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E-MikroMobilität: mehr als nur automobil


© 2011 YikeBike

Elektromobilität kann man in zwei Richtungen denken: Erstens als die Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Heraus kommt dann die heute verfügbare Produktpalette wie Fiat 500E, Mitsubishi iMiEV oder Mini-E. Diese Modelle sind Ergebnisse eines Conversion Designs, also der Integration elektrischer Antriebskomponenten in bereits vorhandene Fahrzeugtypen. Auto bleibt Auto und alles bleibt im Grunde, wie es ist. Doch genau deshalb kommt Elektromobilität in der Öffentlichkeit bisher kaum an. Die aktuellen Fahrzeuge sind Ergebnisse eines mittlerweile 125-jährigen Entwicklungsprozesses rund um den Verbrennungsmotor. Da liegt es nahe, dass ein Elektromotor nicht einfach ein Implantat ist, das man so einfach mit einem konventionellen Motor austauschen kann und alles bleibt wie gewohnt. Die zweite Denkrichtung verändert nicht das Auto, sondern unsere Vorstellung von Mobilität. Eine nachhaltige Weiterentwicklung erfordert eine ganzheitliche Neuorganisation des gesamten Systems der Automobilität inklusive der zugrundeliegenden Wertschöpfungsprozesse. Dies ist eine weitreichende Herausforderung im Kraftfahrzeugsektor, die die gesamte Automobilindustrie (und auch andere Branchen) noch einige Jahre beschäftigen wird und die z.B. auch im Innovationsnetzwerk FutureCar am Fraunhofer IAO gemeinsam mit Partnern der Zulieferindustrie erforscht wird.

Nicht nur automobil, sondern autologisch
Doch Elektromobilität beim Automobil ist nur ein Aspekt der aktuellen Entwicklungen im Themenkomplex Elektromobilität. Parallel dazu erobert eine komplett neue Mobilitätsform abseits ausgetretener Pfade die urbanen Räume von morgen: elektrische Mikromobilität mit innovativen Fahrzeugkonzepten wie z.B. YikeBike in Neuseeland, Segway in den USA, Trekker in Israel, U3X von Honda in Japan und Bik.e von VW. Dies sind nur einige der Beispiele, mit denen die Industrie auf einen neu entstehenden Bedarf für die Mobilität in den Städten der Zukunft reagiert.

Wenn man die erste Skepsis bezüglich der teilweise ungewohnten Gestaltung der Fahrzeuge hinter sich gelassen und erste Praxiserfahrungen gesammelt hat, merkt man vor allem eins: Mikromobilität macht Sinn. Man schaltet ein, steigt auf und fährt los – ohne großen Lärm, ohne Abgase und ohne Anstrengung. Egal ob mit Pedelec, yikebike, bikeboard oder Segway: Wenn man die Potenziale dieser Fahrzeuge weiterdenkt, scheinen Sie eine lange klaffende Lücke zu schließen zwischen den existenten Mobilitätsangeboten wie Fußverkehr, Radverkehr und motorisiertem Individualverkehr (MIV).

Neue Potenziale für die elektromobile Stadt
Im Rahmen der Modellregionen Elektromobilität hat das Fraunhofer IAO in der Region Stuttgart verschiedene Kleinfahrzeuge im Bereich Mikromobilität eingesetzt, um sowohl neue Möglichkeiten im Bereich der Elektromobilität aufzuzeigen als auch weitere Impulse für eine nachhaltige multimodale Mobilitätskette zu geben – also Mikromobilität als neue Mobilitätsform zu identifizieren, sinnvolle Anwendungsszenarien für den urbanen Raum zu entwickeln und intelligent in bestehende Mobilitätsangebote zu integrieren. Das klassische Problem der »letzten Meile«, das bei Nutzung von ÖPNV heute noch oft unvermeidlich ist, kann damit in naher Zukunft der Vergangenheit angehören.

Die Herausforderung aus wissenschaftlicher Sicht scheint klar: Die beschriebenen Fahrzeugtypen nicht nur als Einzellösungen, sondern als Komponenten eines neuen, umfassenden Mobilitätssystems begreifen. So wie das Automobil die Stadtgestaltung in den letzten hundert Jahren in Form von Hauptverkehrsstraßen, Parkraumlösungen, Infrastrukturanlagen und Lärmschutzkarten dominiert hat, so könnte die Mikromobilität einen ganz neuen Weg hin zu einer emotionalen und nachhaltigen Mobilität in den Städten der Zukunft darstellen: Wir brauchen dafür entsprechende Infrastrukturen inklusive Sharing-Konzepten, Geschäftsmodellen, ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Raum für Innovationen.

Die Chance, die sich dafür bei dem richtigen Umgang mit der Thematik ergibt, kann man am besten an der dänischen Hauptstadt Kopenhagen ablesen. Diese hat sich das Ziel gesetzt, bis 2025 CO2-neutral zu werden. Dort fahren bereits heute sechzig Prozent der Stadtbewohner täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit – Autofahrer sind dort in der Unterzahl.

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Steffen Braun

Zukunftsstadtgestalter und Geschäftsfeldleiter/Institutsdirektor am Fraunhofer IAO. Er ist Mitbegründer der Morgenstadt-Initiative und forscht mit seinen Kollegen intensiv daran, wie die Stadt von morgen aussehen kann und wie sie unser Leben und Arbeiten verändern wird.

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