Equipment-as-a-Service (EaaS) ist eine Geschäftsmodellinnovation im Maschinen- und Anlagenbau, bei der Maschinen und Geräte als Dienstleistung angeboten und nutzungsabhängig abgerechnet werden. In der Blogreihe »Pay-Per-X statt Kaufen« erklärt Dimitri Evcenko EaaS praxisnah und stellt mit dem EaaS-Canvas einen Orientierungsrahmen für die Erstellung eigener Geschäftsmodelle vor.
Stellen Sie sich vor: Ihre Maschinen und Anlagen arbeiten für Sie, ohne dass Sie sie im Voraus kaufen müssen. Klingt spannend, oder? Equipment-as-a-Service (EaaS) ermöglicht genau das – die Bereitstellung von Maschinen als Service mit nutzungsabhängiger Abrechnung.
Laut einer Studie von relayr und forsa aus dem Jahr 2022 unter 125 deutschen Maschinenbauern und 75 Kundenunternehmen sind bereits 54 Prozent der Maschinenbauer dabei, eigene EaaS-Geschäftsmodelle zu entwickeln. Doch obwohl diese Innovation voranschreitet, glaubt nur ein Viertel (28 Prozent) der Nutzer, über ausreichende Kenntnisse über EaaS-Angebote zu verfügen. Fast drei Viertel (72 Prozent) wünschen sich externe Unterstützung, um diesen Wandel nicht alleine bewältigen zu müssen. (siehe Leselinks).
Im Forschungsbereich Digital Business greifen wir dieses Thema auf. Dafür greifen wir die Bedürfnisse im Rahmen einer dreiteiligen Blogreihe auf. Teil 1 soll ein Verständnis für EaaS-Geschäftsmodelle vermitteln und aufzeigen, welche Vorteile dieser Geschäftsmodelltyp für Anbieter und Nutzer bietet. Teil 2 beschäftigt sich mit dem EaaS-Canvas, einem vom Forschungsbereich Digital Business entwickelten Werkzeug, mit dem Unternehmen EaaS-Geschäftsmodelle erarbeiten können. In Teil 3 wird die Umsetzung eines EaaS-Geschäftsmodells anhand eines Praxisbeispiels aufgezeigt.
Was ist Equipment-as-a-Service?
Equipment-as-a-Service beschreibt ein Geschäftsmodell, bei dem Fabrikausstatter, Maschinen- und Anlagenbauer sowie System- und Komponentenanbieter ihre Maschinen, Anlagen oder Geräte nicht mehr an den Kunden verkaufen, sondern gegen eine wiederkehrende Gebühr zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Analog zu einem Abo-Modell, bei dem beispielsweise für die Nutzung eines Streaming-Dienstes eine monatliche Gebühr fällig wird, wird die Maschine je nach Wertversprechen über unterschiedliche, individuell gestaltbare Preismodelle abgerechnet. Dabei werden vier Leistungsstufen unterschieden:
Leistungsstufe | Wertversprechen | Preismodell |
---|---|---|
Verfügbarkeit | Verfügbarkeit einer Maschine o. Ä. in einem definierten Zeitraum (z. B. Verfügbarkeit von 85%/Monat) | z. B. Flatrate |
Nutzung | Verfügbarkeit einer Maschine o. Ä. in einem definierten Zeitraum (z. B. Verfügbarkeit von 85%/Monat), wobei die Abrechnung nutzungsabhängig erfolgt | z. B. Pay-Per-Hour |
Ergebnis | Von einer Maschine o. Ä. produzierter Wert (z. B. geschnittene Teile) | z. B. Pay-Per-Part |
Erfolg | Von einer Maschine o. Ä. produzierter Wert, wobei hier nur die Anzahl der Gutteile berücksichtigt wird (z. B. geschnittene Teile, die eine bestimmte Qualität besitzen) | z. B. Pay-Per-Quality-Part |
Eine Besonderheit dieses Geschäftsmodells besteht darin, dass der Service-Anbieter mit einem EaaS-Angebot verschiedene Risiken übernimmt, die beim Kauf einer Maschine üblicherweise vom Käufer getragen werden:
Risiko | Beschreibung |
---|---|
Investitionsrisiko | Für die Produktion der Maschine muss sie vorab finanziert werden. |
Marktrisiko | Eine schlechte Auftragslage kann zu einer geringeren Maschinenauslastung führen, wodurch die Anlagenproduktivität sinkt. |
Prozessrisiko | Eine unsachgemäße Integration der Maschine in die Prozessabläufe führt zu einer geringeren Produktivität. |
Qualitätsrisiko | Eine unsachgemäße Bedienung oder Konfiguration der Maschine führen zu einer verringerten Output-Qualität. |
Verfügbarkeitsrisiko | Maschinenausfälle oder unvorhergesehene Wartungen lassen deren Verfügbarkeit sinken. |
Wertrisiko | Bezieht sich das Wertversprechen des EaaS-Angebots auf den wirtschaftlichen Erfolg des Service-Anwenders, der aus der Kooperation mit dem Service-Anbieter entsteht, so übernimmt der Service-Anbieter damit auch einen gewissen Teil des Geschäftsrisikos des Service-Anwenders. Verliert ein Produkt des Kunden an Wert oder verringert sich die verkaufte Stückzahl, schmälern diese Entwicklungen den wirtschaftlichen Erfolg des EaaS-Anbieters. Dieses Risiko spielt bei bestehenden EaaS-Services jedoch eine untergeordnete Rolle. |
Je nach Leistungsstufe, werden unterschiedliche Risikoarten auf den Service-Anbieter übertragen. Dabei können bestimmte Kooperationen mit verschiedenen Akteuren die Risiken reduzieren. So senken beispielsweise Banken das Investitionsrisiko durch die Finanzierung der Maschinen. Weiter können IT-Anbieter dabei helfen, das Verfügbarkeits-, Prozess- und Qualitätsrisiko dadurch zu reduzieren, dass sie die Maschinen mit entsprechenden Sensoren ausstatten und die anfallenden Betriebsdaten auswerten. Schließlich können Versicherungen dabei helfen, das Markt- und Wertrisiko besser einzuschätzen. Abbildung 1 fasst die unterschiedlichen Risikoübertragungen zum Hersteller in Abhängigkeit von der Leistungsstufe zusammen.
Fünf Gründe, warum Unternehmen EaaS anbieten sollten:
- 1. Verglichen mit den Kosten für den Kauf einer Maschine, sind die Initialkosten eines EaaS-Angebots für den Kunden geringer. Dadurch können kostensensiblere Kundengruppen angesprochen werden.
- 2. Die Auswertung von Betriebs- und Prozessdaten hilft, die Maschine und die damit verbundene Entwicklung kontinuierlich zu optimieren.
- 3. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Kunden stärkt die Kundenbeziehung.
- 4. Die Wertorientierung der EaaS-Angebote resultiert in einer tiefergehenden Integration in die Prozessabläufe des Kunden, wodurch das Kundenverständnis und -verhältnis vergrößert respektive gestärkt werden.
- 5. EaaS-Angebote bieten Herstellern einen innovativen Weg, ihre Maschinen den Kunden anzubieten. Dabei können sie auf bestehende Strukturen und Prozesse zurückgreifen, die sie bereits für den Verkauf oder das Leasing ihrer Produkte nutzen.
Fünf Gründe, warum Unternehmen EaaS-Angebote nutzen sollten:
- 1. Statt hoher Anschaffungskosten erfolgt die Abrechnung wertorientiert (Pay-Per-X).
- 2. Während eine Maschine Teil der Unternehmensbilanz ist (CapEx), ist dies bei Maschinen, die über EaaS-Angebote genutzt werden, nicht der Fall (OpEx).
- 3. Durch die Übernahme verschiedener Risiken, kann sich der Service-Anwender auf seine Kernkompetenzen fokussieren.
- 4. Die relativ kurzen Vertragslaufzeiten (mindestens ca. 1-2 Jahre) erlauben es, nicht mehr benötigte Maschinen zu kündigen. Dadurch kann auch frühzeitig auf neue Technologien im Kontext von Industrie 4.0 gesetzt werden.
- 5. Das Know-how des Service-Anbieters bei der Maschinenkonfiguration und deren -betrieb ermöglichen es, die Maschine mit einem höheren OEE-Wert (Overall Equipment Effectiveness) zu betreiben, als es der Kunde sonst erreichen würde.
Fazit
Aufgrund der sich immer schneller ändernden Marktbedingungen und technologischen Entwicklungen sind innovative Geschäftsmodelle wie EaaS sowohl für Hersteller von Maschinen- und Anlagen als auch für deren Kunden interessant. Dabei können die Hersteller durch die wertorientierte Preisgestaltung neue Kundengruppen ansprechen und die Integration in die Prozessabläufe beim Kunden sorgt für ein besseres Kundenverständnis. Gleichzeitig profitieren die Kunden von unterschiedlichen Risikoübertragungen auf den Hersteller und einem insgesamt effizienteren Maschinenbetrieb.
Im zweiten Teil dieser Blogreihe steht der EaaS-Canvas im Mittelpunkt. Der EaaS-Canvas ist ein vom Fraunhofer IAO entwickeltes Werkzeug zur Konzeption von EaaS-Geschäftsmodellen (siehe Leselinks).
Ein methodisches Vorgehen, um den EaaS-Canvas auszufüllen, wird im Methodenleitfaden Equipment-as-a-Service (EaaS) beschrieben, der gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA erstellt wurde. Dieser Methodenleitfaden ist auch Inhalt des Workshops Innovation im Maschinen- und Anlagenbau durch wertorientierte Geschäftsmodelle und Pay-per-X, der am 18.09.2024 am Fraunhofer-Institutszentrum in Stuttgart gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA und der Allianz Industrie 4.0 BW (VDMA) durchgeführt wird. Interessierte Unternehmen können sich anmelden.
Die Entwicklung und insbesondere der Betrieb von EaaS-Services stellt einen interessanten Anwendungsbereich für das Edge-Cloud-Continuum dar. Die Forschung und Entwicklung konkreter Technologielösungen in diesem Bereich ist das zentrale Forschungsthema des Fraunhofer Cluster of Cognitive Internet Technologies (CCIT). Dabei werden die Vorteile von Edge- und Cloud-Computing vereint und ein kontinuierlicher Datenraum geschaffen, in dem die Zuweisung von Rechenleistung bedarfsorientiert, dynamisch und automatisiert erfolgt. In diesem Zusammenhang adressiert Fraunhofer CCIT neueste Technologien und Lösungen in den Bereichen Machine Learning, Datenräume und IoT Communications (Vernetzung im Internet der Dinge).
Leselinks:
- Blogreihe »Equipment-as-a-Service (EaaS)«
- Diskussionspapier: Equipment-as-a-Service (EaaS) – Canvas zur Entwicklung von EaaS-Geschäftsmodellen
- Methodenleitfaden zur praktischen Anwendung des EaaS-Canvas
- Workshop am 18.09.2024: Innovation im Maschinen- und Anlagenbau durch wertorientierte Geschäftsmodelle und Pay-per-X
- Industry Report – relayr und forsa: Equipment as a Service adoption in the US manufacturing industry