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Indoor-Navigation: Diese Technologien könnten für einen Durchbruch sorgen

Die Navigation mittels Smartphone gehört für viele schon seit Jahren zur täglichen Routine. Doch während die Wegführung heute meist noch vor dem eigentlichen Ziel an der Grundstücksgrenze endet, geht die eigentliche Suche hier erst richtig los. Flughäfen, Einkaufszentren und Krankenhäuser werden immer komplexer, die Orientierung in diesen Gebäuden zur Herausforderung. Das grundsätzliche Problem: die im Außenbereich zuverlässigen GPS-Signale lassen sich innerhalb der Gebäude nicht empfangen, eine genaue Positionsbestimmung ist auf diesem Wege nicht möglich. Doch dieses Problem lässt sich in Zukunft lösen: Wir haben am Fraunhofer IAO im Rahmen eines prototypischen Entwicklungsprojekts am Beispiel des Bildungscampus in Heilbronn die relevantesten Technologien für die Innenraum-Navigation untersucht.

Die Herausforderung: Positionierung ohne GPS

Gängige Navigations-Lösungen ermöglichen unter freiem Himmel eine zuverlässige und bis auf wenige Meter genaue Positionierung. In dicht bebauten Arealen und Innenräumen stoßen sie jedoch schnell an ihre Grenzen. Wenn diese Navigationsbarriere in Zukunft durchbrochen werden soll, müssen wir auf verlässliche alternative Positionierungstechnologien zurückgreifen.

Bisherige Indoor-Lösungen setzen meist auf fest im Gebäude installierte Bluetooth-Beacons oder QR-Marker. Neben einem hohen Installationsaufwand bringen erstere zudem Ungenauigkeiten durch architektonisch bedingte Abschirmungseffekte mit sich. Welche weiteren Möglichkeiten gibt es also, um auf Basis der im Smartphone verbauten Sensorik eine Navigation im Innenraum zu ermöglichen? Um dieser Frage nachzugehen, wurde am Forschungs- und Innovationszentrum KODIS auf dem Bildungscampus Heilbronn in den letzten Monaten gemeinsam mit den AR-Spezialisten von CAMAO eine prototypische Navigations-App entwickelt und unter Realbedingungen auf deren technische Reife und Nutzerfreundlichkeit untersucht. Hierfür haben wir die kameragestützte Erkennung optischer Ankerpunkte mit den AR-Funktionalitäten gängiger Smartphones kombiniert.

Proof of Concept: Der Use Case AR Campus Navigator

Um die technische Machbarkeit (englisch: Proof of Concept) einer kombinierten Indoor- und Outdoor Navigation möglichst praxisnah zu untersuchen, hat unser Teamwurde eine prototypische Anwendung für den Bildungscampus in Heilbronn entwickelt. Auf dem komplexen Areal, bestehend aus zehn Bildungs- und Forschungseinrichtungen, wird die Orientierung für Studierende, Mitarbeitende und Besucher*innen schnell zur Herausforderung. Ausgerichtet auf die Studierenden als Zielgruppe sollte die Lösung zunächst die Navigation im gesamten Außenbereich und in den Räumlichkeiten von Aula, Bibliothek und Mensa ermöglichen. Umfragen unter Studierenden vor Ort ergaben, dass sich diese oft eine Unterstützung bei der Orientierung auf dem weitläufigen Campusgelände wünschen, auf welchem die Suche nach dem nächsten Vorlesungssaal schnell überfordern kann. Da die Möglichkeiten einer kameragestützten AR-Navigation jedoch weit über die alleinige Suche nach Gebäuden oder Raumnummern hinausgehen, ermöglicht das entwickelte Proof of Concept (PoC) zudem die Navigation zu Sonderzielen wie Arbeitsplätzen in der Bibliothek oder der nächsten Grünfläche im Außenbereich.

Technologie: Gebäudemodell trifft AR

Aus technischer Sicht basiert das entwickelte PoC auf einer neuartigen Kombination bestehender Lösungen. Das Kernproblem einer jeden Navigation, die Positionsbestimmung des Nutzenden, wird in diesem Fall über die Technologie Azure Spatial Anchors ermöglicht. Diese wandelt das von der Smartphone-Kamera erfasste Bild in markante Punktwolken um. In diesen wiederum können sogenannte Ankerpunkte hinterlegt und wiedererkannt werden. Sind die Ankerpunkte mit einem 3D-Modell eines Gebäudes verknüpft, kann die aktuelle Position des Smartphones in Relation zu diesem Modell bestimmt werden. Da die Position aller potenziellen Zielpunkte hier ebenfalls gespeichert ist, kann die kürzeste Route zum Ziel anhand eines Gittermodells berechnet werden. Dem Nutzenden wird die Route mittels Augmented Reality Elementen (AR) direkt im Kamerabild angezeigt, wodurch ein völlig neuartiges Navigationserlebnis entsteht.


Mittels AR-Technologie wird das Kamerabild in Echtzeit um Route, Ziel und weitere Informationen ergänzt.

 

Praxisnahe Testumgebung im »Reallabor Bildungscampus«

Unser Ziel war es, den technischen Reifegrad sowie die Nutzungsfreundlichkeit des Prototyps auf dem Bildungscampus in Heilbronn unter möglichst realen Bedingungen zu testen. Dabei zeigte sich in den Funktionstests, wie nah der Prototyp einer marktreifen Lösung bereits heute kommt. So war die Navigation im Innen- und Außenbereich bereits auf weiten Teilen des Campusgeländes möglich und auch der Übergang zwischen einzelnen Stockwerken, sowie Innen- und Außenbereich funktionierte problemlos. Besonders anspruchsvoll ist die Positionierung immer dann, wenn die Innenräume bspw. von spiegelnden Flächen geprägt sind, welche keine markanten Strukturen aufweisen. Im Außenbereich stellen hingegen regennasse Flächen und sich über den Tag hinweg ändernde Lichtbedingungen eine Herausforderung dar. Auch die, gemeinsam mit Studierenden durchgeführten, User Experience Tests lieferten aufschlussreiche Ergebnisse. Die Testpersonen zeigten großes Interesse an der neuartigen Form der Navigation und konnten bereits nach kurzer Eigewöhnungsphase intuitiv zu verschiedenen Zielen navigieren.

Hält AR-Navigation bald Einzug in unseren Alltag?

Die Entwicklung von Lösungen, welche lediglich auf die im Smartphone verbaute Hardware angewiesen ist, beseitigen Nachteile, welche beacon- oder markerbasierte Ansätze mit sich bringen und sind ein wichtiger Schritt in Richtung einer marktreifen Lösung. Gelingt es, die im Rahmen der Erprobung identifizierten Schwachstellen zu beseitigen und die Zuverlässigkeit noch weiter zu erhöhen, könnten die ersten Navigationslösungen schon bald auch Nutzenden zur Verfügung gestellt werden. Dieser Schritt ist auch deshalb entscheidend, da sich mit zunehmender Zahl an Nutzenden auch die zur Positionierung herbeigezogene Datenbasis wächst. Mit dieser steigt auch das Potenzial, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Navigation durch selbstlernende Algorithmen weiter zu verbessern.

Die Einsatzmöglichkeiten AR-basierter Navigationsanwendungen sind ohne Frage vielfältig und immer dann sinnvoll, wenn es darum geht, sich in komplexen Gebäuden zu orientieren. So sind neben dem Beispiel »Hochschulcampus« auch Krankenhäuser, Flughäfen oder Einkaufszentren für den Einsatz solcher prädestiniert. Gut möglich also, dass wir uns bald nicht mehr nur durch die Straßen, sondern auf der Suche nach einem bestimmten Produkt auch durch die Supermarktregale navigieren lassen.

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Maximilian Feike

Maximilian Feike ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IAO und Teil des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme in Heilbronn. Dort befasst er sich mit Fragestellungen rund um das Innovationsmanagement und Methoden zur Entwicklung digitaler Service.

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