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Ein Jahr Kinderstadtteilforschung – Schülerinnen und Schüler als Wissenschaftler

IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015: »Zukunftstadt«

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?
IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt

Welches ist der am dichtesten besiedelte Stadtteil in Deutschland? Wie viele Zebrastreifen gibt es rund um die eigene Schule? Welche sind die Lieblingsorte und welche die gefährlichsten Orte für Kinder im Stuttgarter Westen?
Anfang des letzten Jahres haben sich Kinder des Schülerhauses Grundschule Schwabschule aufgemacht, um den Stadtteil Stuttgart-West neu zu entdecken. Unterstützt haben sie der Träger Caritasverband für Stuttgart e.V. und ich als Wissenschaftler am Fraunhofer IAO (und Papa eines Kindes). Insgesamt haben vier Forschungstage verteilt über die unterschiedlichen Schulferien im Jahr 2014 stattgefunden. Wir wollen an dieser Stelle den Erwachsenen kurz erläutern, was man/frau von und mit Kinderstadtteilforschung lernen kann.

Kinder als Wissenschaftler: Wie geht das?

Bei der Kinderstadtteilforschung erkunden Kinder als Experten in eigener Sache die Umgebung im Einzugsbereich der Schwabschule und in welch vielfältigen Beziehungen sie zu ihrem Stadtteil stehen. Im Reallabor »Stadt« werden damit auf der einen Seite Sozialverhalten, Selbstbewusstsein und Spaß im Sinne einer »fröhlichen Wissenschaft« gefördert. Auf der anderen Seite forschen »junge« und »erwachsene« Wissenschaftler zusammen und verbinden politische Bildung, Neue Bürgerbeteiligung, MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und mobilitäts- und städtebauliche Entwicklungsaspekte auf völlig neue Art und Weise. Nicht hoch genug zu bewerten sind meiner Meinung nach die Effekte, wie durch Kinderstadtteilforschung eine Öffentlichkeit für Kinder geschaffen und eine kulturelle Identifikation mit der Wohn- und Lebenswelt gefördert werden. Kinderstadtteilforschung darf vor diesem Hintergrund aber stets ihr Ziel nicht aus dem Auge verlieren: Kinder und ihre Anliegen sind wertzuschätzen und dürfen auf keinen Fall für Zwecke und Ziele der Erwachsenen instrumentalisiert werden.

Station 1: Wie funktioniert Politik? Auf Entdeckungstour im Stuttgarter Rathaus


Bild 1.

Die Verwaltung und Politik im Rathaus kennenzulernen heißt mehr als Paternoster-Fahren (was aber zugegebenermaßen eine Alleinstellung des Stuttgarter Rathauses darstellt und unheimlich viel Spaß macht). Danke für den fundierten Besuchsdienst von Gerhard Baumann und das freundlich-konstruktive Gespräch mit der Kinderbeauftragten Maria Haller-Kindler.


Bild 2.

Anhand von Wahlzetteln der letzten Gemeinderatswahl konnten wir uns das Wesen der komplizierten Begriffe »Kumulieren« und »Panaschieren« verdeutlichen und im Sitzungssaal durften Mikrofonanlage, Brezeln und Streuobstwiesen-Apfelsaft »ausprobiert« werden. Ein Highlight war der Besuch des Rathausbalkons, von dem aus der VfB Stuttgart sicher das nächste Mal mit den Stuttgarter Bürgern auf dem Marktplatz feiern wird, wenn er Deutscher Meister wird.

Station 2: Forscher werden ist nicht schwer, Forscher sein dagegen sehr


Bild 3.

Nach diesem ersten Warmlaufen in Sachen Politik und Gesellschaft ging es beim nächsten Termin ums Eingemachte: Was machen eigentlich Forscherinnen und Forscher? Eine »Schlaunase«, wie die Kinder rückübersetzten, hat viele spannende Aufgaben: Fragen stellen, schreiben, lesen und rechnen, beobachten und messen, Menschen befragen, Ideen haben, Alternativen bewerten und Expertenempfehlungen aussprechen, sodass Probleme gelöst werden oder zumindest Prozesse verbessert werden. Und es gibt im Prinzip unendlich viele Forschungsgegenstände, nicht nur Tiere und Raumfahrt, wie die Kinder zu Anfang oft denken. Außerdem kann es nicht schaden, eine Landkarte der Umgebung lesen zu können, in der man gefühlte 95% seiner Lebenszeit verbringt. Nach einem kindgerechten »Proseminar« erhielten die Nachwuchswissenschaftler ihre Kinderstadtteilforscher-Ausweise. Wie auf einem Kongress bei den Erwachsenen entscheidet nicht zuletzt der Ausweis darüber, wer dazugehört und wer nicht.


Bild 4.

Die Wissenschaftstheorie wird dann ganz schnell praktisch, wenn mit Klappbrett, Lupe oder Feldstecher, Meterstab, Landkarte, Fotoapparat und Smartphones losgezogen wird. Wie kann es sein, dass verschiedene Forscherinnen und Forscher bei der Vermessung der Treppenstufen im Schulhaus auf unterschiedliche Anzahlen zwischen 80 und 92 Stufen kommen? Warum kann die Fauna am Feuersee nicht ein wenig die Beine stillhalten, wenn man sie kartiert und zählt? Was ist in der Wissenschaft richtig, was ist wahr? Da das Ganze an einem der heißesten Tage des Jahres stattfand, lässt sich auf jeden Fall sagen: Die Kinder haben sich ein Eis zum Abschluss mehr als verdient. Darüber, welche Eissorte am besten schmeckte, wurde natürlich diskutiert und abgestimmt.

Danksagung

Danke an alle Forscherkinder fürs Mitmachen. Danke an Martina Joos, Szabina Baranyai und Gesine Marquardt und alle anderen beteiligten Sozialpädagogen vom Caritasverband für Stuttgart e.V. für die hervorragende Projektierung. Danke an meinen Arbeitgeber Fraunhofer IAO für die ideelle Unterstützung und das zur Verfügung gestellte Equipment und Know-how. Sowie danke an alle Bürgerinnen und Bürger, Organisationen und Verwaltungen, mit denen wir bislang in Interaktion getreten sind.

Welches sind die Lieblingsorte und die gefährlichsten Orte für Kinder im Stuttgarter Westen? Und wie geht es nun mit der Kinderstadtteilforschung weiter? Das erfahren Sie in meinem nächsten Beitrag hier im IAO-Blog.

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