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Wie Sie mit der Szenario-Technik aus der Corona-Krise lernen können – eine Praxisanleitung

First-Science-KIT: Blogreihe zum Corona Krisenmanagement
Die Coronakrise fordert von uns allen ganz neue Herangehensweisen und Lösungen im beruflichen Miteinander. Das Fraunhofer IAO hat deshalb eine Blogreihe gestartet, mit der wir schnell anwendbare Praxistipps weitergeben, gut funktionierende Beispiele vorstellen und Lösungswege während und aus der Krise aufzeigen wollen.

Szenarien sind mögliche Zukünfte, die uns dabei helfen, die Gegenwart besser zu gestalten. Sie denken Bekanntes weiter, lassen dabei aber auch den Einfluss von noch unbekannten Entwicklungen zu und machen somit sogar das Unvorhergesehene zu einer Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen können.

Szenarien sind nicht nur bei der unmittelbaren und langfristigen Überwindung der der COVID19-Pandemie wichtig, sondern auch, um rechtzeitig die unternehmerischen, politischen und gesellschaftlichen Weichen für eine Post-Corona-Zeit zu stellen. Denn schon jetzt zeigt sich: Die Pandemie schlägt in alle Kerben gleichermaßen. Schonungslos werden Schwachstellen in Geschäftsmodellen, Vertriebsstrategien und Lieferketten sichtbar. Genauso werden Abhängigkeiten in öffentlichen Haushaltsplänen offengelegt und Unternehmen wie auch Verwaltungen müssen derzeit außerhalb von Image-Videos unter Realbedingungen zeigen, wie flexibel und digital ihre Arbeitsprozesse tatsächlich sind.

Um also auf künftige Unabwägbarkeiten besser (oder genauso gut) vorbereitet zu sein, lohnt es sich, in die Zukunft zu blicken und kommende Entwicklungen schon heute greifbar zu machen. Die folgende Blaupause soll Entscheidern und strategischen Planern im Unternehmen erste eigene Schritte mit Szenario-Technik ermöglichen:

1. Set the scene: Wer und was?

Szenarien werden gemeinschaftlich in Teams erarbeitet. Ein Szenario-Planungsteam sollte möglichst heterogen zusammengesetzt sein, denn der Prozess lebt von der Verknüpfung unterschiedlicher Perspektiven und Kompetenzen.

Insbesondere die folgenden beiden Punkte sollten Sie zu Beginn klären:

2. Explore the territory: Was kann wichtig sein?

Zu Beginn können Sie bewusst unstrukturiert Daten, Trends und Informationen sammeln mit dem Ziel, ihren Betrachtungsgegenstand mit seinem Umfeld zu verknüpfen und ein Systemverständnis zu erlangen. So können Sie Zusammenhänge erkennen und wesentliche Einflussfaktoren benennen. Nutzen Sie hierfür grafische Methoden (Mindmaps, Post-its), die Ihnen einen schnellen Überblick geben und Ihnen ermöglichen, intuitiv Cluster zu bilden.

Versuchen Sie herauszuarbeiten, wie die Einflussfaktoren in den einzelnen Clustern zusammenhängen und was die wesentlichen Treiber für die Cluster-Ausprägungen sind. Benennen Sie die Cluster.

3. Look back to look forward: Was lässt sich aus der Vergangenheit lernen?

»Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie wiederholt ihre Lehren«, soll Richard von Weizsäcker einmal gesagt haben. Konkret bedeutet das: Blickt man genauso weit zurück wie der Betrachtungshorizont in der Zukunft liegt, lässt sich einiges lernen. Nicht, weil alles in der Zukunft genauso weitergeht, aber weil sich Muster erkennen lassen, die auch für die Zukunft eine Rolle spielen können.

Fragen, die in diesem Schritt hilfreich sein können:

4. Dive down: Was steckt dahinter?

Relevante Ereignisse, Einflüsse und Muster, die sie in den vorangegangenen Schritten identifiziert haben, geben Ihnen nun Anhaltspunkte über den zugrundeliegenden Aufbau und die wesentlichen Treiber (»driving forces«) eines jeden Clusters. Welche Strukturen und kausalen Zusammenhänge lassen sich aus den gesammelten Informationen ableiten?

Ein Beispiel: Eine große Veränderung in Ihrer Organisation durch eine Epidemie ist ein Ereignis. Stellen Sie sich mehrmals die Frage, warum es zu dieser Veränderung kam, dann kommen Sie auf die Ebene der Struktur.

5. Tell the story: Wie sehen die Szenarien aus?

Welche »driving forces« entfalten entlang aller Cluster die größte Wirkung und sind zeitgleich am unsichersten? Nähern Sie sich dieser Frage durch eine Bewertung in der Gruppe an.


Abbildung 1: Szenario Matrix oder Szenario Logik (eigene Darstellung)

 

Die beiden wichtigsten Treiber in diesem Zusammenhang bilden als »Critical Uncertainties« die Achsen für die Szenario-Matrix. Auf dieser Basis lassen sich nun die Storylines bilden. Fragen Sie sich gemeinsam: Wie sieht eine Welt aus, die von den jeweiligen Ausprägungen der »Critical Uncertainties« bestimmt wird und beschreiben Sie, wie sich die Welt von heute zum jeweiligen Szenario entwickelt hat.


Abbildung 2: Impact/Predictability chart (eigene Darstellung)

 

Und wenn in der Zukunft dann doch alles ganz anders kommt?

Für diesen Fall merken sie sich: Das systemische Verständnis, das sie im Laufe des Prozesses über ihr strategisches Umfeld erworben haben, ist wertvoller als die Prognose bestimmter Entwicklungen. Wenn also statt den von Ihnen entworfenen Szenarien »Sonnenschein« und »Regen« nur dunkle Wolken zu sehen sind, wissen sie vielleicht trotzdem, ob sie heute einen Regenschirm mitnehmen.

Leselinks:

Patrick Ruess

Leitet das Team »District Innovation Ecosystems« und die Fraunhofer IAO-Außenstelle in München. Forscht daran, wie sich Neues in Städten etabliert und Innovationen übertragen werden können.

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