Das im August 2017 in Kraft getretene Onlinezugangsgesetz hat in den letzten Jahren mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Die Drängendste davon lautet: Wo und wie sollen Kommunen bei insgesamt 575 digital anzubietenden Verwaltungsleistungen überhaupt anfangen? Das klingt erst mal nach einem Anfang ohne Ende, doch bezüglich der Schreckenszahl 575 gibt es für die Kommunen eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass es sich bei den 575 Verwaltungsleistungen nur um ausgewählte, sogenannte »prioritäre« Leistungen handelt. Denn insgesamt gibt es gut zehn Mal so viele – nämlich knapp 6 000 sogenannter Leika-Leistungen (Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung). Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Kommunen natürlich nicht alle 575 Leistungen alleine digitalisieren müssen, sondern diese zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt wurden. In diesem Beitrag habe ich 4 Tipps zusammengetragen und zusammengefasst, was am Ende für Kommunen an »gesetzlich vorgeschriebener« Digitalisierungsarbeit übrigbleibt.
Wie erkenne ich Leistungen aus dem OZG-Katalog, die offiziell von Kommunen digitalisiert werden müssen?
Erst einmal finden Sie den offiziellen OZG-Umsetzungskatalog mit allen 575 Verwaltungsleistungen auf den Seiten des IT-Planungsrats. Die Leistungen werden in sogenannte 5 LeiKa-Typen unterteilt, die die Zuständigkeiten festlegen. Demnach gehören LeiKa-Typ 4b und 5 zu den Aufgaben der Kommunen.
Abbildung 1: Verschiedene Ebenen und Zuständigkeiten. Quelle: OZG-Umsetzungskatalog der ]init[ AG im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (2018, 1. Auflage)
Wie die folgende Grafik zeigt, handelt es sich dann schlussendlich um 23 (LeiKa 5) Leistungen, die von den Kommunen selbstständig geregelt und vollzogen werden müssen.
Abbildung 2: Verteilung der Leika-Leistungen Quelle: OZG-Umsetzungskatalog der ]init[ AG im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (2018, 1. Auflage)
Nachfolgend finden Sie zwei beispielhafte Leistungen aus dem OZG-Umsetzungskatalog mit dem LeiKa-Typ 5, sprich mit Regelung und Vollzug bei der Kommune. Die Nutzung von Sporthallen und Sportplätzen zählt sogar zu den Top 100 und damit zu den wichtigsten VerwaltungslLeistungen, da diese am häufigsten von Bürgern und Unternehmen genutzt werden. Die Zahl 115 hinter »abgeschleppte Fahrzeuge« steht im Übrigen für die Behördenrufnummer und bedeutet, dass diese Leistung zu den am häufigsten erfragten Leistungen bei der Behördenrufnummer zählt.
Abbildung 3: Auszug aus den Leika-Leistungen Quelle: OZG-Umsetzungskatalog der ]init[ AG im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (2018, 1. Auflage)
Sollte also unklar sein, wie weit das eigene Bundesland bei der Umsetzung der Leistungen ist, die im Vollzug bei Land oder Kommune liegen (LeiKa-Typ 4a und 4b), so könnten Kommunen in jedem Fall mit den 23 Leistungen beginnen, die in ihrer alleinigen Verantwortung liegen.
Wie kann ich jetzt als Kommune vorgehen, wenn ich eine Verwaltungsleistung identifiziert habe, die ich gerne digitalisieren würde?
- 1. Nutzen Sie den Austausch mit anderen Kommunen und holen Sie sich Tipps und Erfahrungswerte! Telefonieren Sie sich durch und erkundigen Sie sich, ob bereits eine andere Kommune eine oder genau diese Verwaltungsleistung digitalisiert hat. Vielleicht gibt es bereits einen Prototyp der Verwaltungsleistung und Sie können diesen als Grundlage für Ihre eigene IT-Landschaft nutzen.
- 2. Arbeiten Sie mit anderen Stakeholdern in Ihrer Kommune zusammen und vernetzen Sie sich mit dem vorhandenen Ökosystem! Gibt es in Ihrer Umgebung vielleicht einen IT-Dienstleister oder ein Rechenzentrum, welches Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen könnte? Oder eine Universität bzw. Hochschule mit Studiengängen, die sich mit der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung beschäftigen? Studenten sind immer auf der Suche nach Praxiserfahrung: Kostengünstige Hilfe für die Kommune von Studenten, die dafür im Austausch echte Praxiserfahrung sammeln können!
- 3. Beziehen Sie Ihre Bürgerinnen und Bürger mit ein! Vergessen Sie niemals den Endnutzer der Verwaltungsleistung: Ihre Bürgerinnen und Bürger! Sie können zum Beispiel Gespräche mit den potenziellen Nutzern durchführen – beispielsweise direkt vor Ort auf dem Bürgerbüro, wenn gerade jemand diese Leistung beantragt. Oder Sie organisieren einen Workshop in dem Sie gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern den Prozess der Leistung durchdenken und neu entwickeln. Ein schönes Beispiel liefert die Universität Konstanz, die für die Stadt Ulm Interviews mit Experten und Nutzern zum Prozess der einfachen Meldebescheinigung geführt hat. Dabei wurde der Wunsch nach einer Online-Beantragung deutlich, woraufhin ein Prototyp für einen digitalen Prozess entwickelt wurde (siehe Leselinks).
- 4. Nehmen Sie den Prozess der Verwaltungsleistung in ihrer Kommune auseinander und erstellen Sie eine User-Journey oder ein Flow-Diagramm! Diese nutzerfokussierte Betrachtung des Prozesses hilft Ihnen wichtige Schnittstellen zu identifizieren und den Prozess vielleicht sogar ganz neu zu denken. Digitalisierung sollte nicht um ihrer selbst willen passieren – nutzen Sie die Chance und entwickeln Sie einen besseren, und vor allem medienbruchfreien Prozess!
Kommunen aus Baden-Württemberg aufgepasst:
Die E-Government-Vereinbarung zwischen Land und Kommunen regelt die Zusammenarbeit. Aktuell werden schon einige Leistungen gemeinsam von Land, Kommunalen Landesverbänden und dem kommunalen IT-Dienstleister Komm.ONE umgesetzt. Eine Liste dieser Leistungen finden Sie unten in den Leselinks. Sobald Leistungen digitalisiert sind, werden sie auf dem Portal »service-bw« eingestellt und können von anderen Kommunen übernommen werden. Somit muss keine Kommune eine neue eigene Plattform für die eigenen Prozesse entwickeln.
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