Gebäude wurden bislang als Immobilien – also unbewegliche Dinge – bezeichnet, weil sie mit Mobilität außer in Form von Garagen oder Stellplätzen für unsere Autos nichts zutun hatten. Das könnte sich ändern, wenn die Vision eines Planungsteams der Universität Stuttgart und des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT in naher Zukunft Wirklichkeit wird. Das interdisziplinär aufgestellte Kompetenzteam entwickelte ein Konzept für ein Wohngebäude, in dem Häuser zusätzlichen Strom zum Betrieb von Elektrofahrzeugen selbst erzeugen und so quasi zur Tankstelle für das eigene Auto werden.
Die E-Mobilie – Symbiose aus Wohnung und Mobilität
Kein Zweifel – wir stehen vor einem Wandel in ein elektromobiles Zeitalter, das auch unsere Städte gewaltig verändern wird. Energieerzeugung, Energiekonsum und Mobilität werden in Zukunft neu verknüpft werden. Durch zunehmende Einwohnerdichten in Städten, die lokale Emissionsfreiheit rein elektrisch betriebener Fahrzeuge und die notwendige Neugestaltung der Ladeinfrastruktur in den Städten wachsen Mobilität und (Wohn-) Gebäude zukünftig immer mehr zusammen. Für dieses Zukunftsszenario hat das Stuttgarter Planungsteam innovative Lösungen entwickelt, die die Fortschritte in der Gebäudetechnik und bei elektrischen Antriebstechnologien in der Fahrzeugindustrie zu einem intelligenten Gesamtsystem zusammenfügen. Die Grundidee: Ein nachhaltiges und energieeffizientes Wohnhaus soll selbst genug Energie aus erneuerbaren und emissionsfreien Quellen erzeugen, um damit den gesamten Haushalts- und Mobilitätsbedarf einer Familie in Form von zwei Elektrofahrzeugen und einem E-Roller ganzjährig zu decken.
© by Werner Sobek
Smart@home: E-mobiles Wohnen
Die E-Mobilie ist jedoch nicht nur ein Modell für Technologien, sondern setzt auch neue Maßstäbe für das Wohn- und Lebensgefühl in der elektromobilen Zukunft:
- Der architektonische Entwurf des Hauses verbindet über zusätzliche Sichtverbindungen, intelligente Raumorganisation und direkte Wege Wohn- und Mobilitätsraum miteinander. Die Gebäudestruktur spiegelt das neue Verhältnis der drei Kernthemen Wohnen, Plusenergie und (Elektro-)Mobilität. Sie kann je nach Standortanforderung variiert und an besondere Bedingungen angepasst werden.
- Die E-Mobilie integriert heute bereits verfügbare IuK-Technologien wie Smartphone-Anwendungen und Kommunikationsprotokollen. So wird eine Plattform geschaffen, die nutzerbezogene Anforderungen im Wohnbereich und in der Mobilität intelligent und bedarfsgerecht miteinander verknüpft. So wird aus einem Wohngebäude ein »Smart-e Home«.
- Das Gebäude ist bei bilanzieller Betrachtung vom Stromnetz unabhängig und erzeugt die gesamte Energie für den Alltag der Bewohner im Haus und unterwegs. Ein stationärer Pufferspeicher erlaubt die Nachnutzung von gebrauchten Lithium-Ionen-Akkus aus den Fahrzeugen für die Energieversorgung des Gebäudes. Die Fahrzeugbatterie wird also in einem zweiten Nutzungszyklus zum Stromspeicher für das Gebäude.
Die E-mobile Zukunft erleben: Ab 2011 live in Berlin
Das Konzept der E-Mobilie überzeugte auch das Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Städtebau (BMVBS), das das Planungsteam aus Stuttgart in einem Wettbewerb zur Integration von Plusenergiehaus und Elektromobilität zum Sieger kürte. Die E-Mobilie wird bis Mitte 2011 als Prototyp eines freistehenden Einfamilienhauses für neue Wohntypologien in Berlin realisiert und dort für zwei Jahre als erlebbares Schaufenster für die Öffentlichkeit den Stand der Wissenschaft in diesem Forschungsbereich präsentieren. Die Besucher der E-Mobilie werden über ein interaktives Ausstellungskonzept – unter anderem in Form einer gesten-gesteuerten und situationsabhängigen Displayinnovation – in die Technologien und die Architektur mit eingebunden.
Wer den Gebäudeprototyp live erleben will, sei bereits jetzt herzlich dazu eingeladen, sich die E-Mobilie voraussichtlich ab Mitte 2011 in Berlin neben dem Gebäude des Bundesministeriums real anzuschauen.
Bei dem Gebäude geht es jedoch nicht nur darum, einen relevanten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf eine klima- und umweltfreundliche Energieversorgung zu leisten – es geht um mehr: Plusenergiehäuser sollen als Energielieferanten in Netzwerke für Elektromobilität eingebunden werden und neue Funktionen übernehmen. Für die beteiligten Wissenschaftler eröffnet sich damit ein komplett neues Forschungsfeld an der Schnittstelle von Architektur und Mobilität.
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