Letzte Woche hatte ich Gelegenheit, auf einer Veranstaltung des bhz, einer großen Stuttgarter Behindertenwerkstatt, einen kurzen Impuls zu unserer Sicht auf die Potenziale der »Arbeit 4.0« für die Beschäftigungsformen und Beschäftigungschancen von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen zu geben. Überwiegen die Chancen? Oder werden angesichts des immer intensiver werdenden Roboter- und Softwareeinsatzes die Nischen für die wirtschaftlich darstellbare Beschäftigung behinderter Menschen kleiner werden? Praktiker, Wissenschaftler, Sozialpartner haben sich dieser Fragestellung gestellt und ein gemischtes, überwiegend optimistisches Bild gezeichnet.
Unterstützung, Anleitung, Einsparung von Anfahrtswegen zur Arbeit: Vieles ist möglich
Es liegt auf der Hand, dass Roboter und Co, Spracheingabesysteme oder intelligente Formen der direkten Auswertung von Bedienungsabläufen und daran anknüpfenden Fehleranalysen gerade für Menschen mit Einschränkungen Potenziale bieten. Auf der Veranstaltung wurden eine Reihe von Ansätzen gezeigt, z.B. durch Aufprojektion von Arbeitsschritten auf den Montagetisch Schritt-für-Schritt-Handlungsanweisungen zu geben und dabei individuell auf Geschwindigkeiten und mögliche Fehlbedienungen des Mitarbeiters reagieren zu können (auch zu sehen in unserem »Future Work Lab« in der ARENA 2036). So werden direkte Lernschleifen möglich, genauso wie qualitätskontrollierende Arbeitsschritte. Die Möglichkeiten von Spracheingaben erleichtern die Interaktion mit der Technik. User Interfaces aus der Spielebranche (Joysticks) erlauben Tetraplegikern, selber Auto zu fahren und zur Arbeit zu kommen – die Firma Paraven entwickelt hierfür beeindruckende Ausstattungsvarianten. Nicht zuletzt erlaubt die Arbeitswelt 4.0 auch, Arbeit zu Menschen zu bringen, die nicht mehr selbst Auto fahren dürfen, aber am ergonomisch eingerichteten Telearbeitsplatz in der digitalisierten Arbeitswelt recherchieren, Informationen aufbereiten und so ihr Fachwissen weiterhin fruchtbar einbringen können. Hier konnten wir unseren IAO-eigenen »Inklusionsfall« Achim Gölz vorstellen, der seit fast zehn Jahren in praktisch ausschließlicher Teleheimarbeit nach einer schweren Erkrankung in Teilzeit bei uns mitarbeitet – und der auch als Teilnehmer dabei war.
Die Möglichkeiten sind faszinierend – aber natürlich ist immer auch die Frage einer betriebswirtschaftlich verantwortbaren Gestaltung präsent, und die Frage der Automatisierungs»potenziale« dieser Tätigkeiten stand wiederholt im Raum. Seitens der Teilnehmer aus der Werkstatt selbst wurde deutlich, dass diese eine grundsätzlich unverkrampfte Haltung zur Technologie als solcher haben.
Die Kernfrage sollte lauten: »Was kann er/sie noch – und wie kann Technologie den Menschen unterstützen, sinnvolle Arbeit zu leisten?«
Letztlich wird es auf eine grundlegende Abwägung ankommen, die bei jeder Form der verantwortlichen Planung des Einsatzes digitaler Technologien gestellt werden muss: Mit welchem Grundansatz und mit welchem Verständnis wird Technologie eingesetzt und in Arbeitsprozesse implementiert? Lautet die Kernfrage: Was kann er/sie (noch), und wie kann die Technologie den Menschen unterstützen? Oder wird diese Frage nach rein betriebswirtschaftlich dominierten Abwägungen entschieden? Die hinter diesem Spannungsfeld liegende Grundsatzfrage hat für die Gestaltung der gesamten Arbeitswelt hochgradige Relevanz. Die gezeigten Ansätze der dort vertretenen Werkstätten haben mich sehr beeindruckt und mit einem Teil der Arbeitswelt vertrauter gemacht, mit denen ich ansonsten weniger Berührungspunkte habe.
Leselinks: