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Neurotechnologien: Zeig‘ mir, was du denkst und ich geb‘ dir, was du brauchst!

Wir haben in vielen zwischenmenschlichen Situationen einen untrüglichen Instinkt dafür, wie sich andere Menschen fühlen und wie sie sich als nächstes verhalten werden. Dank dieses automatischen Radars fällt der Kaffeebecher, den uns der neue Barista im Café morgens hektisch über den Tisch streckt, nicht zu Boden. Und dass die Kollegin heute mal wieder schlecht gelaunt ist, bemerken wir augenblicklich an ihrem dahin genuschelten »Morgen«. Psychologen vermuten, dass wir uns bei jeder Handlung und Regung automatisch in unser Gegenüber hinein versetzen. Dazu simulieren wir seine Intentionen und Gefühle in unserem Gehirn auf Basis unserer eigenen Erfahrungen nach, um dann unser eigenes Verhalten entsprechend anpassen zu können. Dies geschieht in Sekundenbruchteilen und ohne, dass wir es überhaupt bewusst merken.

Digitalisierung und die neue Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine

In der Interaktion mit technischen Systemen laufen Kommunikationsprozesse in der Regel nicht so intuitiv und mühelos ab. Zumeist müssen wir uns auf die Logik und Funktionsweise der Maschine einstellen, die ein Programmierer für sie erdacht hat. Die Maschine folgt ihrerseits logischen, regelbasierten Befehlen.

Im Zuge der Digitalisierung müssen wir längst nicht mehr nur eine Maschine bedienen. Jedes technische System hat seine eigenen Regeln, die es zu verstehen und anzuwenden gilt – und das zwingt uns häufig zu immer neuer, häufig schwieriger und mühevoller Einarbeitung. Da ist es kein Wunder, dass wir neuen Systemen mit Widerwillen begegnen. Und dass wir uns immer öfter wünschen, dass eine Maschine uns und unsere Bedürfnisse und Gefühlslage so problemlos versteht wie unser bester Freund.

Einen Sensor für die Intentionen und Emotionen des Nutzers gibt es bislang nicht – das könnte sich allerdings bald ändern: Neurotechnologien bieten die Möglichkeit, über die Messung von Hirnaktivität Nutzerzustände und kognitive Verarbeitungsprozesse zu erfassen. Ist der Nutzer gerade aufmerksam, gestresst oder zufrieden? Solche und weitere Fragen wird man – so die Zukunftsvision – mit Hilfe von Neurotechnologien beantworten können. Und wenn wir diese Informationen einem technischen System zur Verfügung stellen, könnte das System sich besser auf seinen menschlichen Interaktionspartner einstellen. Was wäre das Ergebnis? Wie würde sich mein Arbeitsplatz durch solche neuro-adaptiven Systeme verändern?


Der Mensch im Fokus – dank Neurotechnologien können sich Computer in Zukunft auf Nutzerintentionen- und Emotionen einstellen

»Yippie, mein Computer versteht mich!«

Dank Neurotechnologien und des eingebauten Intentions-Emotions-Sensors weiß mein Computer sofort, dass ich heute Morgen mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden bin. Er begrüßt mich im Büro mit ein paar aufmunternden Worten und zeigt mir die Urlaubsfotos vom Sommer, die mich immer zum Lachen bringen. So starte ich mit besserer Laune und auch gleich viel motivierter in den Arbeitstag – oder etwa nicht? Die schöne neue Arbeitswelt der verständnisvollen Maschinen hat auch ihre Schattenseiten:

Wenn mein Computer weiß, dass ich heute nicht gut drauf bin, sagt er es doch bestimmt gleich meinem Chef weiter? Und wahrscheinlich auch, dass ich mit dem aktuellen Projekt heillos überfordert bin. Leugnen brauche ich mein aktuelles Arbeitstief dann wohl auch nicht mehr – mein Computer, der Kontrollfreak, wird es dem Chef wohl direkt petzen. Und warum sollte ich meinem Computer überhaupt verraten wollen, wie ich mich fühle?

In meinem morgigen Beitrag werde ich skizzieren, wie man einen sinnvollen, menschengerechten Einsatz von Neurotechnologien fördern und somit ein produktives und vertrauensvolles Miteinander von Mensch und Maschine sicher stellen kann: Neurotechnologien nutzerzentriert gestalten – oder bleiben lassen – stay tuned.

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