Stellen Sie sich vor, Ihr Chef eröffnet Ihnen eines Tages: »Ab Montag arbeiten Sie mit einem Roboter zusammen!« Wenn Sie auf diese Nachricht mit ambivalenten Gefühlen reagieren, gehören Sie wohl zur Mehrheit der Beschäftigten. Mit diesen teilen Sie die Sorge, ob Sie durch die Zusammenarbeit mit dem Roboter interessante Arbeitsaufgaben verlieren und ob dadurch Ihre Qualifikation leidet. Zeit für ein Zukunftsszenario, in dem die Zusammenarbeit mit dem Roboter Ihre Kompetenzen stärkt!

Es ist das Jahr 2030: Die Aufgaben der Produktionsmitarbeiter sind durch die Zusammenarbeit mit Robotern anspruchsvoller geworden. So koordiniert der einzelne Mitarbeiter mit seinen Kollegen die Verteilung der aktuellen Produktionsaufträge auf Maschinen und Roboter. Er stellt den Roboter auf aktuelle Materialien und Produkte ein, programmiert neue Arbeitsschritte und überwacht laufende Vorgänge. Auch die Behebung von Störungen, Werkzeugwechsel, An- und Abtransport von Material und Werkstücken sowie Wartung und Instandhaltung des Roboters gehören je nach Rolle des Mitarbeiters zu seinen Aufgaben.

Da der Roboter aufgrund seiner Flexibilität an unterschiedlichen Bearbeitungsstandorten in der Produktion einsetzbar ist, muss sich auch der Mitarbeiter auf eine größere Zahl von Aufgaben als bisher einstellen. Die kontinuierliche Bewegung mit dem Roboter zu verschiedenen Einsatzorten (»Rob Rotation«) führt dazu, dass die Kompetenz des Mitarbeiters zunimmt, unterschiedliche Maschinen zu bedienen (Mehrfacheinsetzbarkeit). Dadurch entstehen mehr neue Aufgaben, als durch den Robotereinsatz wegfallen.

Mensch und Roboter lernen voneinander

Roboter reagieren im Jahr 2030 auch auf Sprachbefehle und Gesten von Menschen. Auf diese Weise können nicht nur Änderungen von Produktionsparametern oder des Einsatzortes in der Fabrik schnell durchgeführt werden, auch Lernprozesse zwischen Mensch und Maschine, die über das manuelle Führen des Greifarms (teach-in) hinausgehen, sind dadurch möglich. Mitarbeiter lernen Roboter z. B. ein, indem sie den Arbeitsvorgang wie gewohnt manuell durchführen und dabei einen Datenhandschuh tragen, der die menschlichen Bewegungen aufzeichnet und an den Roboter weiterleitet. Zusätzliche Kommunikationsmittel der Roboter sind neben Displays Lichtsignale, Töne und symbolische Bewegungen des Greifarms, die helfen, Informationen intuitiv und schnell zu vermitteln. Damit demonstrieren auch Roboter den Mitarbeitern, wie neue oder seltene Bearbeitungsprozesse ablaufen. Nicht zuletzt können Mitarbeiter »ihren« Roboter als Kommunikationszentrale nutzen, um sich mit anderen Kollegen und Robotern abzustimmen.

Die Eigenverantwortung des Mitarbeiters wird durch ein spezielles Lern- und Qualifizierungssystem zur Mensch-Roboter-Kollaboration gestärkt, das nach Schwierigkeitsniveau und Vorbildungsstand gestufte Lerneinheiten mit schneller Erfolgsrückmeldung enthält. Dies bietet dem Mitarbeiter nicht nur Lernunterstützung für sämtliche Bearbeitungsvorgänge, die der Roboter ausführen kann, sondern auch für Wartung, Instandhaltung, Mobilität und logistische Aufgaben. Das Qualifizierungssystem enthält kompakte Lerneinheiten, Anleitungsvideos, Zugang zu Dokumenten und Hilfen zur Problemlösung. Es bringt den Benutzer bei Bedarf mit menschlichen Experten und solchen mit künstlicher Intelligenz zusammen. Abhängig vom aktuellem Einsatzort bearbeitetem Produkt, Vorqualifikation sowie Rolle des Mitarbeiters (z. B. Robotik-Bediener, Robotik-Einsteller, Robotik-Überwacher) werden Lerninhalte punktgenau und passend zum aktuellen Arbeitsschritt dargestellt. Außerdem werden Informationen in das Lernsystem eingespeist, die aus dem sogenannten Maschinenlernen stammen: Digital vernetzte Produktionsanlagen kommunizieren weltweit über ihre »Erfahrungen«, die sie in ihren Produktionsprozessen sammeln, z. B. über optimale Maschineneinstellungen bei der Fabrikation einer bestimmten Produktvariante. Auch diese Informationen stehen dem Mitarbeiter über das roboterintegrierte Lernsystem zur Verfügung.

Digital zertifizierte Lernvorgänge inklusive dokumentierter Arbeitsproben erlauben es dem Mitarbeiter, mit der Zeit immer weitere Qualifikationsgrade zu erlangen, die in Zertifikate zur Einrichtung und Bedienung von Produktionsassistenten münden. Ein umfassendes, intelligent gesteuertes Kompetenzmanagementsystem regelt die individuellen Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierepfade, die den Mitarbeitern zur Verfügung stehen – ob auf Basis digitaler oder präsenzbasierter Qualifizierungsmaßnahmen, ob durch Menschen, durch Roboter oder durch andere Lernsysteme vermittelt.

Die automatische Anpassung der Roboter an bestehende Qualifikationen des Mitarbeiters trägt zu einer höheren Durchlässigkeit zwischen Tätigkeiten in der Produktion bei. Indem Roboter die Kompetenzen der Beschäftigten individuell berücksichtigen und Einschränkungen individuell ausgleichen, steigt die Chance für Mitarbeiter, höherwertigere Aufgaben zu bearbeiten.

Schon heute an der Zukunftsvision der Mensch-Roboter-Kollaboration arbeiten

Im Projekt AQUIAS arbeiten wir schon heute an einem positiven Zukunftsszenario für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Der im Projekt entwickelte Mensch-Robotik-Arbeitsplatz vereint Ziele der technischen Machbarkeit, Arbeitsgestaltung, Inklusion und Wirtschaftlichkeit. Der Weg dorthin führte über mehrere Zwischenentwürfe, die wir in einem Demonstrationsvideo vorstellen.

Sie interessieren sich für die mitarbeiterzentrierte Gestaltung von Mensch-Robotik-Arbeitsplätzen? Sie möchten Szenarien für neue Arbeitsplätze der Industrie 4.0 entwickeln, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare hier im IAO-Blog oder Ihre Anregungen direkt per E-Mail.

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Kategorien: Mensch-Technik-Interaktion, New Work / Connected Work
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