Letztes Jahr erfüllte ich mir einen Traum und trat den ersten großen Urlaub meines Lebens an. Reiseziel: die paradiesische Insel Mauritius. Die angekündigten zehn Stunden hin und elf Stunden zurück wirkten etwas beängstigend. Aber da ich mich von Berufswegen aus mit digitalen Diensten im Flugzeug befasse, sah ich die Sache dennoch gelassen. Ich kenne die spannenden Berichte der diversen Hersteller zu ihren aktuellen Inflight Entertainment Systemen (IFEs). Diese bieten heutzutage sogar ganze Film- und Spieledatenbanken! Bereits bei der Buchung trat die Ernüchterung ein, denn eine schematische Darstellung des Flugzeugs zeigte, dass es für sechs Sitzreihen lediglich einen Bildschirm gab.
Aber wir fliegen ja nicht wegen des Flugwegs, sondern um den Zielort zu erleben. Meine Enttäuschung über das Entertainmentangebot sollte sich allerdings noch steigern! Eingequetscht auf nicht einmal einem Quadratmeter habe ich das Fernsehprogramm studiert. Die Auswahl war banal. Und wer braucht Ton, wenn George Clooney über den Minibildschirm flimmert? In weiser Voraussicht haben wir unser eigenes Entertainmentprogramm mitgenommen. Also hieven wir das Handgepäck aus dem Stauraum und verkleinern den ohnehin schon knappen Sitzplatz durch dicke Bücher und Laptops.
Neue Konzepte braucht die Flugbranche
Warum eigentlich bieten die Fluggesellschaften keinerlei Komfort? Billigflieger schaffen enormen Kostendruck, aber gerade dadurch bietet sich für die großen Fluggesellschaften die Chance, Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Die Technologie dazu gibt es bereits! Inflight Internet Lösungen bieten mehrere Produktanbieter an, doch die Gesellschaften brauchen zu lange, um es zu integrieren. Und Integration ist unverzichtbar. Denn die komplette Erneuerung der Flotten wäre eine untragbare Investition, wenn man sich die Durchschnittsalter zu diesen betrachtet.
Gesellschaft | Gesamtflottenalter in Jahren (Stand April 2011) |
Lufthansa | |
Ryanair | |
Condor | |
American Airlines | |
British Airways | |
Delta Air Lines | |
Air France | |
China Airlines |
Tabelle 1: Durchschnittsalter von Flotten (Quelle: www.focus.de, Abrufdatum: 15. April 2011)
In Zeiten der digital Natives und deren allgegenwärtigen mobilen Endgeräten müsste man diese doch auch für Inflight Entertainment Systeme (IFE) nutzbar machen können. Tablet-PCs und Smartphones schießen wie Pilze aus dem Boden und funktionieren ohne den ganzen Kabelsalat an Bord. Man stelle sich vor wie viel Gewicht sich einsparen ließe, nutzte man die Endgeräte der Passagiere gleich mit! Gewicht ist in der Branche bares Geld! Die Schweizer Architektur- und Designzeitschrift Hochparterre berichtet 2009 darüber, dass ein Kilogramm Gewichtseinsparung pro Flugzeug im Jahr zwischen 185 und 379 € spare (www.bueroschaft.de, Abrufdatum 15. April 2011). Aber als Passagier interessieren mich Technik und Kosten in diesem Moment nur zweitrangig. Ich möchte die Langeweile bekämpfen können und unterhalten werden. Bitte, bitte! Und wenn möglich wenigstens ein bisschen sinnvoll. Warum kann ich mich nicht über die meinen Zielort informieren? Über die Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen? Ich hätte Zeit meine Reise zu planen. Ja, optimaler Weise könnte ich meinen Reiseplan sogar auf mein Smartphone laden, zusammen mit elektronischen Eintrittskarten. Warum kann ich meinen Freunden nicht twittern und meine Vorfreude auf Kultur, Strand und Meer mit ihnen teilen? Es gäbe so viele Gestaltungsmöglichkeiten, so viele Ideen!
Endlich wieder am Puls der Zeit
Meine Konzeptträume werden von der Realität bitter enttäuscht. Ich bin heilfroh, als ich den ähnlich öde anmutenden Rückflug hinter mir habe. Dessen schönste Unterhaltung bestand in der Verarbeitung der Eindrücke von Mauritius. Wieder an meinem Arbeitsplatz angekommen, umarme ich als erstes den Demonstrator und weiß, dass ich an einer Stelle forsche, wo es Not tut. Im Projekt intelligent Comfort Class entwickelt meine Abteilung innovative, digitale Dienste für den Kabinenbereich. Eine ganze Liste an Unterhaltungsmöglichkeiten haben wir zusammengestellt. Diese bildet meine Grundlage für aufregende Konzepte, wie das Angebot von Zielortinformationen an den Passagier und den Einsatz von elektronischen Tickets im Flugzeug. Eine Diensteplattform stellt diesen Dienst (genannt CityExplorer) zusammen mit Facebook und Twitter zur Verfügung. Meine aus dem Flug mitgenommene negative Energie setze ich konstruktiv zur Umsetzung und Weiterentwicklung unserer Ideen ein. Schade, dass die Technik der Airlines noch nicht so weit ist, wie die unseres Alltags. Aber wir arbeiten daran. Und die Trends wandeln sich derzeit schnell: immer öfter sind die Spielereien von heute die Standards von morgen.
Abbildung 1: Der Demonstrator des Projekts intelligent Comfort Class