Die Auftragslage für Logistikunternehmen war dank der boomenden Onlinehändler wie Amazon und Co. so gut wie noch nie zuvor. Vor allem jetzt während der Corona-Krise haben die Menschen viel Zeit für Online-Shopping und das Geschäft brummt – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Luftqualität in den Städten leidet unter den unzähligen Paketzustellungen. Doch daran soll sich nun was ändern: Die Bundesregierung will im Zuge der Klimapolitik eine Verkehrswende herbeiführen und den Ausbau von elektrischen Antrieben vorantreiben – also dafür sorgen, dass es auf den Straßen eben nicht mehr brummt. Die Branche steckt damit in einem heftigen Dilemma: Einen neuen Antrieb einführen, während das Geschäft boomt. Natürlich wirft diese doppelte Herausforderung viele neue Fragen auf: Wie können Logistikunternehmen ihre Zustellfahrzeuge der letzten Meile (also sie Paketzustellung bis zur Haustüre) elektrifizieren? Mit welchen Herausforderungen ist zu rechnen? Gibt es Netzengpässe bei einer hohen Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge an den Betriebshöfen?
Wachstum, aber nicht ohne Umweltschutz!
In Deutschland werden immer mehr Pakete an die Endkunden ausgeliefert. Dieses stetige Wachstum stellt Logistikunternehmen zunehmend vor große logistische Herausforderungen. Zumal die Unternehmen im Kurier-, Express- und Paketsektor (kurz KEP) bereits jetzt große Mühe haben, die Routenführung und den logistischen Betriebsablauf kundenorientiert und zugleich möglichst effizient zu gestalten. Die Tourenverläufe sind dabei auf Gewinnmaximierung und Effizienz getrimmt. Doch nicht nur wirtschaftliche Interessen sollten dabei eine Rolle spielen. Denn Wachstum in der Logistikbranche darf nicht ohne Umweltschutz gedacht werden. Gerade jetzt während der Corona-Krise laufen wir Gefahr, die Ziele im Klimaschutz hintenanzustellen. Doch dies gilt es tunlichst zu vermeiden.
»Saubere Luft in den Städten« lautet ein Apell der Bundesregierung. Um die Luftqualität zu verbessern, müssen in allen Sektoren Maßnahmen ergriffen werden. So sollen auch in Zukunft die Fahrzeuge der KEPs emissionsfrei und leise durch die Straßen summen. Aktuell werden hier meist Dieselfahrzeuge der Fahrzeugklasse N1 (mit zulässigem Gesamtgewicht von 3,5 t) eingesetzt. Es liegt auf der Hand, dass lange Standzeiten bei der Paketzustellung und häufiges Anfahren von Dieselfahrzeugen die Luft und somit die Umwelt und Gesundheit der Menschen stark belasten.
Vor allem in städtischen Ballungsräumen ist die Elektrifizierung der Logistikflotten somit unerlässlich.
Doch welche Herausforderungen gibt es für die KEP-Unternehmen hinsichtlich der Elektrifizierung ihrer Flotten? Ist die Reichweite bisheriger elektrischer Fahrzeuge ausreichend? Welche Touren können jetzt schon elektrifiziert werden? Welche Auswirkungen hat die Elektromobilität auf die Energieinfrastruktur an den Logistik-Depots? Reicht die Netzanschlussleistung aus?
Wie analysiere ich meine Flotte?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, werden in dem deutschlandweiten Forschungsprojekt ZUKUNFT.DE aktuell verschiedene Fahrzeugmodelle mit batterieelektrischem Antrieb getestet. Wir haben mehrere Dieselfahrzeuge im täglichen Zustellbetrieb mit GPS-Loggern ausgestattet, um deren Mobilitätsverhalten zu analysieren und eine erste Verteilung der Tourenlängen der KEP-Unternehmen zur erhalten. In der folgenden Grafik ist zu sehen, welche Tourenlängen mit welcher Häufigkeit gefahren werden und wie einzelne Fahrten in das gesamte Flottenverhalten eingeordnet werden können.
Abbildung 1: Verteilung der Tourenlängen von Zustellflotten (oben: aufgezeichnete reale Touren, unten: simulierter Standort)
Der Fraunhofer IAO Lastprofilgenerator für Logistik-Flotten – so bestimme ich mein Elektrifizierungspotential
Mithilfe erster Ergebnisse im Projekt ZUKUNFT.DE haben wir am Fraunhofer IAO ein Simulations-Tool entwickelt, welches die Umstellung der Fahrzeugflotten auf Elektromobilität im Planungsprozess begleitet – der Lastprofilgenerator (LPG) für Logistik-Flotten.
Für eine individuelle Analyse von KEP-Flotten haben wir eine umfassende Benutzeroberfläche entwickelt, welche die Eingabe operativer, technischer und geographischer Charakteristika ganzer Logistikdepots ermöglicht. Dazu zählen zum Beispiel die Topografie, die Nähe zum städtischen Raum, der genaue Leistungsverlauf der einzelnen Ladekurven oder die Ausprägung spezieller relevanter Jahresabschnitte. Das Tool wurde dabei so konfiguriert, dass eine große Übertragbarkeit gewährleistet wird. Der Nutzer bestimmt durch die manuelle Abfrage verschiedener Parameter das individuelle Mobilitätsverhalten seiner Flotte. Durch weitere Eingabeparameter zu den Fahrzeugen und der Ladeleistung, kann zusätzlich der Ladeverlauf an den Betriebshöfen abgeschätzt werden.
Zusammenfassend kann mit Hilfe des Tools das technisch-betriebliche Elektrifizierungspotential von Zustellflotten aufgezeigt werden. Zudem können individuelle Lastprofile (Leistungsverlauf über die Zeit) der Fahrzeuge erstellt werden, um die Auswirkungen der Ladeinfrastruktur am Betriebshof aufzuzeigen. Somit kann der KEP-Dienstleister künftig bereits in der Planungsphase erkennen, ob der bestehende Netzanschluss ausreichend ist.
Durch unser Tool sollen KEPs zum schrittweisen Umstieg der Zustellflotten auf Elektromobilität ermutigt werden. Innovative Logistikkonzepte und ein Umstieg zur Elektromobilität sind die zentralen Bausteine, um die Schadstoffbelastung durch die Logistikbranche (vor allem) in den Städten zu reduzieren.
In der Veröffentlichung »Delivery routes and charging profiles for electric vehicles in logistics fleets« im Rahmen des 33sten World Electric Symposium and Exposition (EVS33) werden weitere Forschungsergebnisse vorgestellt.
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