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Covid-19-Folgen: Jetzt beginnt eine neue Epoche für das Büro

First-Science-KIT: Blogreihe zum Corona Krisenmanagement
Die Coronakrise fordert von uns allen ganz neue Herangehensweisen und Lösungen im beruflichen Miteinander. Das Fraunhofer IAO hat deshalb eine Blogreihe gestartet, mit der wir schnell anwendbare Praxistipps weitergeben, gut funktionierende Beispiele vorstellen und Lösungswege während und aus der Krise aufzeigen wollen.

Während wir gerade langsam und vereinzelt in unsere Büros zurückkehren, drängt sich die Frage auf, wie sich unsere Bürowelt verändern wird. Gemeinsam mit Jens Böhnlein von der Commerz Real habe ich in der vergangenen Woche das Thema mal diskutiert und im Folgenden zusammengefasst. Die Pandemie hat zwei wesentliche Wirkungsrichtungen: zum einem eine sehr ungewisse wirtschaftliche Entwicklung und zum anderen die radikale Einführung und das kollektive Einüben virtueller Formen der Zusammenarbeit durch die Arbeit von zu Hause und den Verzicht auf Reisen. Die Bürowelt der Zukunft wird nach Lockdown und erzwungenem Homeoffice eine andere sein, als wir sie kennen.

Virtuelle Nähe als neue Normalität

Wir Büromenschen lernen gerade durch virtuelle Zusammenarbeit, digitale Meetings und Veranstaltungen, dass räumliche Ferne durch virtuelle Nähe zumindest teilweise ersetzt werden kann.

Wir haben gelernt, räumlich voneinander getrennt gemeinsam am selben Dokument zu arbeiten, wir haben uns in den vergangenen Wochen aufgrund wegfallender Pendel- und Reisezeiten (und eventuell auch wegen entfallener Urlaubsreisen) an eine einfache Erreichbarkeit und höhere Verfügbarkeit unserer Ansprechpartner – ob Kunden oder Kollegen – gewöhnt und wir haben uns auch daran gewöhnt, diese zu sehen und nicht nur mit ihnen zu sprechen. Teilweise – wenn die technischen Voraussetzungen und das Umfeld zu Hause gepasst haben, dann konnten wir auch eine gesteigerte Effizienz und eine höhere Geschwindigkeit von Entscheidungen erleben – zugegeben manchmal auch ein höheres Stresslevel. Wir werden diese Learnings in die Zeit mit und nach Corona mitnehmen.

Arbeit von zu Hause ist nichts Neues – und dennoch ändert sich alles!

Für den ein oder anderen ist die Arbeit von zu Hause überhaupt nichts Neues. Allerdings werden es nach Covid-19 nun fast alle ausprobiert und ein Stück weit verinnerlicht haben. Damit wird es nicht nur einfacher, sondern auch völlig normal sein, räumlich voneinander getrennt zu arbeiten. Das führt uns zu folgenden Thesen für den Arbeitsort in der Post-Corona-Epoche:

  • Jede Fahrt ins Büro basiert auf einer immer wieder neu und bewusst getroffenen Entscheidung für diesen speziellen Arbeitsort.
  • Die Nutzung von Homeoffices wird gegenüber dem Vorkrisenniveau massiv ansteigen – dauerhaft.
  • Viel mehr Menschen werden spürbar weniger Geschäftsreisen unternehmen – ebenfalls dauerhaft.
  • Eingesparte Reisen werden sich als virtuelle Konferenzen auf das Büro und zu Hause aufteilen, in welchem Verhältnis lässt sich noch nicht genau sagen.
  • Der Anteil digitaler Nomaden steigt an. Immer mehr Menschen werden für längere Phasen dem Büro fernbleiben.
  • Mehr Menschen denken jetzt darüber nach, aus der Stadt zu ziehen – jenseits des Speckgürtels der Metropolen.
  • Ferienregionen und attraktive Metropolen erleben einen Zulauf digitaler Nomaden.
  • Digitale Arbeitsplätze wandern in andere Regionen und Länder ab.

Die hier als Thesen und nicht als sichere Prognose formulierten Konsequenzen aus der Corona-Pandemie zeigen, dass eine massive und vor allem dauerhafte Veränderung unserer Büroarbeitswelt, wie wir sie kennen, bevorstehen könnte – ja wir sind überzeugt, bevorsteht.

Bürostrukturen schließen sich und werden zugleich Orte der Inspiration

Blickt man noch etwas weiter in die Zukunft, dann zeichnen sich am Horizont weitere Entwicklungen ab, die die oben skizzierten Thesen noch verstärken könnten. So spricht durchaus einiges dafür, dass beispielsweise das teil- oder gar vollautomatisierte Fahren das Gefüge zwischen Metropole und ländlichem Raum weiter verändern könnte – damit könnte dann auch das in den 80er und 90er Jahren diskutierte Konzept der Satelliten-Büros in veränderter Form als ländliche Coworking-Spaces eine Auferstehung erleben. Wenden wir uns nun also den Büroflächen und -konzepten zu, wie wir sie heute kennen. Wenn wir nun in Zukunft sehr viel weniger Zeit in unserem Corporate Office verbringen und sich das Paradigma von »Ich arbeite an folgenden Tagen von zu Hause« ändert, hin zu »Ich fahre heute ins Büro um zu …«, dann werden sich hieraus neue Strukturen und Organisationsmodelle im Büro entwickeln.

  • Es wird kaum noch fest zugeordnete Arbeitsplätze in Büros geben – aufgrund der sinkenden Anwesenheit und differenzierterer Nutzungsbedarfe wird das nicht mehr wirtschaftlich darstellbar sein.
  • Die strenge räumliche Zuordnung von Abteilungen zu Etagen oder bestimmten Gebäudebereichen wird sich teilweise stark auflösen, denn das Team ist selten zeitgleich vor Ort.
  • Ein Teil der eingesparten Reisen wird sich als »virtuelle Reisen bzw. Meetings« im Büro niederschlagen. Der Spracheintrag wird durch mehr virtuelle Konferenzen stark zunehmen.
  • Hybride Räume für die Zusammenarbeit einer Gruppe, die physisch vor Ort ist, und einer Gruppe oder mehreren Gruppen, die räumlich verteilt entstehen, sind ein wesentlicher Grund, um ins Büro zu kommen.
  • Der Bedarf an Rückzug für konzentriertes und fokussiertes Arbeiten nimmt zu.
  • Der Anteil an geschlossenen zellularen Strukturen wird gegenüber heutigen Konzepten massiv ansteigen – für Individuen und Gruppen – die Büros schließen sich wieder.
  • Digitale Buchungssysteme werden auf breiter Front erforderlich, um die Auslastung der unterschiedlichen Arbeitsplatz- und Raumangebote wirtschaftlich und (infektions-)sicher zu steuern.
  • Smarte bzw. intelligent vernetzte Arbeitsplätze und -räume, die den Menschen in seiner Leistungsfähigkeit und seiner Gesundheit unterstützen, erfahren Anwendung auf breiter Front.
  • Attraktive Services im Gebäude oder in seiner unmittelbaren Nähe im Quartier tragen dazu bei, dass die Menschen sich bewusst für den Weg ins Büro entscheiden.
  • Der Bedarf an Bürofläche sinkt, aber der Büroflächenbedarf pro anwesendem Nutzer steigt.
  • »Inspirational Offices« in Form von Coworking Spaces, Serviced Offices oder Corporate Office entstehen. Diese fördern zufällige Begegnung und ungeplante Erlebnisse, denn diese lassen sich im Homeoffice nicht abbilden.

Insbesondere in der letzten These liegt unserer Ansicht nach eine zentrale Anforderung an das Büro der Post-Corona-Ära, denn auch in Zukunft – in einer hybriden Arbeitswelt, die virtuelle und physische Elemente integriert – kann die Inspirationskraft für Kreativität nicht nur zu Hause abgebildet werden – im Lockdown leben wir hier sicherlich eher von der Substanz. Und auch das häusliche Umfeld ist sicherlich nicht immer ein inspirierender, sondern vielleicht sogar noch eher limitierender Faktor. Und damit auch die Begründung für eine weitere ausstehende Veränderung, nämlich der im häuslichen Umfeld. Nicht alle von uns in Thesen formulierte Erwartungen sind auf die Corona-Pandemie zurückführen, aber sie wird als Katalysator für eine radikal beschleunigte und breite Einführung beitragen. Entwicklungen, die sonst vielleicht noch eine Dekade in Anspruch genommen hätten, werden sich nun binnen Monaten oder weniger Jahre vollziehen.

Die prognostizierten Entwicklungen verstärken Effekte aus der Zukunft

Wirft man wiederum einen Blick in die weitere Zukunft, dann tauchen verstärkende Faktoren für die eben formulierten Thesen auf. So wird etwa die Sprachinteraktion mit Anwendungsprogrammen den Spracheintrag in die Büros weiter erhöhen und einen höheren Anteil zellularer, separierenden Strukturen – ob das nun Räume oder neue Arbeitsplatzmöbel sind – erforderlich machen. Die Nutzung von Bots, Rapid Process Automation und Künstlicher Intelligenz wird die übrigbleibenden Arbeiten komplexer machen und den Bedarf nach Konzentration (Deep Work) erhöhen. Und nicht zuletzt wird ein gesteigertes ökonomisches und vor allem auch ökologisches Handeln den Umfang mit Bürofläche effizienter und auch zielgerichteter machen, sie muss wirksam sein.

Die beschriebenen Überlegungen müssen selbstverständlich in ihrem Wirkungsgeflecht zueinander und in der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung der kommenden Monate und Jahre noch tiefer betrachtet und untersucht werden. Diesen Szenario-Managementprozess haben wir gemeinsam mit Partnerunternehmen im Verbundforschungsprojekt Office 21 initiiert. Wir sind selbst gespannt auf die Ergebnisse. Die dann entwickelten Szenarien müssen dann immer wieder mit den aktuellen Entwicklungen abgeglichen und reflektiert werden.

Wir freuen uns, wenn Sie zu unserer Forschung beitragen und sich die Zeit nehmen, um an der Befragung des Fraunhofer IAO zum Thema »Wie gut funktioniert die Arbeit von Zuhause?« teilnehmen. Als kleine Belohnung können Sie am Ende der Befragung sehen, wie Sie persönlich im Vergleich zu den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Datensatz abschneiden.

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