Iris Pöschl (M.Sc.) und Benjamin Zimmermann (M.Sc.) promovieren am Lehrstuhl für Marketing & Business Development an der Universität Hohenheim. Als Forschungspartner unterstützen sie unter der Leitung von Prof. Dr. Markus Voeth das Projektkonsortium »Eco Fleet Services«. Wir haben mit ihnen über die Studie »Städte und Kommunen als Katalysator für nachhaltige betriebliche Mobilität« gesprochen, die im Mai 2019 erscheinen wird. In der Studie gehen Iris Pöschl und Benjamin Zimmermann unter anderem der Frage nach, wie stark sich Kommunen der Bundesrepublik bereits heute für die Optimierung ihrer eigenen betrieblichen Mobilität engagieren und somit auch nach außen eine Vorreiterrolle einnehmen können.
Warum ist die betriebliche Mobilität für Unternehmen und Kommunen gerade jetzt so ein drängendes Thema?
Zimmermann: Gerade in urbanen Ballungsräumen, in denen viele Mitarbeiter pendeln, steigt natürlich das Mobilitätsaufkommen und führt zu Staus, Umweltproblemen und anderen Belastungen im Alltag. Unternehmen, aber auch Kommunen, müssen daher aktiv werden und bestehende Verkehrskonzepte überdenken. Das fängt bei der Optimierung der eigenen Mobilität, z. B. im Fuhrpark, an.
Pöschl: Betriebe, das können sowohl Unternehmen als auch Kommunen sein, sehen sich mit den gestiegenen Mobilitätsanforderungen ihrer Mitarbeiter konfrontiert. Der Druck, neue, bessere Mobilitätslösungen zu entwickeln, die vielleicht auch für andere Betriebe in der Region einen Mehrwert schaffen, ist da natürlich relativ hoch.
In der Studie wurden nur Kommunen befragt. Warum?
Pöschl: Wir sehen Kommunen als Gestalter von Mobilität. Sie schaffen die Rahmenbedingungen für die Mobilität der Bürger und Unternehmen. Kommunen haben dadurch einen entscheidenden Einfluss auf das lokale Mobilitätsangebot bzw. dessen Neuausrichtung. Sie sind für uns daher eine Art »Katalysator«, der die Akzeptanz und Nutzung von neuen Mobilitätskonzepten beschleunigen kann. Dazu müssen Kommunen aber natürlich selbst auch derartige Konzepte bereitstellen und deren Anwendung vorleben. Inwieweit sie das heute schon tun, haben wir mit unserer Studie überprüft.
Es gibt ja schon sehr viele Studien zum Thema betriebliche Mobilität. Was ist das Besondere an dieser Studie?
Zimmermann: Natürlich haben wir uns im Vorfeld auch mit anderen Studien befasst. Dabei ist uns aufgefallen, dass das Thema oftmals zu abstrakt betrachtet wird. Uns war es wichtig, Themen abzufragen, die für Kommunen im Hinblick auf ihre betriebliche Mobilität wirklich unter den Nägeln brennen. Daher haben wir im ersten Schritt mit Tiefeninterviews mit Mobilitätsverantwortlichen in kommunalen Verwaltungen geführt und auf Basis dieses Pre-Tests unseren Fragebogen für die bundesweite Befragung von Kommunen erstellt. Dieser zweistufige Forschungsprozess ist ein zentraler Punkt, der unsere Studie deutlich konkreter werden lässt als andere Studien.
Pöschl: Genau. Unsere Studie stützt sich nämlich auf Primärdaten der Kommunen selbst. Wir konnten direkte Einblicke in die Handlungsfelder aber auch Herausforderungen der Kommunen erlangen und sind damit sozusagen an die »Quelle der betrieblichen Mobilität« vorgedrungen. Das haben wir aber nur mit der Unterstützung des Deutschen Städtetags und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes erreicht, welche unseren Fragebogen distribuiert haben. Die Resonanz war sehr positiv.
Was können Kommunen und Unternehmen denn aus den Studienergebnissen lernen?
Zimmermann: Was sich abzeichnet, ohne allzu viel zu verraten, ist, dass Kommunen sehr viel bewegen können, wenn sie an den kleinen Stellschrauben drehen, die sie bereits jetzt zur Verfügung haben. Man muss dafür nicht unbedingt viel Geld für großangelegte Infrastrukturprojekte in die Hand nehmen. Durch unsere Studie ermöglichen wir Kommunen zudem, einen Überblick über ihre betrieblichen Mobilitätsinitiativen im Vergleich mit anderen Kommunen zu erlangen. Somit lassen sich auch Maßnahmen zur Optimierung einfacher ableiten.
Gibt es ein Ergebnis, dass euch besonders überrascht hat?
Pöschl: Es ist weniger ein Ergebnis als eine Erkenntnis, die wir bei der Sichtung und Auswertung der Ergebnisse gewonnen haben. Das Potenzial, um neue Mobilitätskonzepte zu implementieren ist, wie Benjamin ja schon angedeutet hat, häufig schon vorhanden, wird aber noch nicht als solches erkannt, geschweige denn genutzt. Ich denke da z. B. an das Thema Arbeitszeitmodelle. Obwohl es flexible Arbeitszeitmodelle gibt, stürzen sich doch alle Mitarbeiter um 9 Uhr in den Berufsverkehr. Hier sollte arbeitgeberseitig noch viel stärker vermittelt und vorgelebt werden, dass zukunftsfähige Mobilität auch eine gewisse Flexibilität im eigenen Verhalten impliziert.
Wie geht es jetzt weiter? Wie sehen die nächsten Arbeitsschritte aus?
Zimmermann: Nachdem wir unsere Befragungsergebnisse ausgewertet haben, gilt es jetzt die Studie für die Veröffentlichung auf der Veranstaltung „Eco Fleet Services: Mobil im Betrieb – nachhaltig in die Zukunft“ im Mai in Heidelberg zu finalisieren. Diese Veranstaltung organisieren wir im Projektpartnerkreis, um das Bewusstsein für das Projekt »Eco Fleet Services« aber natürlich auch für betriebliche Mobilität im Allgemeinen zu schärfen. Hierzu laden wir sowohl Pressevertreter als auch Austeller aus Wirtschaft und Kommunen ein, die ihre eigenen Mobilitätskonzepte und -lösungen der Öffentlichkeit präsentieren. Darüber hinaus steht das nächste Arbeitspaket, und zwar die Entwicklung eines Reifegradmodells an. Mit einem solchen Modell sollen Kommunen und Unternehmen den Entwicklungsstand ihrer betrieblichen Mobilität anhand von konkreten Kriterien bewerten können.
Was möchtet ihr persönlich mit der Studie vermitteln?
Zimmermann: Mir persönlich liegt es am Herzen, den Menschen, die sich in den Kommunen tagtäglich mit Mobilitätsthemen und den damit verbundenen Herausforderungen beschäftigen, eine Stimme zu geben. Sie sind es, die bei der Implementierung neuer Mobilitätslösungen gehört und unterstützt werden müssen.
Pöschl: Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es relativ schwierig ist als einzelner Mitarbeiter den Arbeitgeber von neuen Mobilitätskonzepten zu überzeugen. Ich hoffe, dass wir durch unsere Studie einen Beitrag dazu leisten, dass Arbeitgeber noch stärker dafür sensibilisiert werden, die richtigen Weichen zu stellen, um den Weg für nachhaltige betriebliche Mobilität frei zu machen!
Herr Zimmermann, Frau Pöschl, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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