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Hybride Arbeit als Chance: Wie Sie Talente und neue Mitarbeitende binden

Connected Work Innovation Hub – Blogreihe zur Schaffung einer hybriden Arbeitswelt
Die Arbeitswelt verändert sich so schnell und tiefgreifend wie nie zuvor. Neue Märkte und Technologien stellen für viele Unternehmen bereits eine Herausforderung dar – Um Unternehmen die Transformation zu erleichtern, bieten unsere Expert*innen des Fraunhofer IAO ihre Hilfe an. Das Projekt »Connected Work Innovation Hub« bietet eine Plattform für die Entwicklung gemeinsamer Ideen und Handlungsmodelle, die innovativ und nachhaltig sind.

Für die meisten Unternehmen stellen die Pandemie und die von ihr ausgelösten, drastischen Veränderungen und Verwerfungen der Arbeitsorganisation und der persönlichen Arbeitssituation Einzelner eine disruptive Veränderung dar. Die große, transformative Neuorganisation ist allerdings nicht die erzwungene, hybride Arbeit zwischen Büro und Homeoffice, zwischen Beruflichem und Privatem, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben – die eigentliche Transformation steht noch bevor: Wie können Unternehmen die neue Hybridität systematisch und erfolgreich gestalten und neue Chancen für sich kreieren? Wir sprachen hierzu mit Prof. Dr. Inaki Lozano-Ehlers, CEO und Gründer der Business Innovation Consulting Group, und Dr. Stefan Rief, Institutsdirektor am Fraunhofer IAO und Leiter des Forschungsbereichs Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung. Inaki und Stefan haben sich gemeinsam mit rund 20 Partnerorganisationen im Rahmen des Connected Work Innovation Hub mit entsprechenden Fragestellungen auseinandergesetzt.

Inaki und Stefan: Euer Sprint im Rahmen des Connected Work Innovation Hub begann mit einer Art Anamnese unter den Partnerorganisationen: Was sind die großen Problemfelder, die eure Partner bewegen?

Stefan: Eine derart plötzliche, drastische Veränderung hat natürlich gravierende Auswirkungen in viele Bereiche der Unternehmen. Eine in aktuellen Berichten dargestellte Entwicklung war dabei von besonderem Interesse: eine sehr ausgeprägte Wechselbereitschaft gerade bei jungen Talenten und Mitarbeitenden, die erst während der Pandemie an Bord kamen. Diese Klientel gehörte immer schon zu den flexibleren und veränderungsbereiteren unter den Mitarbeitenden, aber die Pandemie hat diesen Trend noch einmal massiv verstärkt und neue Mitarbeitende härter getroffen als andere. Durch das anfangs erzwungene überwiegend virtuelle Arbeiten wurde der Arbeits- und Lebensstandort weiter entkoppelt – sehr viele Tätigkeiten können inzwischen weitgehend ortsunabhängig ausgeführt werden und schaffen für qualifizierte Mitarbeitende eine neue Dimension der Auswahl ihres Arbeitgebers. Das hat tiefgreifende Konsequenzen für Unternehmen: Hybrides Arbeiten ist eben keine rein logistische, technische oder organisatorische Herausforderung. Erfolg oder Misserfolg wird hauptsächlich auf der Ebene der Mitarbeitenden, der Unternehmenskultur entschieden. Hier brauchen Unternehmen nicht nur Antworten für die Gegenwart, sondern ein neues, langfristiges »kulturelles Paradigma« für die Mitarbeitendenbindung.

Inaki: Unsere Befragungen bei der Arbeitnehmerschaft lassen relativ klar erkennen, welche psychologischen Motive bei Mitarbeitenden in hybriden Arbeitssituationen und insbesondere junge Talenten den Wunsch nach einem Wechsel entstehen lassen: Weil gerade für jüngere, neue Mitarbeitende in hybriden Arbeitssituationen die Einführung und Orientierung durch persönliche Kontakte im Team pandemiebedingt drastisch reduziert wurde, fällt es ihnen schwer, Bindungen und Identifikation zu einem Unternehmen aufzubauen. Viele aktuelle Unternehmenskulturen und Formen der Arbeitsorganisation konnten zwar die organisatorischen und technischen Herausforderungen der erzwungenen Hybridität meistern, aber gerade in Sachen Mitarbeiterbindung besteht erheblicher Nachholbedarf, den viele klassische Unternehmenskulturen bisher kaum kompensieren konnten. Ziel unserer Arbeit war es deshalb auch, neue Wege und Methoden auszuloten, mit denen Unternehmen eine Handlungsanleitung für die Weiterentwicklung ihres kulturellen und organisatorischen Koordinatensystems an die Hand gegeben werden kann.

Wie sehen diese neuen Wege und Methoden aus, die ihr zusammen mit den Partnerunternehmen entwickelt habt?

Stefan: Unternehmen stehen vor dem Dilemma, neue Formen des Miteinanders, der Identifikation und Bindung zu entwickeln, aber in der Regel steht ihnen dafür nur das etablierte Repertoire an Instrumenten zur Verfügung. Für uns im Hub war es deshalb wichtig, möglichst schnell einsatzfähige Methoden zu entwickeln, auch wenn noch keine umfangreichen Statistiken und elaborierte Use Cases zur Verfügung stehen. Mit dem Connected Work Innovation Hub haben wir die methodische Antwort gefunden. Unternehmen arbeiten im Hub mit dem gemeinsamen Erfahrungsschatz an Lösungsmodellen, von denen alle profitieren. Statt langwieriger Elaborationen im eigenen unternehmerischen Silo bringt jeder Teilnehmende seine Expertise und seine Daten ein und sorgt so dafür, dass alle zusammen um ein Vielfaches schneller lernen, experimentieren und erfolgreiche Pfade für die eigene Veränderung entwickeln können. Diese Logik der »Sprints«, der schnellen, fokussierten und interaktiven Entwicklungssequenzen, hat es ermöglicht, innerhalb weniger Monate so genannte Blueprints entstehen zu lassen: Erfahrungs- und datengestützte Orientierungsrahmen und praktische Handlungsstränge für die eigene Veränderung.

Inaki: Eine wesentliche Erkenntnis aus dem Hub ist, dass unsere hybride Zukunft auch viele Chancen für Unternehmen bereithält, gerade weil sie sich durch besondere Angebote an aktuelle und zukünftige Arbeitnehmende attraktiv machen und von anderen unterscheiden können. Gute Mitarbeitende, die sich einem Unternehmen verbunden fühlen, sind unternehmerisches Kapital – aber eben eines, das man nicht besitzt, sondern das man verdienen und pflegen muss. Während der Zusammenarbeit im Hub ist beispielsweise das Konzept der Employer Value Proposition mehrmals gefallen: Ein Werte- und Sinnversprechen für Mitarbeitende, mit dem Unternehmen die soziale Bindekraft als Kultur und Gemeinschaft systematisch steigern können. Eine erneute Employer Value Proposition soll einen psychologischen Ankerpunkt für Mitarbeitende bilden und greift die psychologischen und sozialen Bedürfnisse auf, die Mitarbeitende in der Hybridität entwickelt haben. Gerade für jüngere Mitarbeitende ist diese Sinnstiftung entscheidend für die Identifikation mit dem Unternehmen. Dies ist allerdings kein theoretisches Konstrukt, sondern ein Versprechen, das gerade im menschlichen Miteinander des alltäglichen Arbeitens eingelöst werden muss.

Wie sieht dieses konkrete Versprechen an Mitarbeitende und gesuchte Kandidat*innen aus?

Inaki: Mitarbeitende wollen aus ihrer Tätigkeit viel mehr als früher einen »Sinn« für sich ziehen. Dieser Sinn hat dabei mehrere Dimensionen: Gerade für jüngere Generationen wird beispielsweise der »purpose« immer wichtiger: Das Unternehmen, für das ich mich einsetze, in dem ich einen Großteil meines Lebens verbringe, soll Ziele verfolgen, die ich als Mitarbeitender auch persönlich unterstützen kann, dessen Produkte und Leistungen für Gesellschaft und den Planeten Positives bewirken. Eine Voraussetzung dafür ist, dass ich als Mitarbeitender die Zusammenhänge meiner eigenen Tätigkeit verstehen kann und weiß, was ich dadurch bewirke.
Eine weitere Dimension wäre die persönliche – und hier hat uns die pandemiebedingte verteilte Zusammenarbeit auch viele Zukunftschancen aufgezeigt. Technisch und logistisch ist es ohne Weiteres möglich, hybride Arbeitsplätze und -situationen exakt auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden und aus der Flexibilisierung eine Art »persönliches Angebot« für Mitarbeitende zu machen. Wie Stefan aber schon dargestellt hat, müssen die kulturellen und sozialen Voraussetzungen geschaffen werden, die die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen auch über eine heterogene und komplexe Arbeitsorganisation hinweg aufrechterhalten werden können.

Und diese wären? Wie können Unternehmen im Wildwuchs der hybriden Arbeitsorganisation menschliche Faktoren wie Identifikation und Bindung entstehen lassen?

Inaki: Indem sie ihre besonderen Stärken dafür einsetzen und dort Sinn stiften, wo durch die Hybridität Defizite entstanden sind. Bei unserem Fall der neuen, talentierten Mitarbeitenden müssen beispielsweise die vielen kleinen Begegnungen, Erklärungen und Hilfestellungen im Team kompensiert werden, die virtuell nicht in gleicher Weise stattfinden. Führungskräfte sind hier nicht nur als fachliche Vorgesetzte gefordert, sondern auch als Persönlichkeiten, die Verständnis und Empathie für neue Mitarbeitende mitbringen und die bereits erwähnte »Employer Value Proposition» des Unternehmens auch in der Führungsposition leben.
Ein spannendes Konzept aus unseren Diskussionen im Hub war das der so genannten Buddy-Modelle, die einige Unternehmen erfolgreich eingeführt haben. Hier übernehmen etablierte Mitarbeitende die Rolle des Unterstützers, Navigators und Coaches für neue Mitarbeitende und schaffen so erlebbare menschlich-soziale Bindekraft. Auch technische Hilfsmittel können helfen, die Zerklüftung der hybriden Arbeitswelt zu überbrücken, beispielsweise indem Tools bereitgestellt werden, mit denen Mitarbeitende die gemeinsame Bürozeit unkompliziert synchronisieren und so den persönlichen Austausch und ein Wir-Gefühl trotz unterschiedlicher Arbeitssituationen unterstützen können. In den Blueprints sind zahlreiche Instrumente und Modelle enthalten, die Unternehmen heute schon zur Gestaltung einer hybrid-fähigen Unternehmenskultur einsetzen.

Stefan: Was die Arbeit im Hub für uns und die beteiligten Unternehmen jedoch wirklich wertvoll gemacht hat, sind nicht nur die praktischen Werkzeuge und wissenschaftlichen Ergebnisse. Die hybride Transformation und ihre Auswirkungen sind ein fortlaufender Prozess – und die kooperative Entwicklung im Hub hat uns eine methodische Grundlage gegeben, um diese Prozesse zu begleiten, zu reflektieren und kontinuierlich Lösungen zu testen und zu verbessern. Die Zusammenarbeit vieler in einem hochdynamischen Umfeld und die Prozesse der Lösungsentwicklung in einem »Ökosystem der Lernenden und Umsetzenden« ist vielleicht das wichtigste Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit.

Inaki und Stefan: Vielen Dank für eure Zeit und dieses inspirierende Gespräch!

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Blog-Redaktion

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