Die Rentner von morgen werden autonomes Fahren lieben!

Einen anderen und systemverträglichen Ansatz wählt beispielsweise das Unternehmen Schaeffler mit dem Bio-Hybrid. Das Fahrzeug füllt die Lücke zwischen Fahrrad und Pkw. Aus Kundensicht ergibt sich der Vorteil, dass aufgrund der geringen Größe mit dem Ein- bis Zwei-Sitzer einfacher Parkplätze gefunden werden können. Da es sich prinzipiell um ein Fahrrad handelt, lässt sich theoretisch auch der Stau einfach auf dem Fahrradweg umfahren. Zwar sind maximal nur 25 km/h elektrisch unterstützt zu erreichen. Da die Durchschnittsgeschwindigkeit im städtischen Verkehr nur unwesentlich höher ist, reicht dies aber völlig aus.

Die Mobilität von morgen – Der Wandel beginnt im Kopf

Dass wenige innovative Fahrzeuge im Bereich der Elektromobilität vorhanden sind, liegt nun nicht unbedingt daran, dass die OEMs nicht selbst darauf gekommen wären, innovative Fahrzeuge zu entwickeln. Vielmehr liegt der Hauptgrund in unser aller Verständnis von Mobilität. Gerade wir im Land der Autobauer haben festgefahrene Vorstellungen von Fahrzeugen: Vier Räder, vier Sitze und groß soll es sein. Doch überlegen Sie einfach, wie oft Ihr Auto voll beladen ist oder wie oft Sie tatsächlich 500 km weit fahren müssen. Denn die eigentliche Herausforderung der Umgestaltung unserer Mobilitätssysteme ist nicht das Fehlen einer Ladesäule, sondern unser Festhalten an historischen und überholten Vorstellungen vom Wesen der Mobilität.

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Kategorien: Future Mobility, Stadtentwicklung
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