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Ambient Assisted Living: Zukunftsmarkt oder Rohrkrepierer?

Ambient Assisted Living (kurz AAL) sind im Alltag unterstützende Assistenzsysteme. Eigentlich sind die Aussichten dafür in Deutschland günstig: Die Bevölkerung hat eine immer höhere Lebenserwartung. Mit zunehmendem Alter sind unwillkürlich auch zunehmende körperliche und – auch wenn man nicht gerne darüber spricht – geistige Beeinträchtigungen verbunden. Mikrosystem- und Kommunikationstechnik kann uns trotz altersbedingter Beeinträchtigungen zu einem möglichst lange selbstbestimmtem und unabhängigen Leben im gewohnten Umfeld verhelfen. Wann und ob und welche AAL-Technologien sich durchsetzen werden, loten Forschung und Industrie derzeit in zahlreichen Projekten und Versuchen aus (siehe www.aal-deutschland.de).

Ambient Assisted Freedom: Warum sich AAL-Technologien lohnen
Allzu oft wird nur auf die steigenden Kosten verwiesen, die mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung in Pflege und durch Unterstützungsmaßnahmen entstehen. Unbestritten liegt im Einsatz von alltagsunterstützenden Assistenzsystemen ein immenses Sparpotenzial, aber die Wirtschaftlichkeit alleine wird den AAL-Technologien nicht zum Durchbruch verhelfen. Als Mittel zur Rationalisierung von Pflege und Unterstützungsleistungen bleibt AAL-Technologie für Endanwender unattraktiv und wird sich nicht durchsetzen.

Senior Science Fiction: Wo AAL-Technologien längst Wirklichkeit sind
Jenseits der Zielgruppe der älteren Menschen findet sich bereits eine Community, die heute AAL-Technologien – eher spielerisch – einsetzt: Tüftler und Bastler, Computerbegeisterte und App-Anhänger rüsten ihre Wohnungen und Häuser heute schon mit AAL-Technologien aus. Eine zentrale Steuerungseinheit erlaubt den Zugriff auf Video- und Musikbibliotheken, den Wetterbericht oder erstellt eine Einkaufsliste (siehe http://tinyurl.com/aal-haussteuerung). Die Science-Fiction-Fernsehserie »Star Trek« liefert für diese Technologiebegeisterten die Vision einer technologiegestützten Lebensqualität. Für Forscher bietet diese Szene viele anschauliche Beispiele, wie AAL als Lifestyle-Technologie auch für Endverbraucher interessant gemacht werden kann.

Innovieren wie die Automobilindustrie
Wie Märkte für innovative Technologien entwickelt und erschlossen werden können, machen andere vor: Die innovativsten Assistenzsysteme sind zuerst in Fahrzeugen für ein sehr kleines Kundensegment zu finden, beispielsweise in einzelnen Baureihen der Oberklasse. Die Innovationen, die sich hier bewährt haben, werden sukzessive auch in günstigeren Fahrzeugen angeboten. Mit der steigenden Stückzahl entstehen Skaleneffekte und die Preise für Endverbraucher sinken. Der heute in beinahe jedem Auto serienmäßig eingebaute Fahrerairbag war in den 1980er Jahren von Mercedes Benz zunächst exklusiv in der S-Klasse angeboten worden (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Airbag). Die Oberklasse wird auch bewusst als Innovationsträger für folgende Generationen an Automobilen beworben und das ganz ohne erhobenen Zeigefinger: »Die Assistenzsysteme in der S-Klasse tragen zu mehr Gelassenheit im Straßenverkehr bei. Beinahe hundert Sensoren und zahlreiche elektronische Systeme erhöhen den Fahrkomfort und entlasten den Fahrer« (vgl. http://tinyurl.com/aal-s-klasse). Auch in der Gesundheitsbranche könnten bahnbrechende Neuerungen über geeignete Pilotgruppen etabliert werden, die neue Technologien »lebenstauglich« für Senioren machen.

Diese beiden Beispiele sind für uns Indizien dafür, dass einer der Schlüssel für den Erfolg von AAL im Marketing liegt. Die potenziellen Käufer interessieren sich eher für Themen wie Sicherheit, Convenience und Status als für Krankheitskosten oder Kosteneinsparungen im Gesundheits- und Pflegesystem .In der Kommunikation über AAL-Technologien und -Projekte sollten deshalb jenseits der medizinischen und demografischen Argumente mehr die Bedürfnisstrukturen potenzieller Kunden Beachtung finden. Denn nur mit einer Vielzahl an Käufern kann ein Zukunftsmarkt für AAL-Technologien entstehen.

Live long and prosper!

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