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Cop Culture entschlüsselt: Wie Arbeitskultur problematische Einstellungen in der Polizei begünstigt

Polizeigewalt, rassistische Chatgruppen, Racial Profiling – kaum eine Berufsgruppe steht aktuell so sehr unter gesellschaftlicher Beobachtung wie die Polizei. Doch während oft nur die extremen Fälle Schlagzeilen machen, lohnt es sich, hinter diese Einzelfälle zu schauen. Welche Rolle spielt die »Cop Culture« dabei, menschenfeindliche Einstellungen zu begünstigen oder einzudämmen?

Im Rahmen unseres Projekts »Werte im Bundeskriminalamt (BKA)« und einer umfangreichen Tagung im Dezember 2024 haben wir gemeinsam mit Forschenden unterschiedlicher Institutionen genau diese Fragen untersucht.

Cop Culture – mehr als ein Buzzword

Cop Culture beschreibt jene informellen Werte, Rituale und Denkweisen, die Polizistinnen und Polizisten in ihrem Berufsalltag teilen. Sie stiftet Identität und Gemeinschaft, schafft Vertrauen und Solidarität – allesamt wichtige und demokratiestärkende Aspekte. Doch genau diese Mechanismen bergen zugleich Risiken, etwa die Bildung von Feindbildern oder einen ausgeprägten Konformitätsdruck, der kritisches Denken erschwert.

Was sagt die aktuelle Forschung?

Die Befunde aus unserer Tagung »Verbreitung, Bedingungen und Effekte menschenfeindlicher Einstellungen in der Polizei« liefern ein differenziertes und stellenweise auch ernüchterndes Bild des Status quo:

Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung menschenfeindlicher Ansichten liegt in der beruflichen Sozialisation. Gerade Berufsanfängerinnen und -anfänger erleben oft einen sogenannten Praxisschock – eine Diskrepanz zwischen den eigenen Idealen und dem realen Alltag, geprägt von Zeitdruck, Stress und emotionalen Belastungen. Das führt teilweise dazu, dass sich Menschen einigeln und gruppenbezogene Vorurteile übernehmen oder verstärken.

Institutionelle Diskriminierung

Zudem zeigen Forschungen aus unserem Netzwerk deutlich, dass menschenfeindliches Verhalten nicht zwingend aus persönlichen Einstellungen resultiert. Vielmehr können institutionalisierte Routinen und Strukturen, wie etwa automatisierte Risikobewertungen auf Basis von Datenbanken, unbeabsichtigt diskriminierende Wirkungen entfalten – oft unbewusst und schwer zu kontrollieren.

Was tun? – Perspektiven für die Praxis

Wie also umgehen mit diesen Erkenntnissen? Ein erster Schritt ist Bewusstseinsbildung: Führungskräfte und Mitarbeitende müssen sensibilisiert werden für jene Grauzonen, in denen Vorurteile und institutionelle Routinen ineinandergreifen. Doch damit allein ist es nicht getan. Entscheidend sind vor allem strukturintegrierte Lösungen, die dort ansetzen, wo diskriminierende Effekte entstehen. Etwa durch interne Monitoring-Systeme, die Entscheidungen – zum Beispiel bei Personenkontrollen oder Datenbankabfragen – systematisch auf Diskriminierungsrisiken prüfen. Ergänzend braucht es praxisnahe Reflexionsformate, die Handlungsspielräume in herausfordernden Situationen aufzeigen. Auch Skalen zur individuellen Auseinandersetzung mit kognitiven Verzerrungen können hilfreich sein, um blinde Flecken zu erkennen und persönliche Entwicklungsprozesse nachvollziehbar zu machen. Schließlich lässt sich (wie bspw. in Niedersachen geschehen) durch eine unabhängige, wissenschaftlich begleitete Evaluation polizeilicher Routinen ein strukturierter Lernprozess anstoßen. Diese Ansätze setzen nicht erst beim Verhalten, sondern bereits auf der Ebene der institutionellen Strukturen und beruflichen Routinen an – dort, wo viele der diskriminierenden Effekte entstehen. und beruflichen Routinen an – dort, wo viele der diskriminierenden Effekte entstehen.

Mehr dazu im Podcast »Culture Analytics«

Wer tiefer eintauchen möchte, dem empfehlen wir unsere aktuelle Podcast-Folge »Cop Culture – Was macht Polizisten zu Polizisten?« mit Prof. Dr. Eva Groß, einer der führenden Polizeiforscherinnen Deutschlands. Gemeinsam mit ihr analysieren wir typische Werte und Rituale in der Polizei und zeigen, wie eine reflektierte und offene Arbeitskultur zum Garanten demokratischer Prinzipien werden kann – und warum der Unterschied zwischen »Polizistenkultur« und »Polizeikultur« entscheidend ist.

Culture Analytics ist der Podcast zur Wissenschaft der Organisationskultur – mit konkreten Beispielen, frischen Perspektiven und tiefen Einblicken in die Dynamik moderner Arbeitskulturen. Ob Verwaltung, Polizei, Forschung oder Tech: In jeder Folge sprechen wir mit Expertinnen und Experten darüber, wie Kultur wirkt – und wie man sie gezielt gestalten kann.

🎧 Jetzt reinhören: Unsere Culture Analytics-Podcast mit der Folge »Cop Culture – Wie viel Rassismus steckt in der Polizei«

Clemens Striebing

Clemens forscht am Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO über Organisationskulturen und Diversity in Forschungs- und Entwicklungsprozessen. Er ist überzeugt, dass es die Reibungen zwischen unterschiedlichen Sichtweisen sind, die zu sozialen Innovationen führen.

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