Im Zeitalter von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz nimmt die Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine eine Schlüsselrolle ein. Neuroadaptive Technologien versprechen große Potenziale sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis. Im NeuroLab des Fraunhofer IAO arbeiten die Wissenschaftler*innen an der Schnittstelle zwischen kognitiver Neurowissenschaft, positiver Psychologie und künstlicher Intelligenz. Unser Ziel ist es, die zunehmende Intelligenz und den steigenden Grad an Autonomie technischer Systeme konsequent auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Menschen auszurichten.
Dein Team – das unbekannte Wesen: Teamdynamiken und die Effektivität der Zusammenarbeit untereinander sind für viele Führungskräfte und Personalabteilungen nach wie vor eine Blackbox, die schwer eingeschätzt werden kann. Neue, datenbasierte Modelle von virtueller Teamarbeit können jetzt Licht ins Dunkel der verborgenen Teamperformance-Aspekte bringen – und die Verbesserung der Teamarbeit auf ein neues Level heben.
Ob im Büro, in virtuellen Meetings oder bei hybriden Arbeitsmodellen – Teams stehen ständig vor der Herausforderung, effizient und harmonisch zusammenzuarbeiten. Doch wie erkennt man eigentlich, ob ein Team wirklich gut funktioniert? Häufig greifen Unternehmen auf klassische Methoden wie Feedbackgespräche oder Umfragen zurück. Diese liefern wertvolle, aber subjektive Einblicke. Um Teamdynamiken wirklich zu verstehen und zu optimieren, braucht es eine objektivere und datenbasierte Herangehensweise. Hier kommt Hyperscanning ins Spiel – eine Methode, die es ermöglicht, die Zusammenarbeit in Echtzeit messbar zu machen.
Hyperscanning: Mehr als nur eine Momentaufnahme
Unter Hyperscanning versteht man heute den Einsatz vielfältiger Sensorik zur gleichzeitigen Datenaufnahme mehrerer Personen. Dabei werden Mobile EEG-Geräte, fNIRS (funktionelle Nahinfrarotspektroskopie) und multimodale Sensoren von Wearables eingesetzt, um ein Team bei der alltäglichen Arbeit zu begleiten. Diese Technologie erlaubt es, die kognitive und emotionale Abstimmung zwischen Teammitgliedern während ihrer Interaktionen zu analysieren und Teamdynamiken in natürlichen Arbeitsumgebungen zu erfassen – eine neue Dimension der Zusammenarbeitsanalyse.
Welche Daten liefert Hyperscanning?
Während klassische Methoden oft nur individuelle Wahrnehmungen abbilden, zeigt Hyperscanning, wie Teams auf neuronaler, physiologischer und verhaltensbezogener Ebene miteinander interagieren. Der Vorteil: Hyperscanning deckt auch auf, was in Feedbackgesprächen nicht erwähnt wird, teilweise sogar Aspekte, die den einzelnen Teammitgliedern gar nicht bewusst sind. Dadurch erlaubt Hyperscanning das Betrachten von Zusammenarbeit auf mehreren Stufen:
- Neurale Synchronie: Während der sozialen Interaktionen kann man beobachten, dass sich die Gehirnaktivitäten von Personen angleichen. Hohe Synchronie deutet auf starke kognitive und emotionale Abstimmung hin – man ist sprichwörtlich »auf einer Wellenlänge«.
- Physiologische Signale: Herzrate, Hautleitfähigkeit oder Atmungsmuster zeigen, wie sehr sich Teammitglieder in ihren Stress- und Konzentrationszuständen ähneln.
- Körpersprache und nonverbale Signale: Durch Eye-Tracking und Facial-Expression-Analysen lassen sich Interaktionsmuster und emotionale Reaktionen erfassen.
Wann funktioniert ein Team besonders gut?
Erste Hyperscanning-Studien zeigen, dass eine »gut funktionierende Zusammenarbeit« nicht nur eine Frage der allgemeinen Synchronie ist, sondern auch von der Art der Aufgabe abhängt. Aktuelle Untersuchungen aus einer Studie von Zhang et al. (2024) unterscheiden beispielsweise auch auf neuronaler Ebene zwischen zwei Formen von Teamarbeit:
- Collaborative Cooperation (CC): Hier arbeiten alle Teammitglieder eng an derselben Aufgabe. Das korreliert mit einer hohen neurale Synchronie und einem besseren Gruppenzusammenhalt, da alle Beteiligten stark in den gemeinsamen Denkprozess eingebunden sind.
- Division of Labor Cooperation (DLC): Hier werden Ziele in einzelnen Teilaufgaben zwischen Teammitgliedern aufgeteilt. Effiziente Teams zeigen hier weniger Gleichlauf in ihren Gehirnaktivitäten, da sie sich auf ihre jeweiligen Teilaufgaben fokussieren.
In der Praxis wechseln Teams oft dynamisch zwischen beiden Kollaborationsformen. Ein wirklich gut funktionierendes Team zeichnet sich daher nicht nur durch Synchronie in einer einzelnen Arbeitsweise aus, sondern auch durch die Fähigkeit, flexibel zwischen beiden Modi zu wechseln und sich dabei effizient aufeinander abzustimmen.
Fazit: Warum Hyperscanning die Zukunft der Teamanalyse sein könnte
Die Art und Weise, wie wir Zusammenarbeit verstehen, verändert sich. Während Fragebögen und Interviews statische Momentaufnahmen liefern, erfasst Hyperscanning, Teamarbeit als dynamischen Prozess. Indem man Teams nicht nur beobachtet, sondern ihre internen Synchronisationsmuster analysiert, lassen sich Arbeitsabläufe gezielter optimieren.
Eine datenbasierte Herangehensweise an Teamdynamiken könnte die Tür zu effektiveren, harmonischeren und produktiveren Arbeitsmodellen öffnen. Hyperscanning steht noch am Anfang seiner Anwendungsmöglichkeiten – doch die Erkenntnisse sind jetzt schon vielversprechend.
In den nächsten Beiträgen dieser Blogreihe werfen wir einen genaueren Blick darauf, wie positive Erlebnisse und Flow in Gruppen entstehen und welche Prozesse des Gehirns eine Rolle bei effektiver Zusammenarbeit spielen.
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