Im pionierHUB im Münchner Werksviertel-Mitte erforscht das Fraunhofer IAO die Zukunft von Städten und Quartieren. Im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte entstehen urbane Innovationen und Zukunftskonzepte an der Schnittstelle von angewandter Forschung, lösungsorientierter Wirtschaft und kommunaler Entscheidungsebene.
Stellen Sie sich eine Wasserquelle vor, die in einer unbewohnten Gegend entspringt. Nach und nach werden erste Menschen darauf aufmerksam und nutzen die neue Möglichkeit, um sich mit Wasser zu versorgen. Sie kehren regelmäßig zurück und die Quelle wird mit der Zeit ihr wichtigster Anlaufpunkt. Nach und nach entstehen feste Unterkünfte und eine Dorfgemeinschaft wächst heran. Optimale Ressourcen gewinnen Menschen und lassen produktive Gemeinschaften entstehen – und diese Dynamik müssen wir auch in unseren Kommunen auslösen, wenn wir lebendige Innovationsökosysteme initiieren wollen.
Wenn wir von urbanen Innovations- oder Gründungsökosystemen sprechen, dann denken wir nicht an Wasserquellen. Wir verwenden stattdessen abstrakte Begriffe wie Standortfaktoren, Netzwerkeffekte oder Multiplikatoren. Dabei sind urbane Innovationsökosysteme moderne Quellen: Lokale Quellen für Ideen, Kunden, Partner, Kapital oder Sichtbarkeit. All das wird dabei bei weitem nicht allein von den Städten, Wirtschaftsförderungen oder kommunalen Verantwortlichen getragen, sondern von vielen weiteren Beteiligten getrieben, die mit ihren Fähigkeiten, Ressourcen und Kompetenzen der lokalen Quelle zusätzliche Vitalität verleihen.
Und so ist es wie bei der eingangs beschriebenen und etwas romantisierten Dorfgründung auch nicht allein die Wasserversorgung, die die Menschen anzieht. Vielmehr ist es die Kombination mit einer Erwartung zur sozialen Teilhabe und Gemeinschaft, der dort entstehenden Möglichkeit zum Handel, der gebotenen Sicherheit und somit einer vielversprechenden Perspektive.
Von der Quelle zum Bienenstock: Innovationsökosysteme als betriebliches Wertschöpfungsmodell der Zukunft
Innovationsökosysteme werden für Unternehmen immer wichtiger. Auch die Fähigkeit, Ökosysteme zu koordinieren und das eigene Handeln in Ökosystemen zu organisieren, wird mehr und mehr zu einer Schlüsselkompetenz in Unternehmen, denn es bietet eine Antwort auf eine große Herausforderung in der Zukunft: Mangel.
Gerade die demografische Entwicklung wird durch Mangel an qualifiziertem Personal dazu führen, dass sich Unternehmens- und Organisationsstrukturen, aber auch Geschäftsmodelle wandeln werden.
Für Start-ups ist Mangel ein vertrauter Zustand. Sie sind es gewohnt, dass es an allen Ecken und Enden fehlt. Sie bewegen und verorten sich daher viel natürlicher in Innovationsökosystemen, ähnlich wie Bienen, die um Bienenstöcke schwirren. Doch auch etablierte Unternehmen werden sich zukünftig noch viel arbeitsteiliger aufstellen müssen, um wesentliche Funktionen abzubilden und wichtige Kompetenzen flexibel anbieten zu können. Dazu müssen sie Partnerschaften und Kooperationen eingehen, die über klassische Lieferanten- und Kundenbeziehungen hinausgehen. Anders gesagt: Auch größere Unternehmen werden in der Zukunft umtriebige Bienen sein oder sie werden sich ihre eigenen Bienenstöcke aufbauen müssen.
Vom Bienenstock zur Sonne: Die Bedeutung von Innovationsökosystemen in der regionalen Entwicklung
Der Begriff »Ökosystem« ist aus der Biologie geliehen. In jedem natürlichen Ökosystem gibt es einen zentralen Fixpunkt und Taktgeber, nach dem sich Pflanzen und Tiere ausrichten: Die Sonne. Gerade auch für städtische Innovations- und Gründerökosysteme stellt sich die Frage nach dieser Sonne, die thematisch Orientierung bietet, die lokale Identität prägt, Energie und Motivation spendet, aber insbesondere eine große Strahlkraft nach innen und außen besitzt. All das, was im Kern Neues entstehen und wachsen lässt.
Diesen strahlenden Kern zu verstehen ist also wichtig, wenn man ein Innovationsökosystem koordiniert, aber auch, wenn man sich als Start-up oder Unternehmen in eines einbringen möchte. Attraktive Unternehmen und prosperierende lokale Innovations- und Gründungslandschaften eint, dass sie großes Selbstbewusstsein nach außen tragen und ein lokales Zugehörigkeitsgefühl vermitteln. Sie setzen sich über Trends zu Remote-Arbeit hinweg, weil sie zeigen, dass es nicht egal ist, wo und mit wem man arbeitet. Dazu müssen sie sich ihrer Stärken bewusst sein (z. B. Netzwerke, Infrastruktur, (Human-)Kapital), damit sie die richtigen Argumente haben, aber auch, damit sie die richtigen Mechanismen kennen und für sich einsetzen können. Sie müssen also wissen, wo die eigene Sonne ist, welche Bienen es braucht und was aus der Quelle entspringen und gefördert werden soll.
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