Die Coronakrise fordert von uns allen ganz neue Herangehensweisen und Lösungen im beruflichen Miteinander. Das Fraunhofer IAO hat deshalb eine Blogreihe gestartet, mit der wir schnell anwendbare Praxistipps weitergeben, gut funktionierende Beispiele vorstellen und Lösungswege während und aus der Krise aufzeigen wollen.
Der Schrecken der weltweiten Pandemie hält uns alle im Bann. Wirtschaft und Gesellschaft stellen sich auf massive Einbrüche und Verwerfungen ein. Doch die überraschende globale Krise hat nicht nur negative Aspekte für den Planeten. Wenn wir aus den jetzigen Erfahrungen lernen und klug genug handeln, wird dies weitreichende positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Arbeitswelt und auf die nachhaltige (betriebliche) Mobilität von morgen haben.
Viele Unternehmen haben bereits vor der Corona-Krise Konzepte für eine nachhaltige Mobilität entwickelt. Nicht nur die Vorgaben des Gesetzgebers haben diesen Trend beeinflusst. Der Druck der Gesellschaft auf die Unternehmen, umweltbewusster zu handeln, nahm stetig zu. Die wenigsten Unternehmen haben jedoch eine betriebswirtschaftliche Bewertung ihrer betrieblichen Mobilität durchgeführt. Bislang fehlen also Geschäftskonzepte, die die Potenziale nachhaltiger Mobilität offenlegen und nutzen. Handlungsempfehlungen beispielsweise für eine Umstellung der eigenen Fahrzeugflotte auf Elektroantriebe konnten so nicht abgeleitet werden – deshalb ist nachhaltige Mobilität immer noch eher ein philosophisches Thema als ein harter wirtschaftlicher Faktor in der Unternehmensstrategie.
Homeoffice als Chance zur Bekämpfung der Klimakrise
Flexible Arbeitszeitmodelle sind ein mächtiges Instrument, um eine nachhaltige betriebliche Mobilität voranzutreiben. Insbesondere kann das Arbeiten im Homeoffice einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Jedoch gibt es in Deutschland diesbezüglich Nachholbedarf. Diese Problematik wurde von der Regierung bereits erkannt, sodass seit geraumer Zeit über den Rechtsanspruch auf Homeoffice diskutiert wird.
Im Zuge der Corona-Krise haben viele Unternehmen notgedrungen endlich das Homeoffice für sich »entdeckt« und setzen es nun als wirkliche Alternative ein. Auch die harten Gegner in den Management-Etagen mussten Anfang März kapitulieren und ihre Mitarbeitenden »weit von der Leine lassen«. So schwierig diese erzwungene Umstellung auch sein mag, es gibt inzwischen durchaus positive Rückmeldungen: Beschäftigte arbeiten im Homeoffice weiterhin engagiert und motiviert, was die allzu oft konservative Denkweise vieler Unternehmen widerlegt.
Aktuell ist ein Rückgang des Stickstoffdioxid-Gehalts in der Luft zu verzeichnen und Satellitenaufnahmen von China sowie Italien zeigen eine deutliche Verbesserung der Luftqualität. Inzwischen weisen auch die Kanäle von Venedig wieder klares Wasser auf. Flexible Arbeitsmodelle und eine nachhaltige Mobilität könnten auch nach der Krise dem Klimawandel entgegenwirken. Regierung und Unternehmen müssen dafür die passenden Maßnahmen identifizieren und konsequent umsetzen, um aus der erzwungenen Veränderung den Einstieg in die Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität zu entwickeln.
Akzeptanz in der Gesellschaft nach der Corona-Krise
Wir müssen und wir werden aus der Corona-Krise einiges lernen und unser Verhalten entsprechend anpassen – um zukünftige Krisen zu vermeiden, aber auch, um die Chancen zu nutzen, die sich auch aus der drastischen Veränderung lernen lassen. Vielleicht wird uns nun endlich bewusst, wie stark die Auswirkungen des Verkehrs auf die Umwelt tatsächlich sind und dass sich trotz Klimadebatte in den vergangenen Jahren keine Verbesserung eingestellt hat. Vielleicht werden wir nun endlich auch wissenschaftlichen Empfehlungen, in Bezug auf Umweltschäden durch Verkehr und deren Minimierung, folgen. Vielleicht wird sich unsere Einstellung gegenüber der Elektromobilität ebenfalls ändern, denn diese stellt eine Schlüsseltechnologie für den Wandel zu einer nachhaltigen Mobilität dar und hilft Stickoxidwerte zu senken.
Aktuell ist die Skepsis gegenüber Elektrofahrzeugen immer noch spürbar. Klar ist, dass zum einen die Infrastruktur im öffentlichen und halb-öffentlichen Raum weiter ausgebaut werden muss. Es werden jedoch bald viele Ladesäulen zur Verfügung stehen, denn die Regierung finanziert zahlreiche Projekte, die den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben. Die Fraunhofer-Gesellschaft errichtet beispielweise im Rahmen des Projekts LamA – Laden am Arbeitsplatz® ca. 500 Ladepunkte an 38 Fraunhofer-Instituten. Die Ladeinfrastruktur soll Mitarbeitenden, Dienstwagenflotten und Dritten zur Verfügung stehen.
Das Reifegradmodell der nachhaltigen betrieblichen Mobilität
Der Weg der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität beginnt mit einer Analyse der eigenen betrieblichen Mobilität und der Erarbeitung eines holistischen Mobilitätsmanagements. Jedoch stellt die Erarbeitung eines derartigen Konzepts eine Herausforderung dar, denn häufig werden wichtige und erfolgskritische Handlungsmaßnahmen nicht berücksichtigt, wie z. B. die Digitalisierung, das Monitoring des Mobilitätsverhaltens, die Akzeptanz der Mitarbeitenden sowie die strategische Institutionalisierung der nachhaltigen Mobilität.
Das im Rahmen des Projekts Eco Fleet Services entwickelte Reifegradmodell der nachhaltigen betrieblichen Mobilität (Fokus auf Personenverkehr) kann als Instrument eingesetzt werden, um interne und externe Faktoren zu ermitteln und zu messen. Anhand des Modells können das Mobilitätsverhalten der Mitarbeitenden, die technischen Möglichkeiten sowie die Prozesse in Unternehmen und Kommunen bewertet werden. Basierend auf den Ergebnissen lassen sich Potenziale aufzeigen und Handlungsempfehlungen ableiten.
Es kann also jeder einen Beitrag zum Wandel einer nachhaltigen Mobilität leisten. Die Corona-Krise zeigt uns heute mehr denn je, wie wir als Gemeinschaft etwas erreichen können. Dies sollten wir auch in Zukunft beibehalten, um einen langfristigen und nachhaltigen Mehrwert für die Zukunft zu generieren.
Unser Blogbeitrag wurde vom seventeen goals Magazin für die Auszeichnung »SDG-Blogpost des Monats« nominiert. Das seventeen goals Magazin ist das erste Magazin, das die 17 Ziele der UN für nachhaltige Entwicklung bekannter macht. Bisher ist es drei Mal erschienen und lag der ZEIT sowie dem Tagesspiegel bei. Seit Mai 2020 zeichnet das Magazin jeden Monat den besten Blogbeitrag zu Themen rund um nachhaltige Entwicklung aus.
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