Jeder kennt jeden über mehrere Ecken – dieser Grundsatz, der eigentlich im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken entstand, ist auf dem Land nichts Neues: Während ich in der Stadt meine Nachbarin Frau Müller nur vom Namensschild kenne, leihe ich den Nachbarn auf dem Dorf Eier für den Kuchen und vertraue ihnen meine Blumen an, wenn ich in den Urlaub fahre. Durch diese engen Kontakte entwickelt sich auf dem Land ein Verantwortungsgefühl, das beim Angehen gemeinsamer Aufgaben von Vorteil ist, ganz nach dem Motto: »Gemeinsam sind wir stark«.

Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen

Weil man sich in einer Dorfgemeinschaft kennt, werden Herausforderungen mit bekannten Schicksalen verknüpft. So wird aus dem generellen Problem »Abwanderung« plötzlich Matthias von gegenüber, der bei Schmidt und Söhne eine super Ausbildung bekommen hat, aber aufgrund sinkender Auftragszahlen – schließlich schrumpft die Bevölkerung – nicht übernommen werden kann. Schmidt und Söhne haben in die Ausbildung eines jungen Mannes investiert, von dem der Betrieb nun keinen Mehrwert hat. Er hingegen muss sich für eine Stelle in der Stadt entscheiden. Was tun gegen solche Missstände? Unter den 100 eingereichten Projekten im Wettbewerb befinden sich dieses Jahr ganze 36, die durch verschiedene Lösungsansätze ihren Standort attraktiver machen wollen, damit vor allem junge Einwohner bleiben oder neu hinzuziehen. Ein integratives Netzwerk beispielsweise ermöglicht Menschen mit Handicap eine Anstellung in der Landwirtschaft. Verantwortung übernehmen auch Projekte, die eine Willkommenskultur für Zugezogene etablieren oder die Ausbildungsplätze in der Region in einem Atlas zusammenstellen, um der jungen Bevölkerung frühzeitig Perspektiven am Standort zu bieten.

Großfamilie neu gedacht

Perspektiven werden auch notwendig, wenn es um Aufgaben wie Wissenstransfer, Kindererziehung oder Altenpflege geht. Die traditionelle Großfamilie unter einem Dach gehört in Deutschland der Vergangenheit an. Alternativen sind gefragt. Warum richten wir den Blick nicht auf innovative Formen des Zusammenlebens – oder sind es doch ganz traditionelle? Geht Opa zukünftig mit der Enkelin am Vormittag in die (Mutter-Kind-)Gymnastik und Oma bringt den Enkeln beim Waldspaziergang bei, welches Tier welchen Laut von sich gibt? Werden aus »Oma« und »Opa« nun die betagte Dame und der ältere Herr von nebenan, haben Sie das Konzept von »Mehrgenerationenhäusern« verstanden. Dort kann man sich seine Familie noch aussuchen. Und das Konzept funktioniert nicht nur generationenübergreifend: Wohngemeinschaften für Demenzkranke sind ein weiteres Beispiel aus dem Wettbewerb. Viele der Lösungen scheinen altbekannt – ehrenamtliche Fahrservices, Förderunterricht, Freizeitaktivitäten – doch gerade der Mix und die Vielzahl an Projekten schaffen breite Verbesserungen im ländlichen Raum. Die großen Herausforderungen sind zu meistern, wenn altbewährte Angebote in neuer Verpackung wieder zum Leben erweckt werden. Es benötigt nur ein bisschen mehr Gemeinschaftssinn…

Über spannende Zukunftstrends für das Jahr 2024 auf dem Land lesen Sie im letzten Teil unserer Blogreihe zum Thema »Was treibt das Land (an)?«.

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Kategorien: Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung
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