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Der demografische Wandel für Unternehmen beginnt jetzt

»Den demografischen Wandel gestalten« – IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2013: »Die demografische Chance«

Glaub keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. In dieser Klage eines Unbekannten schlummert ein Körnchen Wahrheit. Die Bevölkerungsstatistik wurde sicherlich nach bestem Wissen und Gewissen korrekt erstellt. Allein: Wie diese Statistik ausgewertet wird, ist zweckspezifisch und kann nicht einfach von einem Gebiet auf andere übertragen werden. Beispielsweise erwarten Politik und Krankenkassen keine einschneidenden Probleme, denken dabei aber hauptsächlich an die Finanzierung von Renten und Gesundheitswesen. Auf die Unternehmen dagegen werden als Folge des demografischen Wandels enorme Probleme zukommen.

Bereits heute spüren Unternehmen das Altern der Belegschaften an Einsatzeinschränkungen (z.B. keine Nachtschicht) und Krankheitstagen. Die Bevölkerungsstatistik macht deutlich, dass das Durchschnittsalter weiter steigen wird. Außerdem zeigt sie, dass ein dramatischer Fach- und Arbeitskräftemangel kurz bevor steht. Unverkennbar ist auch, dass die geburtenstarken Jahrgänge in kurzem Zeitraum die Unternehmen verlassen werden. Mit ihnen geht viel Wissen und Erfahrung. Zwar ist jedes Unternehmen im Detail anders, aber von der Bevölkerungsstruktur kann sich niemand abkoppeln.

Unternehmerische Verantwortung bedeutet, sich rechtzeitig auf den demografischen Wandel vorbereiten. Ein kurzer Blick auf die Bevölkerungsstatistik deckt die Handlungsbedarfe auf. Grundlegende Auswertungen sind zum Glück schnell und einfach möglich und bereits wenige Zahlen verdeutlichen die Situation.

Zahlenspiele rund um die Alterpyramide – dramatischen Folgen für Unternehmen

Heute sind knapp 50 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter. Ihre Zahl wird nach 2020 deutlich zurückgehen und 2035 nur noch etwa 40 Millionen betragen. Diese Prognose bezeichnet das Statistische Bundesamt als Obergrenze für die Bevölkerung Deutschlands und unterstellt dabei bereits eine sehr hohe Zuwanderung von 200 000 Personen im Jahr. Was bedeutet das Schrumpfen der erwerbsfähigen Bevölkerung für die Unternehmen in Deutschland?

Eine wichtige Darstellung der Bevölkerungsstatistik ist die so genannte Alterspyramide (Abbildung). Sie zeigt für jeden Jahrgang auf, wie viele Menschen in Deutschland leben. Nach oben sind die einzelnen Jahrgänge aufgetragen, die Breite zeigt die Anzahl Menschen je Jahrgang. Die Alterspyramide zeigt beispielsweise dass in Deutschland heute 1,43 Mio 50jährige Menschen (Männer und Frauen zusammen) leben aber nur 0,66 Mio Neugeborene.


Abbildung: Altersmäßige Verteilung der Menschen in Deutschland im Jahr 2013 © Statistisches Bundesamt

Der Bereich zwischen 20 und 65 Jahren kennzeichnet das erwerbsfähige Alter. Die Breite der 65er Linie zeigt, wie viele Menschen das Erwerbsalter dieses Jahr verlassen, die 20-er Linie verdeutlicht, wie viele Menschen nachkommen. Im Jahr 2013 scheiden etwa 0,90 Mio Menschen aus und nur 0,83 Mio kommen nach. Ab 2013 schrumpft also die erwerbsfähige Bevölkerung, das werden die Unternehmen als Arbeits- und Fachkräftemangel deutlich spüren. Zwar wird die Schrumpfung, bezogen auf die Gesamtbevölkerung bzw. die Belegschaft eines Unternehmens, zunächst nur wenige Prozent ausmachen. Diese Durchschnittsbetrachtung verschleiert aber die tatsächlichen Probleme.

Ins Auge springt der dicke Bauch der Alterspyramide bei den 55- bis 40-jährigen. In zehn Jahren, also im Jahr 2023, werden diese geburtenstarken Jahrgänge zwischen 65 und 50 Jahren alt sein und beginnen, in Rente zu gehen. Im recht kurzen Zeitraum von nur 15 Jahren werden weit überdurchschnittlich viele Beschäftigte die Unternehmen verlassen. Das reißt kapazitive Lücken. Im Jahr 2023 werden etwa 1,2 Mio Menschen das erwerbsfähige Alter verlassen. Die heute Zehnjährigen werden ins Berufsleben einsteigen. Das sind selbst bei starker Zuwanderung maximal 0,9 Mio Menschen. Unternehmen müssen sich also auf einen dramatischen Fach- und Arbeitskräftemangel einstellen. Gleichzeitig reißt dieser rapide Generationswechsel auch Lücken in Know-how des Unternehmens, denn mit den geburtenstarken Jahrgängen verlässt viel Wissen und Erfahrung das Unternehmen.

Der demografische Wandel in der Belegschaft der Unternehmen wird sich nach dem Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben, also gegen 2035, stark verlangsamen. Die Menschen, die dann ins erwerbsfähige Alter kommen, sind heute noch gar nicht geboren. Vielleicht gelingt es in einer gemeinsamen Anstrengung der gesamten Gesellschaft, die Geburtenzahlen wieder zu steigern. Die Unternehmen können hierbei eine wichtige Rolle spielen, indem sie Perspektiven für zukünftige Generationen schaffen und dazu beitragen Familie, Freizeit und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

Statt jetzt ins Träumen zu kommen, möchte ich mich lieber einem nahe liegenderen Thema widmen. Wie können sich Unternehmen auf den demografischen Wandel vorbereiten, um Facharbeitermangel, Generationenwechsel und Überalterung rechtzeitig zu begegnen? Lesen Sie in Kürze mehr zu diesem Thema hier im IAO-Blog.

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Axel Korge

Axel Korge hat das Institut verlassen.

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