Gastbeitrag

1,7 Millionen: Das ist die offizielle Zahl der ehrenamtlichen Helfer, die in Brandschutz, Rettungsdienst, Katastrophen- und Zivilschutz tätig sind und so die vierte Säule der deutschen Sicherheitsarchitektur, den Bevölkerungsschutz, bilden. Wie sehr von dieser Brutto-Zahl die Netto-Zahl der tatsächlich zur Verfügung stehenden Helfer abweicht, ist ungewiss. Gewiss ist, dass die Zahlen seit Jahren rückläufig sind. Dies hat viele Gründe, von denen der demografische Wandel nur einer ist. Besorgniserregend ist der Rückgang allemal, denn wenn die Zahl ehrenamtlicher Helfer im Bevölkerungsschutz weiter abnimmt, verliert die vierte Säule an Tragkraft und gerät schließlich der ganze Bau ins Wanken.

Spontanhelfer – unverhofft kommt oft

Den Kontrapunkt zu dieser Entwicklung bildet ein aktuelles Phänomen: Spontanhelfer, die, mobilisiert durch Social Media, den Naturgewalten, etwa bei den Hochwasserereignissen 2002 und 2013, dem Pfingststurm Ela 2014 oder den sintflutartigen Überschwemmungen Mitte 2016, die Stirn bieten und die Not lindern. Auf dem Höhepunkt der Migrationskrise 2015 sprach die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung angesichts der Freiwilligen, die die ankommenden Personen in Empfang nahmen und mit dem Nötigsten versorgten, von »wunderbar positiver Anarchie«. Das ist insoweit richtig, als Spontanhelfer nicht Teil des »Systems« sind und ihr Einsatz so herrlich unbürokratisch ist. Dagegen liegen die Nachteile auf der Hand: Niemand kann vorhersagen, ob und wann wie viele Spontanhelfer mit welchen Fähigkeiten zur Stelle sind. Wenn sie denn (unter Umständen in Divisionsstärke!) zur Stelle sind, muss ihr Potenzial gebündelt und kanalisiert werden, damit nicht bloßer Aktionismus den professionellen Helfern das Leben schwer macht. Spätestens, wenn Spontanhelfer fremden Schaden verursacht oder eigenen Schaden erlitten haben, ist Schluss mit »positiver Anarchie«.

Rechtliches Einmaleins für Spontanhelfer

Obwohl die Verwaltung, von der unteren Katastrophenschutzbehörde bis hinauf zum Bundesministerium des Innern, die Chance erkennt, die der Einsatz von Spontanhelfern bietet, herrscht auf beiden Seiten Unsicherheit: Weder Beamte noch Mitglieder der Hilfs-organisationen möchten grünes Licht für Spontanhelfer geben, um dann im Schadensfall vom Recht unbarmherzig eingeholt zu werden. Spontanhelfer wollen Gewissheit haben, dass sie nicht auf eigene Gefahr und eigene Rechnung handeln und für ihr uneigennütziges Engagement womöglich noch bestraft werden. Erschwerend kommt hinzu, dass es in mehreren Bundesländern keine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Spontanhelfern gibt. Daher die wichtigsten juristischen Daten in Kürze:

1. Der Spontanhelfer ist nicht der »Partisan des Bevölkerungsschutzes«. Schon bei einem Minimum an Kommunikation mit den zuständigen Behörden (etwa an örtlichen Sammel- und Auskunftsstellen) kann er zum Verwaltungshelfer und damit formlos in die staatliche Sphäre eingebunden werden. Eine Registrierung mit Aufnahme der Personalien ist sinnvoll, aber nicht zwingende Voraussetzung.

2. Im Einsatz werden Spontanhelfer in die allgemeinen Strukturen integriert. Sie unterstehen der technischen (örtlichen) Einsatzleitung. Als echte Freiwillige können sie jederzeit und ohne Angabe von Gründen ihren Dienst quittieren. Ihr »Job« endet spätestens mit Abschluss des Einsatzes. Widersetzen sie sich den Anweisungen der Einsatzleitung, können sie genauso formlos, wie sie »eingestellt« worden sind, auch wieder »entlassen« werden.

3. Die »Beförderung« zum Verwaltungshelfer hat den Vorteil, dass der Spontanhelfer für von ihm fahrlässig verursachte fremde Schäden nicht selbst aufkommen muss. Es gilt die Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 34 S. 1 GG (Haftungsüberleitung auf die öffentlich-rechtliche Körperschaft). Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit kann der nach außen haftende Staat den Spontanhelfer allerdings im Innenverhältnis in Anspruch nehmen.

4. Hinsichtlich eigener Schäden können Spontanhelfer über die Hilfsorganisation, für die sie kurzfristig tätig werden, versichert sein. Sind sie das nicht, greift die gesetzliche Unfallversicherung für Nothelfer gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII. Diese deckt nicht nur Körperschäden ab, sondern gem. § 13 S. 1 SGB VII auch Sachschäden, Sachverluste (besonders häufig: Smartphones) und Aufwendungen (Erste-Hilfe-Material, Feuerlöscher, Telefonkosten, Verdienstausfall etc.).

5. Spontanhelfer müssen das Strafrecht nicht mehr fürchten als jeder andere auch. Durch ihr Tätigwerden geraten sie nicht in eine strafrechtliche Sonderrolle mit gesteigertem Pflichtenpensum.

Literatur zur Vertiefung

  • Erkens, Zwischen Anarchie und Hierarchie: Rechtliche Koordinaten für den Einsatz sogenannter Spontanhelfer, in: Deutsches Verwaltungsblatt 2016, S. 1369-1377.

Veranstaltung: Stuttgarter Runder Tisch »Forschung im Bevölkerungsschutz

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Harald Erkens

Der Gastautor ist Volljurist, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn. Daneben Gastdozent für Rechtsfragen des Bevölkerungsschutzes an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Derzeit in der Hauptsache befasst mit Notstandsverfassung und Sicherstellungsgesetzen.

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