DELFIN – Dienstleistungen für Elektromobilität

Am 7. und 8. Februar 2017 versammelten sich knapp 500 Experten aus etwa 27 Ländern zum Nordic EV Summit in Drammen bei Oslo – unter anderem, um das Geheimnis des norwegischen Erfolgs in Sachen Elektromobilität zu erfahren. Norwegen ist der Spitzenreiter unter den nordischen Ländern, was die Verbreitung an reinelektrischen Autos betrifft. Etwa 150.000 Stück befinden sich dort bereits auf den Straßen. In Deutschland sind es laut Kraftfahrt-Bundesamt lediglich knapp 27.000 (Stand: Januar 2017). Vom Bestand an Elektroautos weist Norwegen etwa drei Mal so viel aus wie Schweden, Dänemark und Finnland zusammengenommen. Und erklärtes Ziel ist, im Jahr 2020 sogar 400.000 batterieelektrische Fahrzeuge vorzuweisen.

Die Norweger wissen genau um die Gründe, warum man dort bereits das erreicht hat, was hierzulande höchstens als Planzahl auf dem Papier zu finden ist und oft als Wunschtraum abgetan wird. Die staatliche Subvention in Form von Steuerbefreiungen und nicht-monetären Anreizen begreifen sie dabei durchaus als einen begünstigenden Faktor. Doch mit knapp mehr als fünf Millionen Einwohnern ist Norwegen ein kleiner Ländermarkt. Trotz positiver Erfahrungen mit Elektromobilität, hat das Land nicht die Kapazität, diese im Alleingang weltweit auszurollen. Die norwegischen Redner der Veranstaltung rufen daher zur nordischen Kooperation auf – und ernten ein positives Echo der schwedischen, finnischen und dänischen Referenten wie auch des einzigen isländischen Vertreters auf der Bühne. Kooperationen für den Aufbau des Elektromobilitätssystems sind also essenziell.

Convictions Trump Cars

Die nordische Einstellung zur Zukunft der Elektromobilität ist durchweg positiv. Dabei werfen die Elektromobilitätspioniere einen erwartungsvollen Blick auf die deutschen Riesen. So sitzen BMW und Volkswagen neben dem ungern als Konkurrenten wahrgenommenen Elektroautobauer aus dem Silicon Valley auf dem Podium des Nordic EV Summits. Bei den Fahrzeugen versprechen die bayerischen Automobilhersteller nachzulegen. Doch wie sieht es mit kundenzentrierten Services aus? BMW denkt über die technischen Fahrzeuggrenzen hinweg und positioniert sich als Mobilitätsanbieter neu. Bei Tesla funktioniert Elektromobilität laut Vice President of Business Development, Diarmuid O’Connell, nicht allein durch Technik, die begeistert, sondern basiert auf einer durchdachten und wohl-designten »Customer Experience«. Die US-Amerikaner haben Entertainment offensichtlich im Blut. Immerhin hat sich Rednerin Chelsea Sexton, Electric car advocate and advisor, bereits an zwei Filmen beteiligt: »Who Killed the Electric Car?« (2006) und »The Revenge of the Electric Car« (2011). Der Tenor: Es gibt noch viel zu tun, um Elektromobilität in den Köpfen zu verankern. »Work Trumps Hope« ist ihre Devise. Das zeigt auch die Costa Ricanerin Monica Araya, Gründerin und Direktorin von Nivela und Costa Rica Limpia. Sie bringt den Bürgern ihres Landes Elektromobilität mithilfe des Nationalmottos »La Pura Vida« näher. Die Waffen dieser Frau sind Werte, denn sie weiß, dass die Costa Ricaner gerne pur, bewusst und natürlich leben. Der Verbrennungsmotor passt dazu nun schon einmal gar nicht und die dort verfügbare Elektrizität ist ohnehin bereits zu 98 Prozent erneuerbar.

Norway first – who’s second?

Auch Holland meldet sich auf dem Nordic EV Summit mit Frank Geerts, Program Manager, Smart Charging Elaad, zu Wort. Die Vorbereitungen zum Massenmarkt laufen in den Niederlanden bereits auf Hochtouren. Ein »Smart Charging Ecosystem«, welches sich die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) zunutze macht, stellt einen essenziellen Baustein dar. Es scheint so, als wolle der Referent sagen: »I totally understand that it is Norway first. But can we just say‚ the Netherlands second?«. Der größte Anbieter von Ladeinfrastruktur im Norden kommt aus Finnland. Rami Syväri, Head of International Sales & Business Development bei Fortrum Charge & Drive, äußert als wichtiges Erfolgsrezept für Ladedienstleistungen: »Simplicity is key«. Mads Harder-Lauridsen, CFO & Business Development beim dänischen Anbieter Clever A/S, präsentiert eine Landkarte, auf der die Positionierung aller vorhandenen und geplanten Ladesäulen seines Unternehmens zu sehen ist – bis hinunter nach Hamburg. Er nennt es Roll-out, das Bild auf der Präsentationsfolie sieht aus wie ein Roll-down, und zwar von Nord nach Süd. Er betont, dass Unternehmen, welche Elektromobilitätskunden wirklich richtig gut bedienen wollen, ihr »Mindset« komplett verändern müssen. Kommt hier frischer Wind aus dem Norden zu uns?

Öl und Jobs in Zahlen

Zwei weitere pikante Themen werden auf dem Nordic EV Summit behandelt, über welche auch in Deutschland ehrfürchtig debattiert wird: Was passiert mit den Arbeitsplätzen, wenn die Elektromobilität so richtig ins Rollen kommt? Und lohnt sich Elektromobilität aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt? Unterschiedliche Quellen belegen, dass sich Elektromobilität auszahlen wird. Doch wer wird Gewinner, wer wird Verlierer sein? Professor Joeri Van Mierlo, Vrije Universiteit Brussels, wirft in puncto zusätzliche Jobs in der EU in seiner Präsentation zwei Zahlen in den Raum: eine Million bis 2030 und zwei Millionen bis 2050. Bleibt zu hoffen, dass für die bis 2025 erwarteten ca. 100.000 Arbeitslosen in Deutschland, welche derzeit noch an Verbrennungsmotoren tüfteln und schrauben, was Passendes dabei ist. Die adrett gekleidete Thina Saltvedt, Chief Analyst Macro/Oil bei Nordea Markets, ist mit dem reichen norwegischen Ölmarkt groß geworden. Sie lässt sich von der Revolution nicht abschrecken und definiert stattdessen ihren Job nach ausgiebiger Abwägung von Risiko und Rendite einfach selbst neu. Dabei geht sie von einem »Tipping Point« für Elektrofahrzeuge um die Jahre 2020-22 aus. In ihrem Vortrag ermahnt sie: »We shouldn’t underestimate the power of consumers supporting or rejecting car technologies«. Die norwegische Analystin macht nicht den Eindruck, als wolle sie an dem Ast sägen, auf dem sie selbst sitzt. Vielmehr scheinen Anpassung und Wandel ihr Mantra zu sein. Norwegens »after-oil-challenge« kann als Vorbild hinsichtlich der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Als mögliche neue Geschäftsfelder nennt Christina Bu, Secretary General, Norwegian EV Association, digitale Ökosysteme, Value of Data, Carsharing, V2G, Batteriespeicher, autonomes Fahren und Smart Home. Auf keinen Fall darf man sich also auf seinem Steckenpferd ausruhen, man muss umsatteln können.

Bereit sein ist alles

Umdenken und umschulen, als Pionier voran gehen, Geschäftsmodelle umgestalten, Kooperationen eingehen, das Kundenerlebnis bewusst gestalten und gesellschaftliche Werte für die Vermarktung nutzen – dies sind einige Beispiele, wie Unternehmen den Mobilitätswandel mitgestalten und davon profitieren können. Dass hierzulande noch kein nennenswerter Markt besteht und einer aktuellen Studie des Fraunhofer IAO zufolge noch 30 Prozent der Unternehmen nicht daran glauben, dass rein-elektrische Fahrzeuge den Verbrennungsmotor in 50 Jahren von den deutschen Straßen verdrängt haben werden, sollte nicht heißen, dass sich Elektromobilität nicht doch durchsetzen wird. Um den Massenmarkt in Deutschland vorzubereiten und von einer Mobilitätsrevolution zu profitieren, sollten Unternehmen Kooperationen aufbauen – sowohl branchen- als auch länderübergreifend. Eine Möglichkeit ist es, Mobilitätsketten über Kooperationen abzubilden. Insbesondere beim Aufbau von Ladeinfrastruktur sowie eines flächendeckenden Servicenetzes müssen große Player und Start-ups zusammenarbeiten. Im Fokus der gemeinsam entwickelten Angebote sollte die »Customer Journey« stehen: Unternehmen brauchen das Wissen und G‘schmäckle dafür, wie Nutzer Mobilität erleben und in Zukunft erleben wollen. Die notwendige DNA könnte auch als »Dienstleistungsgen« bezeichnet werden. Die Nase in den nordischen Wind zu halten, kann nicht schaden, um es zur Entfaltung zu bringen. Unternehmen sollten dabei auch ihre transformierende Kraft nutzen und nicht einfach auf die »Nachfrage« warten. »Job’s not done« – das gilt für alle Nationen in Bezug auf Elektromobilität.

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