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Hybrid Leadership – mehr als Führung auf Distanz

Connected Work Innovation Hub – Blogreihe zur Schaffung einer hybriden Arbeitswelt
Die Arbeitswelt verändert sich so schnell und tiefgreifend wie nie zuvor. Neue Märkte und Technologien stellen für viele Unternehmen bereits eine Herausforderung dar – Um Unternehmen die Transformation zu erleichtern, bieten unsere Expert*innen des Fraunhofer IAO ihre Hilfe an. Das Projekt »Connected Work Innovation Hub« bietet eine Plattform für die Entwicklung gemeinsamer Ideen und Handlungsmodelle, die innovativ und nachhaltig sind.

Im Sprint IV: Führung und Selbstorganisation haben wir uns sehr intensiv über die veränderten Anforderungen an Führung in der hybriden Arbeitswelt ausgetauscht. Dabei wurde schnell klar, dass die Pandemie auch hier die berühmte »Boosterwirkung« hat und eine Reihe von Entwicklungen beschleunigt hat, die im Kontext der digitalen Transformation schon seit mindestens einem Jahrzehnt in Gange sind. Führung muss sich in deren Kontext neu definieren, und dabei sowohl den veränderten Erwartungen der »Geführten« als auch den veränderten marktlichen Anforderungen entsprechen, denen Organisationen ausgesetzt sind. Führungskräfte sollten ihre Rolle und ihr Selbstverständnis überdenken, Dinge abgeben, aber gleichzeitig eine richtungsgebende und orientierende Funktion bewahren. Nicht leicht, vermeintlich widersprüchliche Ziele durch eine Weiterentwicklung individuellen Führungshandelns und der gelebten Führungskultur und nicht zuletzt des Führungssystems zu verbinden.

Wie in allen Sprints haben wir zu Beginn ein Stimmungsbild darüber erstellt, was aus Sicht der Beteiligten derzeit die größten Schmerzpunkte der Führungskräfte sind. Die folgende Abbildung zeigt dieses Stimmungsbild, und es spiegelt vor allem die derzeitig herrschende Unsicherheit der handelnden Personen aufgrund der räumlichen Distanz. Diese fordert z.B. Improvisation und erzeugt Unruhe, bringt aber auch neue Ideen zutage und fördert Selbstverantwortung. In den Gesprächen waren sich alle einig, dass diese Veränderungen nicht allein von Führungskräften geschultert werden können, sondern eine Veränderung des gesamten Beziehungs- und Leistungssystems zwischen Führung und Geführten erfordern.


Abbildung 1: Stimmungsbild der größten Schmerzpunkte Von Führungskräften (Quelle: Fraunhofer IAO)

Die zentralen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Veränderte Erfolgsfaktoren erfolgreicher Führung: Vertrauen – Empathie – Kommunikation – Führungspräsenz

Auf Basis der Auswertung einschlägiger Studien und Ausarbeitungen haben wir uns im Sprint mit vier Anforderungsbereichen beschäftigt, denen sich Führungskräfte in der Connected Work in Zukunft widmen müssen. Dazu gehören:


Abbildung 2: Die vier Anforderungsbereiche zukünftiger Führung (Quelle: Hofmann 2021)

Gerade mit Blick auf die abnehmende physische Präsenz finde ich das Konzept der Führungspräsenz besonders spannend und einen vertiefenden Blick wert:

Führungspräsenz: Da sein und wirksam werden, ohne physisch »da« zu sein

Führungspräsenz kann man mit Blick auf die hybride Arbeitswelt in den drei Dimensionen fachlicher, persönlicher und auch menschlicher »Autorität« beleuchten. Welche Fragen sollten sich Führungskräfte dazu für einen Selbstcheck stellen?:

Das Konzept der Führungspräsenz haben wir sehr intensiv debattiert und es ist auch in eines der beiden erarbeiteten Blueprints des Sprints, den »Führungskräfte-Selbstcheck« eingegangen: ein Instrument zur angeleiteten Selbstreflektion des eigenen Führungsverhaltens.

Mir erscheint vor allem die Führungspräsenz im engeren Sinne in der Arbeitswelt von morgen wichtig, weil sie in ihren Dimensionen der Umsetzung auch deutlich über die Überwindung der räumlichen Distanz hinausgeht und damit einen wichtigen Baustein moderner Führungsarbeit beschreibt. Sie steht für mich genau dafür, worauf es bei einer guten Führungskraft wesentlich ankommt: Andere (die Mitarbeitenden) in den Mittelpunkt zu stellen, leuchten zu lassen, ihr Zusammenspiel zu verbessern und in der Summe eine Gemeinschaft zu formen, die mehr ist als die Summe aller Teile. Dazu gehört zweifellos auch ein generativer Mindset: andere wachsen lassen zu können, ohne dabei persönlich etwas einzubüßen. Der Kölner bringt dieses Mindset ganz wunderbar auf den Punkt: »Mer muss och jünne könne« – man muss anderen auch was gönnen können!. Dazu gehören persönliche Reife, eine hoffentlich geglückte eigene Berufsbiografie und echtes Interesse an der nächsten Generation und ihrem Beitrag. Das mag in Zeiten, in denen herausgehobene Unternehmer wie Elon Musk mit einem erratischen Führungsstil sowohl Bewunderung als auch Befremden auslösen, sehr ausgefallen zu sein. Und ja, sicher braucht es auch herausgehobene Visionäre mit einem unbedingten Willen, um echte Innovationen umzusetzen. Die tägliche Führungsarbeit sollte dennoch auch stark von den genannten generativen, ermöglichenden und vernetzenden Anteilen geprägt sein.

Hybrid Leadership ist mehr als Führung auf Distanz

Schon dieser kleine Ausschnitt hat gezeigt, dass unsere Diskussionen zwar stark von den Effekten der räumlichen Distanz und den damit zusammenhängenden Führungsherausforderungen getriggert waren, in den Lösungsoptionen aber Ansätze besprochen wurden, die mit Blick auf die umfassende digitale Transformation und deren Implikationen auf Personalpolitik, Führung und Qualifizierungsdebatten ebenfalls wesentlich sind. Wir waren uns einig, dass hier sehr langfristige Veränderungen notwendig werden, die einen langen Atem und echten Veränderungswillen brauchen.

Zukunftsthema und »dickes Brett«: Kongruente Weiterentwicklung der Steuerungsformen und Anreizsysteme

Denn es reicht nicht, die Menschen weiterzuentwickeln und mit neuen Kompetenzen zu stärken. Genauso wichtig ist es, die neuen Verhaltensformen so in Führungs- und Anreizsystemen zu verankern, dass diese nachhaltig umgesetzt werden und nicht auf der Ebene länglicher Forderungslisten ohne Verbindlichkeitscharakter steckenbleiben. Dabei verstehen wir unter Führungssystem das Gesamtsystem von Such- und Einstellungskriterien für Führungskräfte, Indikatoren und Incentivierungen für deren Leistung, die hierauf gerichtete Unternehmenskommunikation und gelebte Kultur.

Im Einzelnen geht es um die im folgenden umrissenen Fragestellungen, die als »White spots«, als künftig zu bearbeitende Forschungsfragen, im Sprint IV herausgearbeitet wurden:

Methodisch ließen sich diese Fragestellungen am besten mit einer Reihe von Fallstudien in Unternehmen beantworten sowie mit der Diskussion und pilothaften Umsetzung von Lösungsansätzen. Erfahrungsgemäß ist die Veränderung von Führungssystemen eine sehr langfristige Angelegenheit, weil sie direkt mit Machtfragen zusammenhängt, über Führungsspannenveränderungen Geld kosten, und direkt in sehr eingefleischte Kommunikations- und Bewertungsroutinen eingreifen. Aber: Führungsarbeit muss an dem gemessen werden, was sie leisten soll! Alle aufgestellten Forderungen werden wahrscheinlich nicht umgesetzt, wenn sie zwar benannt werden, aber letztlich für faktische Beförderungs- und Incentivierungsentscheidungen keine Rolle spielen. Wirksamkeit setzt Spürbarkeit voraus, Aufmerksamkeit, explizite Würdigung. Davon ist die heutige Praxis leider noch ein gutes Stück entfernt.

Wir werden daran weiterarbeiten! Wenn Sie daran auch Interesse haben, freuen wir uns sehr über eine Kontaktaufnahme. Genauso wie über Kommentare Ihrerseits.

Leselinks:

Josephine Hofmann

Leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Bloggt am liebsten im Zug und nach inspirierenden Veranstaltungen und Begegnungen.

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