Man muss nicht »Rocket Science« betreiben, um zu erkennen, dass sich viele Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden. In bestimmten Bereichen, etwa Automotive oder Druckmaschinen, gibt es einen massiven Rückgang der Auftragseingänge. Noch vor gut einem Jahr habe ich selbst eine Umfrage zum Thema »Wertschöpfung mit Dienstleistungen« im Maschinen- und Anlagenbau durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass fast alle Unternehmen starke Umsatz- und Gewinnsteigerungen erzielen konnten. Das dürfte jetzt anders aussehen.

Maschinenbau – Ouo Vadis?
Die entscheidende Frage lautet: Wie geht es mit der Branche weiter? Sicher, irgendwann werden die Bestellungen anziehen. Klar, eines Tages geht auch die schärfste Rezession zu Ende. Und, ja, eine Entlassungswelle – wie von vielen befürchtet – bleibt möglicherweise wegen des Kurzarbeitergeldes aus. Wird also der deutsche Maschinen- und Anlagenbau dort weitermachen, wo er Mitte 2008 aufgehört hat?

Dies mag für manche, nicht aber für alle Unternehmen zutreffen. Ich wage hier sogar die These, dass viele Unternehmen aus der Krise anders herauskommen werden, als sie hineingegangen sind. Und das betrifft nicht nur die Mitarbeiterzahl oder den Unternehmensumsatz. Ich glaube vielmehr, dass viele Unternehmen künftig ihre Produkte in andere (!) Industrien und Branchen liefern werden. Und nicht wenige Unternehmen werden sich dabei neu erfinden müssen.

Mit Services in die Zukunftsbranchen
Was meine ich damit? Bereits heute kann man in den Wirtschaftsnachrichten verfolgen, dass sich große Player neu orientieren. Der Schweißtechnik-Spezialist Trumpf etwa liefert verstärkt in den Bereich der Medizintechnik und setzt damit auf eine Zukunftsbranche, die weniger stark von konjunkturellen Zyklen betroffen ist. Der Druckmaschinenspezialist Koenig und Bauer prüft den Einstieg in das Solargeschäft. Und andere Hersteller loten aus, ob sie Produkte und Leistungen für die Windenergiebranche erbringen können.

Nun wird natürlich jemand, der heute erfolgreich Textilmaschinen produziert, nicht morgen Getriebe für Windkraftanlagen liefern. Wie also kommen Maschinenbauer in neue Märkte und wie positioniert man sich in den Industrien der Zukunft? Das führt mich zu einer zweiten These: Ich gehe davon aus, dass Dienstleistungen und innovative Services für viele Unternehmen eine Schlüsselfunktion auf dem Weg in neue Absatzmärkte haben werden. Das bedeutet, man entwickelt zunächst das Service-Geschäft für neue Märkte, baut entsprechendes Know-how auf und entwickelt dann sukzessive das Produktgeschäft.

Fraunhofer und Barkawi starten Studie zu »Cross Industry Services«
Zugegeben, ich kenne keinen Fall, wo das bereits perfekt gelungen ist. Aber dass Unternehmen immer mehr Services auch jenseits ihres klassischen Produkt-Kerngeschäftes anbieten, kann man bereits beobachten. Ich halte das Thema für so spannend, dass ich gemeinsam mit der Unternehmensberatung Barkawi, einem Spezialisten für After-Sales-Services, dazu eine größere Studie plane. Uns interessiert das Potenzial solcher »Cross Industry Services« und wir wollen wissen, wie Maschinenbauunternehmen das Potenzial neuer Branchen und Industrien bewerten und wie Unternehmen erfolgreich den Einstieg in solche Zukunftsbranchen schaffen.

Ich schätze, dass wir Anfang nächsten Jahres erste Ergebnisse liefern können und wir werden auch in diesem Forum darüber berichten. Wenn Sie zwischenzeitlich Anregungen oder Fragen zum Thema haben, freuen wir uns darüber.

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Bernd Bienzeisler

Grenzstellen-Wissenschaftler am Fraunhofer IAO. Findet hier optimale Bedingungen, um seinen Interessen zwischen technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen nachzugehen. Bevorzugt privat die Fortbewegung auf Zweirädern.

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Kategorien: Advanced Systems Engineering (ASE), Digitalisierung
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