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Quantencomputing: Drei Erfolgsfaktoren für den Weg in die industrielle Anwendung

Quantencomputing (QC) – Blogreihe zu Quantencomputing
Quantencomputer können komplexe Probleme lösen, die herömmliche Computer an Grenzen stoßen lässt. Die Technologie birgt viele Potenziale für die Industrie und bedeutet nicht nur einen Vorstoß in der Wissenschaft, sondern auch eine große Chance für innovative Geschäftsmodelle und vielversprechende Anwendungszenarien.

Quantencomputing verspricht ein neues Rechenparadigma, das die Gesellschaft grundlegend revolutionieren wird. Denn Quantencomputer funktionieren fundamental anders als klassische Computer. Während bei Letzterem bei gleicher Eingabe das gleiche Ergebnis herauskommt, also determiniert ist, kann die Korrektheit der Ergebnisse eines Quantencomputers lediglich probabilistisch – mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten – garantiert werden. Durch diese Eigenschaft des Quantencomputers eröffnet sich eine Welt der unendlichen Zustände, in der mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet wird und uns damit neue Türen öffnet: Es können Probleme gelöst werden, die auf konventionelle Art bisher noch nicht gelöst oder gar berechnet werden konnten. Mit dieser großen Vision steige ich ein, die bereits Stück für Stück Realität wird und drängende Fragen mit sich bringt: Was ist bisher möglich und was nicht? Welche Probleme können konkret gelöst werden? Und wann ist mit Anwendungen zu rechnen, von denen die Industrie in naher Zukunft maßgeblich profitieren kann? Diese Fragen schwirren im Kopf vieler Unternehmen umher – an den Antworten wird mit Hochdruck gearbeitet.

Stand der Technik im Quantencomputing-Ökosystem

Derzeit entwickelt sich die Hardware kontinuierlich weiter. Der erste kommerziell nutzbare Quantencomputer in Europa unter deutschem Datenschutzrecht – der IBM Quantum System One – ist seit letztem Jahr in Ehningen im Einsatz und wird im Rahmen der Kooperation mit der Fraunhofer Gesellschaft durch die Partner der unterschiedlichen Fraunhofer-Kompetenzzentren deutschlandweit genutzt. Diese einsatzfähigen Quantencomputer rechnen jedoch derzeit noch mit wenigen Qubits (die kleinste Speicher- und Informationseinheit eines Quantencomputers), welche stark fehlerbehaftet sind. Wir befinden uns daher in der sog. »NISQ Ära« (Noisy Intermediate-Scale Quantum Ära). Um die Entwicklung rund um das Quantencomputing-Ökosystem effizient voranzutreiben und derartige Herausforderungen wie die der Fehlerkorrektur zu bewältigen, braucht es eine Bündelung der Kompetenzen.
Das regionale Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg (KQCBW) – als Teil des Fraunhofer Quantencomputing Kompetenznetzwerks – realisiert genau das. Koordiniert durch uns und das Fraunhofer IAF wird in sechs verschiedenen Verbundforschungsprojekten mittels cloudbasierten-Zugriffs auf den IBM Quantum System One zur praxisnahen Weiterentwicklung von Quantentechnologien geforscht, um diese künftig auch für Unternehmen nutzbar zu machen. Baden-Württemberg ist damit einer der großen Player im Quantencomputing-Ökosystem und zieht mit seiner Innovationsstrahlkraft ein hohes nationales sowie internationales Interesse auf sich, wie uns der Besuch des Vizepräsidenten des EU-Parlaments in Ehningen zeigte. Mit dem Quantum Valley Munich steht jedoch auch der erste Quantencomputer Made in Germany in den Startlöchern, an dem das Münchner Start-up Planqc derzeit arbeitet. Es ist die erste Ausgründung des Quantum Valley Munich. Ist jedoch allein die Hardware dafür entscheidend, Quantencomputing so schnell wie möglich in die industrielle Anwendung zu bringen? Die Reife der Technologie ist das eine – es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es darüber hinaus weitere Faktoren braucht, um Unternehmen sowohl für die quantengestützte Zukunft zu wappnen als auch industrierelevante Quantenanwendungen hervorzubringen, die sich langfristig etablieren sollen. Im Folgenden möchte ich gerne drei wesentliche Säulen vorstellen.

Von Quantum Awareness zur Quantum Readiness: Das richtige Erwartungsmanagement ist entscheidend

Unser Austausch mit Unternehmen aus verschiedensten Branchen zeigt, dass ein weitreichendes Bewusstsein für die Schlüsseltechnologie Quantencomputing herrscht und sich davon viel versprochen wird. Was aber bedeutet Quantum Awareness konkret? Die Antwort: Dieses intuitive Bewusstsein mit Wissen zu untermauern, um so selbst passende Einstiegsmöglichkeiten für das eigene Unternehmen einschätzen zu können. Um dies zu gewährleisten, haben wir ein Schulungsprogramm entwickelt, das fundierte Kenntnisse in Quantentechnologien und deren Programmierung vermittelt. Darüber hinaus gibt es einen weitreichenden Überblick und konkrete Handlungsempfehlungen bezüglich der aktuellen Wettbewerbslandschaft und ermöglicht außerdem erste Erfahrungen mit realen Quantencomputern wie dem IBM Quantum System One in Ehningen. Ein erfolgreicher Know-how-Transfer in die deutsche Industrie unterstützt Unternehmen dabei, einen realistischen Blick auf die aktuellen Entwicklungen rund um Quantencomputing zu gewinnen und letztendlich ganz konkrete Schritte im eigenen Unternehmen zu gehen. Denn der Grat zwischen großen Versprechungen über mögliche Potenziale und der einsetzenden Frustration ist sehr schmal. Das richtige Erwartungsmanagement formt auch eine Mentalität des Dranbleibens und Ausprobierens, die essenziell ist für Innovation und die erfolgreiche Positionierung am Markt wie bekannte Innovationsepizentren wie das Silicon Valley zeigen. Schon heute muss bei Unternehmen diese Quantum Awareness geschaffen werden, um der steilen Lernkurve der Hardware- und Softwareentwicklung folgen zu können und sich nicht wie bei den KI-Entwicklungen auf dem Weg zur notwendigen Technologiereife abhängen zu lassen.

Eine wachsende Community als Innovationstreiber

Die Installation des IBM Quantum System One in Ehningen war die Initialzündung für den Aufbau eines vielversprechenden Ökosystems, das zum europäischen Epizentrum im Bereich Quantencomputing werden soll. Insbesondere ein globales und offenes Mindset und die enge Vernetzung zwischen Akteuren aus der Grundlagenforschung, angewandten Forschung, Industrie und Start-up-Szene bilden die besten Voraussetzungen, um Schlüsseltechnologien wie das Quantencomputing schnellstmöglich in die Anwendung zu bringen. Einblicke in dieses entstehende Innovationsökosystem bietet die hybride Veranstaltung »Quantum Village Ehningen« am 12. Juli online und vor Ort bei IBM in Ehningen. Als einer der wichtigen Akteure beteiligen wir uns als Institut interdisziplinär. Aus stadtentwicklerischer Perspektive arbeiten wir daran, einen Innovationscampus für integrierte Wohn- und Arbeitswelten von morgen im Rahmen dieses neuen Quanten-Innovationsareals zu gestalten. Aus der Quantenentwicklerperspektive zeigen wir zudem, an welchen konkreten Anwendungsfällen wir derzeit arbeiten und wie ein guter Wissenstransfer in die Industrie gelingt. Welche Strategien braucht es, um dieses lokale Innovations-Ökosystems »Quantum Village Ehningen« über baden-württembergische und auch nationale Grenzen auszubauen? Es braucht eine stärkere Vernetzung mit einer internationalen Community, die wir mit verschiedenen Besuchen von internationalen Delegationen begonnen haben. Sowohl der Austausch mit einer kanadischen als auch brasilianischen Delegation hat uns gezeigt, wie wertvoll der fachliche Austausch ist, um voneinander zu lernen. Quantencomputing lässt sich nicht ausschließlich regional denken, vielmehr braucht es eine globale Sichtweise darauf. Internationale Vernetzung und Kollaborationen sind essenziell, um die Zukunft des Quantenzeitalters zu gestalten.

Besuch des Vizepräsidenten des EU-Parlaments in Ehningen (© Fraunhofer IAO)
Die Vision vom Quantum Village Ehningen (© Fraunhofer IAO)
Besuch der kanadischen Delegation am Fraunhofer IAO (© Fraunhofer IAO)
Einblick in das kanadische Quantencomputing-Ökosystem (© Fraunhofer IAO)
Einblick in das brasilianische Quantencomputing-Ökosystem (© Fraunhofer IAO)
Besuch der brasilianischen Delegation am Fraunhofer IAO (© Fraunhofer IAO)

Neue Technologie schafft auch neue Berufsbilder

Mit neuen Technologien und damit verbunden neuen Anforderungen an Kompetenzprofilen wächst natürlich auch der Bedarf an Fachkräften, die speziell ausgebildet werden müssen. Der Blick an die Schulen, Universitäten und Hochschulen liegt da nicht fern und die Faszination an Quantencomputing ist bei jungen Menschen sehr deutlich zu spüren. Quanteningenieurinnen und -ingenieure bzw. Quantenentwicklerinnen und -entwickler werden in Zukunft sehr gefragt sein, um die Probleme von morgen zu lösen. Die enge Verzahnung zwischen Schulen, dem Forschungsumfeld, der Start-up-Szene und Unternehmen wird eine bedeutende Rolle in der Ausbildung von Nachwuchs spielen.

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Yeama Bangali

Yeama Bangali ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team Quantencomputing. Sie studierte Literaturwissenschaft und Berufspädagogik und machte auch beim öffentlichen Runkfunk Station. Ihr Steckenpferd ist alles rund um Kommunikation und Wissenstranfer. In ihrer Freizeit macht sie auch Musik.

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