Ich hatte kürzlich die Möglichkeit, im Rahmen der dritten Konferenz des Bundeskanzleramts zum Thema »Frauen in Führungspositionen« einen Workshop zum Thema »Führung in Teilzeit« vorzubereiten und mitzugestalten. Dafür konnte ich großartigen Input und Praxiserfahrungen aus vier Unternehmen (der Daimler AG, der Kärcher GmbH & Co KG, der BASF und der Commerzbank) organisieren – und das gemeinsam mit den KollegInnen in einem Workshop in Berlin präsentieren und diskutieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit durften wir anschließend vor Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Ministerin Manuela Schwesig und dem kompletten Plenum präsentieren. Was waren die Highlights der Diskussion und der Reflektion auch vieler hochrangiger Frauen in Führungspositionen zum Thema?

Führung in Teilzeit: Ein Begriff – unterschiedliche Umsetzungsformen

Führung in Teilzeit kleidet sich in unterschiedlichste Formen. Die häufigsten sind die Reduktion der Arbeitszeit (noch recht typisch in »vollzeitnahem« Umfang von etwa 80 Prozent), oder das Job Sharing bzw. Tandem-Modell, teilweise unter Realisierung des »Überlapps« zwischen 60 bis 75 Prozent– das heißt, auf eine Stelle werden 120 bis 150 Prozent Arbeitskapazität zugeordnet, um die notwendigen Übergaben und Abstimmungen zu realisieren. Typischerweise werden in diesen Tandem-Modellen allerdings eindeutige disziplinarische Zuordnungen von Mitarbeitenden auf die jeweilige Führungskraft vorgenommen, aus arbeitsrechtlichen- und organisationsbedingten Gründen.

»Frauen in Führungspositionen«
Dritte Konferenz des Bundeskanzleramts zum Thema »Frauen in Führungspositionen«

 

Deutschland – ein Entwicklungsland in Sachen flexibler Führung

Deutschland nimmt bei der Realisierung dieser Führungsmodelle im europäischen Vergleich leider nur einen sehr mittelmäßigen Platz ein. Mit einer Realisierungsquote von 5 Prozent (diese Zahl stammt aus dem Jahr 2013, leider gibt es keine aktuelleren Erhebungen) liegen wir deutlich hinter den Niederlanden mit 12 Prozent, Irland mit 11 oder Großbritannien mit 8 Prozent. Es gibt also viel aufzuholen für unsere hochentwickelte Volkswirtschaft.

Viele positive Effekte für Unternehmen wie Führungskräfte

Führung in Teilzeit realisiert eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben, ermöglicht aber auch für die Unternehmen handfeste Vorteile:

  • breiterer Kompetenzaufbau, gerade bei jüngeren Nachwuchskräften
  • insgesamt erhöhte Verfügbarkeit der Führungskräfte durch ein breiteres personelles Polster
  • Gewinnung guter weiblicher Mitarbeiter mit Führungsperspektive in Zeiten des Fachkräftemangels
  • Realisierung peer-orientierter, gemeinsamer Reflektions- und Lernprozesse

Gerade in Führungstandems, ist dieser letzte, bisher eher unbeleuchtete Nebeneffekt, ein Effekt, der für Führungskräfte, angesichts herausfordernder Führungssituationen, sehr unterstützend wirken kann. Er könnte dem heute leider sehr häufig zu beobachtenden Einzelkämpfertum auf Führungspositionen wirksame Abhilfe schaffen. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass diese Form der Teilzeit nicht dazu führen darf, zwar eine Reduktion von Gehalt, und auch eine »erlaubte« physische Abwesenheit zu realisieren, diese aber faktisch durch Nacharbeit zu anderen Zeitpunkten quasi selbstausbeuterisch überzukompensieren.

Führung in Teilzeit als Ausprägung der »Teilzeitfalle«?

Dieses Stichwort der Selbstausbeutung führte dann zu einem längeren Austausch über die generell kritisch gesehene Wirkung eines hohen Maßes an Teilzeitarbeits-verhältnissen gerade bei Frauen, die entsprechende Einbußen insbesondere in der Rentenhöhe zur Folge haben und sich häufig auch als Karrieresackgasse herausstellen. Diese als »Teilzeitfalle« benannte Problematik gerade im deutschen Arbeitsmarkt hat viele Gründe, und sie ist ein unbestreitbares, gerade in niedrigeren Gehaltsregionen signifikantes Problem. Dennoch waren wir uns in unserer Arbeitsgruppe einig: In den eher höheren Gehaltsregionen von Führungskräften haben diese Argumente insbesondere finanzieller Art nicht dieses Gewicht; und diese Einbußen werden eben bewusst abgewogen gegen größere zeitliche Freiräume für Familienaufgaben oder sonstige private Interessen. Für bestimmte Lebensphasen ist für diese Personengruppe das Mehr an gewonnener freier Zeit für andere Prioritäten sehr wertvoll und wünschenswert, zumal diese Phasen auch nicht notwendigerweise das gesamte Erwerbsleben lang andauern müssen.

Führung als Lebensaufgabe mit Selbstaufgabe – oder ein anspruchsvoller, aber prinzipiell managebarer Job?

Klar wurde für mich auch, dass die Emotionalität in der Diskussion um dieses Thema letztlich auch mit der Grundfrage zusammenhängt, welches Selbstbild mit Führungspositionen verbunden ist und inwieweit diese Position überhaupt als teilbar, zeitlich beschränkt ausfüllbar gilt. Ist Führung eine Lebensaufgabe (die teilweise bis zur Selbstaufgabe gelebt wird), oder ist es eben auch »nur« ein »Job«, der klug organisiert, deshalb aber nicht mit weniger Herzblut auch mit zwei Drittel der üblichen Vollzeitstelle geleistet werden kann? Diese Frage rührt auch an damit verbundene Rollenbilder und Überzeugungen, die sicherlich überdenkenswert sind. Eine solch pragmatischere Haltung könnte übrigens auch dazu dienen, der durchaus beobachtbaren kritischen Haltung gerade jüngerer Potenzialträger gegenüber Führungsaufgaben mit anderen Perspektiven zu begegnen. Denn schon längst gilt das Angebot einer Führungsposition für die Generation Y und Z nicht mehr als Angebot, das man nicht ausschlagen kann. Vielen gerade hochqualifizierten jüngeren Mitarbeitern erscheinen die mit einer Führungsaufgabe verbundenen Mehrbelastungen als zu hoch, um zunehmende Erwartungen auch an private Entfaltungsmöglichkeiten und Familienaufgaben gleichzeitig befriedigen zu können. Klar wurde aber auch: Sehr fremdbestimmte, hochgradig komplexe und unvorhersehbare Führungsaufgaben z.B. im Politikbetrieb setzen diesen prinzipiellen Überlegungen dennoch Grenzen.

Mobiles Arbeiten als Alternative? – Vorsicht!

Zum Schluss noch ein Aspekt, den ich mit sehr gemischten Gefühlen bewerte. Mehr als einmal wurde in der Diskussion darauf verwiesen, dass – anstatt von Führung in Teilzeit – doch besser die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens noch weiter ausgebaut werden müssten, um viele der Anforderungen zu erfüllen. Auch wir vertreten mobile Arbeitsformen mit Vehemenz als Zukunftsform des Arbeitens. Aber gerade hier möchte ich gerne festhalten: Das Bild der weiblichen Führungskraft, die ihr Kind zwar nachmittags (sozial akzeptiert) um halb fünf von der Kita abholen kann, und sich dafür abends nach 21 Uhr regelmäßig die Nachtschicht verordnet, um alles Liegengebliebene aufzuarbeiten, verkennt, dass hier eine dauerhafte Doppelbelastung modern verbrämt wird, die Belastungen zu einseitig verteilt. Letztlich wird es darauf ankommen, Arbeits- und Lebenszeit auf längere Phasen besser verteilen zu können (gerade angesichts immer längerer Lebensarbeitszeiten) UND diese Aufgaben im Familienverbund besser zu verteilen. Flexibilisierung darf nicht dazu dienen, überkommene Arbeitsteilungen zu zementieren.

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Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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Kategorien: New Work / Connected Work
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