Anwendungen der Künstlichen Intelligenz sind in kleinen und mittleren Unternehmen noch selten zu finden. Das liegt weniger an der Offenheit gegenüber neuen Technologien, sondern vielmehr am Zeitmangel, sich mit diesen kompliziert wirkenden Softwareprodukten zu beschäftigen. Meist sind es technologieaffine Inhaber*innen, die dann doch den Schritt in Richtung IT-Innovation wagen. Dabei muss man weder ein IT-Nerd sein noch alle Prozesse auf den Kopf stellen, um von KI zu profitieren.
Wie baden-württembergische KMU ihre Prozesse mit digitaler Technologie optimieren können, möchte das Kompetenzzentrum Smart Services, gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, aufzeigen. Beispielhaft dafür ist die Zusammenarbeit des KI-Softwareanbieters BäckerAI und der Bäckerei Schöllkopf. Die präsentierte Checkliste soll Unternehmer*innen aus dem Handwerk oder anderen Betrieben, denen es an Zeit, jedoch nicht an Interesse mangelt, helfen eine erste Einschätzung zum Thema Künstliche Intelligenz vorzunehmen.
Der Anwendungsfall: Was macht die KI-Software von BäckerAI?
Kurzum: Es handelt sich um eine Bestelloptimierungs- und Prognose-Software für Handwerksbäcker, um die Frage zu klären »Wie viel Brot und Brötchen muss ich morgen in meine Filialen liefern?«. Eine möglichst genaue Antwort auf diese Frage hilft einerseits dabei, die Ressourcenverschwendung zu minimieren und den manuellen Planungsaufwand zu reduzieren. Andererseits gilt es, betriebswirtschaftlich optimale Entscheidungen zu treffen, also die Frage zu beantworten »Was kostet es uns, ein Brötchen zu wenig zu haben?«. Mit der Software können bei gleicher Warenverfügbarkeit bis zu 30 Prozent der Warenretouren eingespart werden. Die Entscheidungen hierzu werden nicht nur basierend auf historischen Daten getroffen, sondern auch externe Informationsquellen wie Wetterdaten oder Ferienzeiten werden in die Bestellvorhersagen mit einbezogen.

Mit BäckerAI kann eine maximale Warenverfügbarkeit bei minimalen Retouren, zielgenau für jeden Artikel und jede Filiale, bestimmt werden. (© BäckerAI)
Erfahrungsbericht: Welche Tipps gibt es für die Einführung von KI?
Am besten lernt man aus den Erfahrungswerten anderer, deshalb haben wir mit einem Unternehmer gesprochen, der bereits Künstliche Intelligenz im Einsatz hat. Folgende Tipps hat Inhaber Julian Schöllkopf für andere kleine und mittlere Unternehmen und deren Einführung von KI:
- 1. Suchen Sie sich einen Anbieter, der Sie durch den Prozess leitet. Welche Schnittstellen benötige ich? Welche IT-Bedingungen müssen geschaffen werden? Wer sucht mir die erforderlichen Daten? Wir alle wissen: Die Expertise einer Bäckerei liegt in der Herstellung der Backwaren und nicht in der Instandhaltung der IT-Landschaft. Deshalb ist es umso relevanter, einen Anbieter auszuwählen, der bereits bei der Datenbeschaffung im existierenden Warenwirtschaftssystem aktiv unterstützt.
- 2. Sammeln und sichern Sie Daten, auch wenn Sie bisher noch keine KI-Software haben. Im Fall der Software BäckerAI werden drei wichtige Datenarten benötigt: Liefermenge, Retouren und Abverkaufszahlen – möglichst granular aufgelistet. Beginnen Sie also bereits heute damit, Daten für zukünftige Anwendungen zu sichern. Meist ist ein langer Aufzeichnungshorizont von Vorteil.
- 3. Datenqualität zählt. Neben der Zugänglichkeit und der Verfügbarkeit ist die Datenqualität ein entscheidender Faktor. Die KI kann nur so gut sein wie die Ursprungsdaten selbst. Auch wenn viele Unternehmen Excel- und sogar Freitext-Daten mit spezifischen Schnittstellen verarbeiten können, so sind manch andere Dateiformate in der Verarbeitung einfacher. Achten Sie deshalb bei der Auswahl neuer Warenwirtschaftssysteme auf die Dokumentation der Daten im Hintergrund.
- 4. Stellen Sie den Zugriff auf die eigenen Daten sicher. Die Warenwirtschaftssysteme sollten in der Lage sein, Daten über offene Programmierschnittstellen zu exportieren. Ist dies nicht der Fall, müssen Daten anderweitig und zum Teil manuell abgegriffen werden. Sollte Ihr System derzeit nicht offen sein, können gegebenenfalls spezifische Schnittstellen manuell programmiert werden.
- 5. Kein Plug&Play. Einfach mal kurz eine KI-Software kaufen und anwenden geht leider nicht. In der Praxis sind meist Anpassungen der Software erforderlich. Oft müssen die zu Grunde gelegten Daten vorbereitet und formatiert werden. Für die Einführung einer Software wie BäckerAI werden bei sofortiger Bereitstellung aller relevanter Informationen ca. 4 bis 6 Wochen benötigt.
- 6. Behalten Sie die Datenhoheit. Manche KI-Lösungen kapseln Unternehmen regelrecht von den eigenen Daten ab. Systeme, bei denen Unternehmen bereits für die Schnittstellen monatlich zahlen, bergen immer die Gefahr großer Abhängigkeit. Bei der Auswahl sollte man sich für Lösungen entscheiden, bei denen man die Datenhoheit selbst behält. Stellen Sie sich also die Frage: Verfüge ich auch bei kurzfristigem Anbieterwechsel über alle historischen und zukünftigen Daten?
- 7. Affinität der Unternehmensführung muss gegeben sein. Der Zeitbedarf für die Einführung neuer IT-Software ist nicht zu unterschätzen, denn die Zeitersparnis stellt sich erst danach ein. Daher gilt, wie bei jedem Change-Management-Projekt: Die Stakeholder müssen selbst stark involviert sein, um den Veränderungsprozess voranzutreiben. Planen Sie daher Zeit ein, die Sie nach Ihrem Arbeitstag noch aufbringen können. Die anfängliche Mehrbelastung wird erst später ihre Früchte tragen.
- 8. Kommunikation mit der Belegschaft. Machen Filialleiter*innen die Bestellungen nicht mehr selbst oder verstehen die Verkäufer*innen die Vorhersagen der Software nicht, äußert sich das in Misstrauen. Deshalb ist es wichtig zu erklären, wie die KI-Software Entscheidungen trifft und welche wirtschaftlichen Entscheidungen dahinterstehen. Der Mensch hat immer das letzte Wort und kann die Bestellmengen aufgrund besonderer Ereignisse anpassen.
- 9. Künstliche Intelligenz ist nichts für alle Unternehmen. Ja, auch hier spielt die Datenverfügbarkeit wieder eine Rolle. BäckerAI empfiehlt beispielsweise eine Mindestanzahl von 10 Filialen, die an die Software angeschlossen werden sollten. Basieren die zugrunde gelegten Daten beispielsweise auf den Verkaufszahlen von zwei Filialen, können starke Schwankungen auftreten. Ab einer gewissen Filialanzahl werden diese Spitzen ausgeglichen.
- 10. Erwarten Sie keine wirtschaftlichen Feuerwerke. Auch KI kann nicht zaubern. Die wirtschaftliche Amortisation findet nicht in den ersten Wochen statt und ist zudem schwer zu messen. Grundsätzlich geht man davon aus, dass durch die Reduktion des Aufwands (Bestellvorgang) und die verminderten Retouren, die Kosten der Software gedeckt sind. Dennoch ist die Messbarkeit eines solchen wirtschaftlichen Vorteils, zumindest bei den Opportunitätskosten, schwierig. Denn ob die Filialleiter*in während der (neu)verfügbaren Zeit anderen wertschöpfenden Tätigkeiten nachgehen, ist nur schwer nachvollziehbar.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Investition in KI-Anwendungen ist eine Investition in die Zukunft. Auch für KMU ist es wichtig Prozesse digital abzubilden, um sie schlussendlich Schritt für Schritt automatisieren zu können.

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Kategorien: Künstliche Intelligenz
Tags: Business Development, Digitale Geschäftsmodelle, KI - Künstliche Intelligenz, KMU
Vielen Dank für die Information.
Sehr strukturiert geschrieben.