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In Zukunft »smart«: Die Lebenswelt von morgen auf dem Zukunftsforum 2011

Im Rahmen des Zukunftsforums 2011 möchte das Fraunhofer IAO am 27. Januar im Dialog mit Wissenschaftlern, Vertretern von Städten, Kommunen und Unternehmen und mit Bürgern wie du und ich zentrale Fragen rund um das Thema »Leben und Arbeiten in der Zukunft« aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Dr. Wilhelm Bauer, Institutsdirektor am Fraunhofer IAO, gibt in seinem Blogbeitrag bereits heute Antworten auf einige zentrale Leitfragen, die im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen werden.

Nachhaltigkeit beginnt ja oft im Kleinen, beim Abschalten des Lichts zum Dienstschluss. Wie kann uns Technik im Smart Home oder Green Office der Zukunft da unterstützen?
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Nachhaltigkeitsinnovationen der technischen Bedingungen und dem Verhalten der Menschen. Bei den technischen Bedingungen geht es um energieeffiziente Systeme, Geräte und Einrichtungen. Es geht um energieeffiziente Gebäude, um Räume und Einrichtungsgegenstände und um energieeffiziente Geräte, beispielsweise Haushaltsgeräte oder Bürotechnik. Es gilt darauf zu achten, dass diese Technik einerseits mit möglichst wenig Energie- und Ressourceneinsatz produziert und distributiert wird und dass sie andererseits im laufenden Betrieb möglichst wenig Energie verbraucht. Wir müssen den ganzen Lebenszyklus der Produkte und Systeme betrachten. Man spricht hier vom Life-Cycle-Engineering. Um Beispiele zu nennen: Wir brauchen Bürogeräte, die mit möglichst gut recyclingfähigen Stoffen und Bauteilen hergestellt werden, bei denen die Teile demontiert und wiederverwendet werden können, deren Netzteile einen sehr hohen Wirkungsgrad haben und deren Prozessoren enorm energieeffizient sind. Bei aller nachhaltigen Technik kommt dann aber immer auch der Mensch als Nutzer der Technik ins Spiel. Und da haben wir oft sehr große Defizite: kein Bewusstsein, keine Kenntnisse und manchmal einfach auch keine Lust auf »grünes Verhalten«. Da muss man dann nachhelfen, durch Sensibilisierung, durch Schulung oder einfach durch Führung. Oder: Wir nutzen intelligente Systeme um dem Menschen die »Nachhaltigkeits-Arbeit« abzunehmen. Intelligente Systeme wie Sensoren, Kameras und ähnliches können das menschliche Nutzungsverhalten im Hintergrund analysieren und die technischen Systeme dann entsprechend beeinflussen. Ein Beispiel: Wenn ein Beschäftigter oder Bewohner einen Raum verlässt, dann schaltet das System das Licht aus, regelt die Heizung runter oder schaltet den Fernseher auf Standby oder ganz aus. Das nennen wir dann »smart«.

Was konkret verbirgt sich nun hinter Schlagworten wie »Smart Room«?
Nun – genau Räume in Bürogebäuden, Fabriken, Pflegeeinrichtungen, Hotels oder auch zu Hause, die quasi »mitdenken«. Diese Räume sind mit Lichtsensoren, Mikrofonen, Kameras und RFID-Systemen ausgestattet, die feststellen, was die Nutzer des Raums tun oder gerade nicht tun und dann ganz selbstständig in die Raumfunktionen eingreifen, um beispielsweise die Raumkonditionierung zu beeinflussen (Beleuchtung, Raumklima, Sonnenschutz usw.). Diese Sensoren könnten aber beispielsweise auch feststellen, ob jemand gerade am Bildschirm im Büro arbeitet oder nicht und diesen kurzzeitig abschalten. Eine Software könnte ebenso rechtzeitig aus einem elektronischen Kalender wie Outlook analysieren, ob an einem Meeting zwei, fünf oder fünfzehn Personen teilnehmen und automatisch die Kühlung entsprechend vorkonditionieren oder gleich den Beamer für die geplante Präsentation anschalten. Solch intelligente »smarte« Räume können für die Benutzer aber auch lästig werden, die Menschen könnten sich leicht bevormundet oder gar à la »Big Brother« überwacht und gegängelt fühlen. Deshalb ist es ein wichtiges Prinzip, dass diese Sensorsysteme immer auch irgendwo einen Handschalter haben müssen, mit dem der Mensch die Automatik überstimmen kann. Dies trägt entscheidend zur Akzeptanz solcher »Smart Rooms« bei.

Wie wird sich dann in der Zukunft die Mobilität entwickeln?
Ich gehe davon aus, dass wir auch in Zukunft mobil sein werden, weil wir es wollen und weil wir es sein müssen. Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und es ist auch eine Notwendigkeit moderner hochvernetzter Wertschöpfungsprozesse. Zugleich gehe ich aber auch davon aus, dass wir durch eine zukünftige Re-Urbanisierung von Arbeit und Leben und durch neue synergetische Modelle verbundenen Lebens und Arbeitens einen gewissen Rückgang von Mobilität erleben werden. Immer mehr Menschen haben keine Lust mehr auf Staus und auf Lebenszeitverschwendung auf verstopften Straßen zur Arbeit oder von Termin zu Termin. Hier kann Informations- und Kommunikationstechnik viel verändern: Video-Konferenzen, Telepräsenz-Systeme und vor allem das Internet mit Communities und kommenden Web 2.0-Anwendungen. Wir werden uns immer mehr in virtuellen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften bewegen, da muss man nicht mehr immer vor Ort sein, um »dabei zu sein«. Ob wir wirklich jede Dienstreise durch virtuelle Konferenzen ersetzen können, ist aus anderen Gründen fraglich: Manchmal muss ich Menschen persönlich treffen, um mit ihnen echtes Vertrauen aufzubauen. Dies ist sicherlich bei einem Erstkontakt immer notwendig. Aber ob dies auch bei Regelmeetings zwischen Menschen, die sich längst kennen und schätzen, notwendig ist, das ist mehr als fraglich. Tele- und Webkonferenzen werden weiter zunehmen, gar keine Frage. Sie werden aber die Reise nicht komplett ersetzen können.

Welche Rolle wird Elektromobilität spielen, was kommt hier wann auf uns zu?
E-Mobility wird auf lange Sicht die entscheidende Rolle für unsere individuelle Mobilität spielen. Aber auch im ÖPNV und im Fernverkehr wird früher oder später alles elektrisch fahren. Die Züge tun es schon heute, die Busse werden es tun und irgendwann dann auch der Lastverkehr. Bis es allerdings soweit ist, vergehen noch 30-50 Jahre – mindestens. Was aber sehr schnell kommen wird, sind elektromobile Fahrzeuge für den urbanen Raum. Pedelces, Elektroroller, Elektro-PKWs und Kleintransporter mit zunächst noch geringerer Reichweite werden sich sehr schnell in den Städten ausbreiten. Die lokale Emissionsfreiheit wird hier in den Städten einen großen Mehrwert generieren und uns zukünftig von Lärm und Abgasen verschonen. Zugleich werden die Fahrzeuge eher kompakter werden, damit werden auch die Staus etwas kürzer. Für die längeren Strecken werden wir Fahrzeuge mit Hybridantrieben zur Verfügung haben, die sowohl eine elektrische als auch eine verbrennungsmotorische Antriebskomponente haben. Mit diesen Fahrzeugen können wir dann wie gewohnt 600 km über Land fahren und gleichzeitig elektrisch lokal emissionsfrei in die Städte einfahren. Bis zum Jahr 2020 sollen in Deutschland ca. 1 Mio. Fahrzeuge mit elektrischer Antriebskomponente im Einsatz ein. Ich persönlich gehe davon aus, dass es mehr werden, aber genau kann man dies heute noch nicht vorhersagen.

Wilhelm Bauer

Als geschäftsführender Institutsleiter führte Wilhelm Bauer von 2013 bis 2022 das Fraunhofer IAO. Er verantwortet dabei Forschungs- und Umsetzungsprojekte in den Bereichen Innovationsforschung, Technologiemanagement, Leben und Arbeiten in der Zukunft, Smarter Cities und Mobility Innovations.

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