Waren Sie schon einmal auf Eiderstedt, im Werra-Meißner Kreis, im Ilzer Land? Diese Regionen widerlegen alle Vorurteile über die ländlichen Räume in Deutschland – und ihr Beispiel für die kreative Entwicklung zukunftsfähiger Regionalkonzepte könnte Schule machen.
Das romantisch verklärte Bild der verschlafenen, nostalgischen Provinz, mit dem Menschen aus der Stadt aufs Land fahren, es passt nicht für die Menschen in Eiderstedt, im Ilzer Land oder im Werra-Meißner Kreis. Hier sind die Menschen kreativ, zukunftsorientiert und motiviert. Sie engagieren sich für ihre Region, sind dabei gut vernetzt und gucken über den Tellerrand hinaus.
Rural Innovation: Zukunft ist machbar im ländlichen Raum
Diese Menschen, ihre Netzwerke, die Identität der Region und all die natürlichen und technologischen Grundlagen sind die eigentlichen Schätze ländlicher Räume, die meist übersehen werden. Sie bilden die Grundlage, auf der sich eine Region für die Zukunft aufstellen und ein Innovationsraum werden kann. Diese Schätze gemeinsam mit drei Modellregionen zu bergen, machte sich das CeRRI des Fraunhofer IAO zusammen mit dem Fraunhofer INT im Projekt »Horizonte erweitern« zum Ziel.
Wir luden im vergangenen Jahr 69 Teilnehmende in drei Workshops in Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein ein, um über Potenziale, Herausforderungen, Chancen und Bedarfe ihrer Region zu diskutieren. Dafür entwickelten wir ein neuartiges Workshop-Konzept, das designbasierte Methoden der Gesellschaftsvorausschau mit Methoden der Technologievorausschau verbindet: Die Teilnehmenden durchliefen einen Zukunftsparcours mit 12 Stationen und bestritten in einem strategischen Zukunftsspiel gemeinsam Missionen zur Gestaltung ihrer Region. Dabei entstanden unter anderem neue Lösungsansätze für Mobilität, Arbeit, Wertschöpfung und Wohnen in ländlichen Räumen.
Am Ende der jeweils zwei Tage hatten wir drei Dinge erreicht: erstens, Bedarfe und Potenziale der Region ermittelt. Zweitens, die Menschen vor Ort zusammengebracht und sie dazu gebracht, selber die Potenziale ihrer Region zu sehen; und drittens, erste Ideen erarbeitet, wie und wohin sich die Regionen entwickeln könnten.
Das Land ist das neue »Smart«
Natürlich unterschieden sich die Regionen in vielerlei Hinsicht, doch in allen drei Regionen bestand ein hoher Bedarf an neuen Kooperationsmöglichkeiten, an flexiblen Angeboten und Strukturen und an regionaler Wertschöpfung. Um diesen Bedarf zu decken, helfen technologische Lösungen: Von Plattformen für Angebote und Dienstleistungen, über die Erstellung regionaler Lieferketten bis hin zu modularen Fertigungsbauweisen, um den Leerstand zu nutzen. Es braucht dafür aber vor allem auch soziale Innovationen und lokale Netzwerke. Mit den Workshops vor Ort hatten wir in den Regionen ein Momentum für Veränderung geschaffen: Menschen, die sich vielleicht aus der freiwilligen Feuerwehr kannten, erarbeiteten nun miteinander spannende Ideen für die Zukunft ihrer Region, erfuhren von vielfältigen Projekten, und bemerkten auf einmal Gemeinsamkeiten und Schnittstellen, die sie vorher noch nicht so gesehen hatten.
Neue Ideen für ein digital unterstütztes, attraktives Gemeinwesen entstanden: Smarte Strandkörbe, regionale Bürgerapps zur Vernetzung der Angebote in der Region, ein regionaler Personalpool für Pflege und Ehrenamt, Umnutzung von Kirchen in Bildungseinrichtungen. Die Ideengeber waren lokale ImpulsgeberInnen, EntscheidungsträgerInnen, UnterstützerInnen und UmsetzerInnen. Diese lokalen Allianzen sind der Nährboden für ländliche Innovation und für die Zukunft dieser Regionen. Forschung und Technologie kann dabei unterstützen, diese Schätze zu suchen und zu heben, Innovationsmomente zu schaffen und somit Regionen zu entwickeln.
»Horizonte erweitern DIE BOX.«: Kompass zur Entwicklung ländlicher Räume
Wie lassen sich nun diese lokalen Allianzen schmieden? Wie die lokalen Schätze heben? Dazu hat das CeRRI des Fraunhofer IAO zusammen mit dem Fraunhofer INT die »Horizonte erweitern DIE BOX.« entwickelt. Sechs Handlungsfelder zeigen auf, wie sich ländliche Räume entwickeln können, geben Inspirationen zur Hand, decken Prinzipien auf und befähigen so zu strategischen Entscheidungen. 12 technologische Lösungen in der BOX. geben Unterstützung, diese Ziele zu erreichen. Für strategische Prozesse wie z.B. der Erarbeitung von Regionalplänen können diese Handlungsfelder in moderierten Workshops mit den relevanten lokalen Akteuren angepasst, konkrete Ideen entwickelt und Netzwerke ausgebaut werden.
Leselinks: