Fahren muss man erleben – oder lebensnahe Veranstaltungen dazu besuchen und möglichst viel Expertise, Erleben und Austausch mitnehmen. Auf unserem Vehicle Interaction Summit am 2. April 2014 beleuchteten Vertreter der deutschen Autoindustrie die unterschiedlichsten Perspektiven des automatisierten Fahrens: Interfaceanforderungen, intuitive Interaktion, Personalisierung, Fahrerzustandserkennung und Fahrspaß. Für diejenigen, die nicht dabei gewesen sind, möchte ich eine kurze Zusammenfassung anbieten.

Institutsdirektor Dr. Manfred Dangelmaier und Harald Widlroither, Chef des Vehicle Interaction Lab am IAO, eröffneten die Veranstaltung mit einem Rückblick auf vergangene Visionen vom autonomen Fahren. Sein Fazit: Seit den 70ern baden wir im Meer der Visionen zum autonomen Fahren und immer, wenn wir mal wieder auf einer Welle reiten, ist der Horizont »nur« noch 20 Jahre entfernt. Dank google, den OEM und Tier1 sieht er aber derzeit die Chancen so gut wie noch nie, den Horizont auch einmal zu erreichen (wie gute Ironie und Wirklichkeit doch zusammen passen können). Als Roadmap zur schrittweisen Einführung empfiehlt er nach bester IAO-Tradition, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und Funktionen und Manöver zu automatisieren, die den Menschen heute schwerfallen oder nerven. Fahrfreude müsse dagegen (noch) nicht »wegautomatisiert« werden.

Fahrfreude darf nicht zu kurz kommen

Die Keynote schlägt genau in diese Kerbe. Manuel Höfer von Porsche zeigt in seinem Vortrag, dass Fahrfreude auch beim automatisierten Fahren nicht zu kurz kommen muss. Mit erfrischender Selbstironie zeigt er dieses Einparkvideo und betont ansonsten, dass Komfort und Sportlichkeit bei Porsche seit eh und je in »maximaler Spreizung« vereint wären.

Danach wird es spezifisch: Stefan Wolter nimmt sich das Thema Übergabe und Übernahme in unterschiedlichen Automatisierungsgraden vor. Dabei zeigt er auch, dass heute HMI-Konzepte aus dem Hause Ford sich nicht grundsätzlich ändern müssen, um auch höhere Automatisierungsgrade intuitiv anzuzeigen und verweist auf die geplanten Arbeiten im Forschungsprojekt AdaptIVe www.adaptive-ip.eu.

Eberhard Frank von Amplify hat mit seinem Team die Bertha Benz Fahrt begleitet. Die Erfahrungen setzt sein Team jetzt in innovative HMI für automatisiertes Fahren um.

Jens Fliegner von der VW Konzernforschung sendet eine deutliche Botschaft zu den notwendigen Forschungsfragen zur Fahrer- und sogar Insassenzustandserkennung und Modellierung: wenn wir automatisiert fahren wollen, dann müssen wir über die Insassen bestens Bescheid wissen. Und zwar sowohl über deren Preferenzen und Vorlieben als auch über deren akute Zustände, Wünsche und Interaktionen untereinander. Nicht zufällig leitet er eines unserer Forschungsprojekte zum Thema www.incarin.de.

Einblicke in Forschungprojekte und Live-Demos im Fahrsimulator

Melanie Ganzhorn vom Forschungsteam des Fraunhofer IAO gewährt weitere Einblicke in die Thematik, in der unser Institut inzwischen über breite und tiefe Expertise verfügt, wie Veröffentlichungen und Erfahrungen in den öffentlich zugänglichen Projekten zu Schläfrigkeit www.wach-am-steuer.de, Emotion www.i-vital.eu, Motivation www.collaborative-team.eu, und Fahrerintention www.urban-online.org zeigen. In einer Studie, die im Zentrum des Vortrags stand, konnten wir nachweisen, dass die richtigen Nebenaufgaben Reaktionszeiten zur Übernahme aus dem automatisierten Fahren verkürzen können. Wichtig ist, dass die Aufmerksamkeit beim automatisierten Fahren weiterhin dem Fahrzeugumfeld gilt – und nicht dem digitalen Lifestyle.

Patrice Reilhac von der Firma Valeo, Pionier des automatisierten Fahrens, blickte zurück zu den Anfängen, um dann den Bogen Richtung Zukunft zu spannen: Vor 7 Jahren parkte Valeo als erster automatisch ein! Noch heute haben die Franzosen mit Entwicklungssitz in Bietigheim hier die Nase vorn. Reilhac zeigte ein Konzept wie Valeo Fahrerblickerkennung für intuitives Fahren nutzen will. Interessenten konnten den Demonstrator, den Valeo auf der CES 2014 zeigte und der auch bei uns im Foyer stand, live ausprobieren.

Unsere Forscher demonstrierten zudem automatische Notbremssysteme im sicheren Fahrsimulator. Auch kritische Situationen konnten in der Simulation durchlebt werden. Im Immersive Engineering Lab konnte man sich von einem in 3D herannahenden fahrerlosen Auto beinahe über den Haufen fahren lassen und dieses Gefühl auch ein zweites und drittes Mal wiedererleben.

Dr. Dietrich Manstetten zeigte, welche weitreichenden Kompetenzen Bosch aufgebaut hat, um Fahrerablenkung und Fahrerintentionen nicht nur zu erfassen, sondern auch zu interpretieren und die Fahrerzustände zu nutzen, um Assistenzsysteme noch sicherer und intuitiver zu gestalten. Projekte wie AKTIV und UR:BAN nutzten die Bosch-Forscher, um den Stand der Technik wesentlich voranzutreiben.

Als Highlight zum Schluss hatten wir uns noch einen Vortrag von Dr. Otmar Schreiner aufgespart. Continental kommuniziert das Thema automatisiertes Fahren derzeit am lautesten in der Branche und Otmar Schreiner zeigte uns, welche Wege Conti bei den Fahrermodellen einschlägt. Contis Ziel ist es, die verfügbaren Informationen über Fahrerzustände nach einer möglichst fehlerfreien Interpretation direkt zur Anpassung von Assistenz und Information einzusetzen. Einige spannende Beispiele, wie dies aussehen könnte, rundeten seinen Vortrag und auch unsere Veranstaltung ab.

Zum Ende durfte ich noch eine Zusammenfassung zum Besten geben. Aber mehr als in diesen Zeilen zu lesen ist war darin auch nicht enthalten. Zumindest an dieser Stelle haben Sie nichts verpasst ;-)

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Frederik Diederichs

Maschinenversteher und Fahrsimulant am Fraunhofer IAO. Er erforscht, wie zukünftige Assistenzsysteme und Anzeigen im Auto aussehen müssen, damit sie sich positiv auf unser Erleben und Verhalten auswirken. Spaß an Mobilität kann man schließlich auch in Zukunft nie genug haben.

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Kategorien: Future Mobility, Mensch-Technik-Interaktion
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