Wir alle generieren jederzeit Daten – sei es, wenn wir uns mit Handy in der Tasche bewegen, dem Shoppingwahn 3 Uhr Nachts am Heimcomputer erliegen oder uns an irgendeinem Ticketautomaten eine Fahrt ins Nirgendwo buchen. Auch wenn der Umgang mit diesen Daten in letzter Zeit ab und an Teil des gesellschaftlichen Diskurses war, so wissen wir Endanwender und Nutzer dennoch weitestgehend überhaupt nicht, was mit unseren Daten passiert. Einig sind sich jedoch die meisten Menschen darin, dass die Daten sicher nicht zu unserem Besten gesammelt werden. »Die können uns dann gezielter Dinge verkaufen! « ; »Die wollen einfach nur alles über dich wissen!«; »Die spionieren dich aus!«. Typische Sätze, die man von Menschen hört, die meist auch gar nicht genau sagen können, wen sie mit »Die« meinen.
Daten sammeln selbstgemacht: User-generated content (UGC)
Diesem Phänomen des Nichtwissens, was mit welchen Daten passiert und zu wessen Nutzen sie erhoben werden, tritt in seit einigen Jahren ein neues Konzept entgegen. Der sogenannte User-generated content (UGC) oder auch Nutzer-generierte Inhalt will Informationen gezielt von Nutzern sammeln lassen. Nicht aber ohne deren Zustimmung und hinter verschlossenen Türen. Vielmehr werden Zweck und Nutzen der Erhebung klar kommuniziert, in der Hoffnung, so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Die Ansätze sind dabei sehr unterschiedlich und reichen von bloßer Kommentarerfassung bis hin zur vollautomatischen Erfassung von Umgebungsinformationen wie beispielsweise der Luftqualität (z.B. Air Quality Egg). Funktioniert das? Und wie! Die Straßen der Welt wurden kartographiert (z.B. Open Street Maps), Fruchtbäume im öffentlichen Raum wollen abgeerntet werden (vgl. Mundraub), die Spreu trennt sich vom Weizen – ob bei der Restaurantwahl auf Yelp, der Arztwahl Jameda oder der Hotelsuche auf Tripadvisor – alles dank freiwilliger Inputs von Nutzern. Auch dieses Wikipedia ist dem ein oder anderem sicherlich bekannt.
Es zeigt sich: Menschen erfassen und teilen ihr Wissen gern. Der Anlass hierfür ist zumeist ein gewisses Eigeninteresse. Manch einer will der Welt ganz uneigennützig freien Zugang zu Straßenkarten ermöglichen, der andere erhofft sich vielleicht lediglich die beste Vegane Bratwurst am Ort zu finden. Eines eint Sie jedoch alle: Sie nutzen digitale Endgeräte, um Wissen direkt vor Ort abzugreifen und zu generieren – und zwar genau dann, wenn sie Lust dazu haben. Städte in der nördlichen Hemisphäre erkennen die Möglichkeiten solcher Anwendungen bereits und stellen allerlei Stadtportale bereit, um beispielsweise Schadensmeldungen für Straßen und Infrastruktur zu erfassen (e.g. FixMyStreet). Das minimiert nicht nur Monitoring und Pflegeaufwand, sondern ermöglicht ein direktes Feedback zur Bevölkerung – ganz im dem Sinne »die Stadt tut etwas für SIE!«.
User-generated content in Entwicklungsländern – Gibt’s das? Braucht man das?
Man ist sich einig: UGC ist eine smarte Lösung, um Daten zielgerichtet und transparent zu erheben. Und obwohl wir mehr und mehr von Chancengleichheit sprechen können, was mobile Kommunikationsmittel angeht – mittlerweile hat jeder zweite Mensch in Entwicklungsländern einen mobilen Breitbandanschluss – scheinen Entwicklungsländer bei beim UGC hinterherzuhinken. Viele Projekte zeigen, was auch hier mit dieser Technik und adäquaten Herangehensweisen möglich ist. Ushuaidi hilft, im Fall von Katastrophen Schadenslagen zu erfassen, Epitrack versucht den Ausbruch von Seuchen möglichst schnell zu erkennen und die Rodung von Wäldern können Freiwillige über GlobalForestWatch dokumentieren. Eine MIT Projektgruppe des Civic Data Design Labs verfolgt interessanten Ansatz, lokale Bewohner in der Anwendung von Plattformen zu schulen, die das Erfassen von UGC ermöglichen. So können Inhalte erhoben werden, die der Bevölkerung vor Ort zugutekommen und nutzen. Im Rahmen dieses Projektes konnte beispielsweise für Nairobi eine Karte des ÖPNV-Netzes verwirklicht werden – Digital Matatus wäre ohne UGC nicht möglich gewesen.
Die Städte unserer Breitengrade haben mittlerweile erkannt, wie sie UGC zu ihren Gunsten nutzen können. In Entwicklungsländern erscheinen die Potenziale sogar noch viel größer, da Städte hier bei begrenzten Mitteln noch viel schwerwiegendere Probleme zu lösen haben. Eine Plattform wie Mundraub könnte den ein oder anderen hungernden Magen füllen und getrackte Busse und Taxis könnten helfen, das Verkehrschaos in Megastädten in Grenzen zu halten. Es ist nun unsere Aufgabe, diese Möglichkeiten in Städte in Entwicklungsländern zu tragen, damit sie auch dort dabei helfen können, das Leben lebenswert zu machen.
Leselinks:
- Alle Blog-Beiträge zu »Smart Cities«
https://blog.iao.fraunhofer.de/tag/smart-cities/ - ICT Facts and Figures (.pdf) www.itu.int