Agilität ist ein Prinzip, das zuerst vor allem in der Softwareentwicklung Eingang gefunden hat. Der Begriff beschreibt im Kern eine extrem kundenorientierte Herangehensweise, ein iteratives Vorgehen und die dazugehörige Haltung. In diesen Beschreibungsdimensionen ist es eine wichtige Antwort auf die Umwelt, in der sich Wirtschaft und Gesellschaft heute befinden: Schnell veränderlich, komplex, international vernetzt, extrem auf technologische, geschäftsmodellbezogene und soziale Innovationen angewiesen. Diese Innovationsfähigkeit erfordert eine große Offenheit, veränderte Anforderungen schnell aufzunehmen, Dinge auszuprobieren, sich von dem Glauben zu verabschieden, alles »durchplanen« zu können und bisherige langwierige, häufig auch hierarchische Abstimmungswege, immer unbedingt durchlaufen zu müssen: mithin agil zu arbeiten. Zugleich setzen agile Prinzipien auf die breite Aktivierung der Tatkraft und Ideen möglichst vieler Beteiligter, Mitarbeiter, Bürger. Nicht ohne Zufall fallen daher Ansätze der agilen Organisation mit der Diskussion um die Abkehr von klassischer hierarchisierter Organisations- und Kommunikationsgestaltung zeitlich wie inhaltlich zusammen.

Wir haben uns in unserem Arbeitsbereich im letzten Jahr vor allem mit Ansätzen organisatorischer Agilität beschäftigt, also der Frage, wo agile Prinzipien sinnvoll sind, welches Potenzial sie haben, wie sie bestmöglich organisationsstrukturell umgesetzt werden, wie sich Führungsprinzipien anpassen (müssen), welche Schritte der Transformation notwendig sind und wie diese Transformation gemeinsam mit Mitarbeitern und Führungskräften gestaltet werden kann. Wir haben mit Organisationen gearbeitet und andere zu ihren Erfahrungen befragt. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse möchten wir gerne in einer lockeren Folge von Blogs mit Ihnen teilen. Wir freuen uns, wenn wir über diesen Kanal mit Ihnen in einen intensiveren Austausch kommen.

Welche Themen werden wir adressieren? Ein kurzer, vorläufiger Abriss über die Fragestellungen, die wir gerne mit Ihnen diskutieren wollen:

Von Mutterschiffen und Schnellbooten, oder: Wie können in bestehenden Großorganisationen agile Prinzipien und Strukturen mit nicht-agilen kombiniert werden?

Nur Start-ups können agile Organisationsformen von Grund auf entwickeln und zu ihrer DNA machen. Gerade größere Unternehmen beginnen die Realisierung agiler Prinzipien typischerweise in dedizierten Stabsabteilungen, ausgegründeten Start-ups oder in spezifischen Projektgruppen – meist in bewusster räumlicher wie kultureller Trennung. Das Bild von Mutterschiffen und Schnellbooten wird hier oft treffend verwendet. Dabei bewegt uns die Frage, ob diese Trennung dauerhaft sein kann und muss, und wie dieser Umgang mit Ambidextrie auch managementseitig bewältigt werden kann. Riskiert das, eine Zweiklassengesellschaft im Unternehmen zu etablieren (überspitzt formuliert: »Hier die jungen Wilden – da die etablierten Traditionswahrer«)? Wo und wie müssen eventuell sinnvolle Übergänge zwischen beiden Welten geschaffen werden? Sind anschlussfähige Karriere- und Entlohnungssysteme denkbar, die beiden Bereichen dienen und auch jeweils anschlussfähig sind?

Agilität und Wachstum: Was tun erfolgreiche agil agierende Organisationen, wenn sie wachsen?

Agile Prinzipien manifestieren sich in einem hohem Maß in Selbstorganisation, direkter Abstimmung, unmittelbarer Kundeninteraktion und intensiver Zusammenarbeit – Prinzipien, die typischerweise in überschaubaren Organisationseinheiten und kleinräumigen Strukturen am besten realisierbar sind. Was tun, wenn der Erfolg das Gesamtgefüge wachsen lässt? Wie ist ein solches Wachstum am besten realisierbar, ohne die Kernprinzipien zu verlieren? Wie können marktnahe Einheiten und intern wirkende Dienstleistungseinheiten zusammenwirken? Wie erfolgt ein Lernen voneinander, wie sehen mögliche Entwicklungspfade von Mitarbeitern in größer werdenden Einheiten aus?

Nur mit Haut und Haaren? – Agilität und Virtualität

Mit der Kleinräumigkeit verbunden ist auch die Frage, ob, und wenn ja in welchem Ausmaß, agile Organisationsprinzipien mit festen Bestandteilen wie daily stand up – Meetings, enger Interaktion und Selbstorganisation in vorwiegend raum-zeitlicher Einheit oder auch in virtuellen Arbeitskontexten realisiert werden können? Denn: die Digitalisierung und Internationalisierung der Leistungsbeziehungen wird hier Kompromisse nötig machen. Wie können agile Arbeitsprinzipien in der digitalen Arbeitswelt realisierbar gemacht werden? Welche IT-Unterstützung ist sinnvoll? Welche veränderte Kommunikations- und Medienkompetenz ist notwendig? Welche Ausstattung brauchen Projekt- und Meetingräume, die agile Arbeitsprinzipien auch über Distanz unterstützen sollen?

Macht die Selbstorganisation Führung überflüssig?

Agile Prinzipien haben ein wichtiges Element: das der Selbstorganisation in Teams. Welche Rolle haben in solchen Organisationen Führungskräfte? Wie definieren sich diese, welche Haltung müssen sie entwickeln, werden sie überhaupt noch gebraucht? Welche Transformation ist auch hier notwendig? In welchem Maß werden Führungsrollen »durchgewechselt«, fallen fachliche und disziplinarische automatisch auseinander? Wer kümmert sich in agilen Einheiten mit intensiver Marktorientierung um langfristigere Entwicklungswünsche der Mitarbeiter? Wie können diese realisiert werden?

Der erste dedizierte Beitrag hierzu folgt in Kürze. Zudem möchten wir sie auch schon hier auf unsere Veranstaltung »Transformation zum agilen Unternehmen« am 27. Juni 2017 wo wir die virtuelle Diskussion in diesem Kanal gerne direkt mit Ihnen weiterführen möchten.

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Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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