Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?
IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt
„Die Welt gehört denen, die zur Eroberung ausziehen, bewaffnet mit Sicherheit und guter Laune.“ – Charles Dickens
Und da standen wir, im Auditorium des ZVE. Bewaffnet mit Tablets, Notebooks, Sensoren, 3D-Drucker, Open Data, dem Selbstbewusstsein eines Felix Baumgartners und der Zuversicht, unsere Stadt an diesem Wochenende ein Stück lebenswerter zu gestalten.
Pitchen wie Nolan Ryan
Bereits in den Lightning Talks zeichneten sich die Tatkraft und das Herzblut der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab. Die Kurzvorträge – eigentlich als kleine Anregungen gedacht – entwickelten sich zu lebendigen Diskussionen, die nur mit nachdrücklicher Mühe (und dem entscheidenden Argument, dass das Mittagessen sonst zu verschieben sei) auf die Pitching Session verlegt werden konnten. Wie bei einer Pitching Session im Baseball, wo der Werfer (Pitcher) in schneller Abfolge dem hockenden Catcher (Fänger) die Bälle zu Übungszwecken entgegenschleudert, schleuderten auch die Pitcher des Hackathons ihre Ideen in das Publikum.
Von Polygonen und regionalen Bauern
Zwei Vorschläge beschäftigten sich – inspiriert durch die Freiheit und Spontaneität des Flanierens – mit unkonventionellen Möglichkeiten der Stadtentdeckung. Der ersten Idee lag das Konzept zugrunde, interessante Gebiete in der Stadt durch Polygone (statt einer klassischen Kartenansicht) in einer App zu visualisieren. Die zweite Idee beschrieb eine Plattform für Detailfotografie von Sehenswürdigem in Stuttgart. Der Gedanke dahinter: An Stelle eines Bildes, das ein Objekt (z.B. das Teehaus an der Weinsteige) ganzheitlich erfasst, kann jeder Besucher seinen eigenen Blick in Form individueller Fotos bereitstellen. Die Summe der Bilder der verschiedenen Fotografen charakterisiert das Objekt auf eine einzigartige, persönliche Weise. Ebenfalls kartografisch orientiert war der Entwurf, die Lebensqualität in Stuttgart darzustellen. Anhand auswählbarer Parameter (Luft-/Wasserverschmutzung, Mietpreise, Verkehr, Lärmbelastung, Kitas uvm.) können so die vielversprechendsten Gegenden ausfindig gemacht und z. B. bei der Wohnungssuche näher betrachtet werden. Beim Vorschlag des »Leerstandsmelders« handelte es sich nicht um einen Prototypen, der den Leerstand einer Bierflasche meldet und die nächste Bestellung automatisch an den Kellner leitet (Hack Your Bar), sondern um eine Anzeige, die auf seit langer Zeit leerstehende und ungenutzte Gebäude aufmerksam machen soll. Und dann war da noch die Idee mit der Ruhe. Dass Ungestörtheit ein seltenes und kostbares Gut ist, weiß man in Stuttgart nicht erst seit den Montagsdemonstrationen. Wer sich in der Innenstadt einfach mal von der Alltagshektik erholen möchte, für den sollte es – so der Einfall – attraktive Rückzugsräume geben. Darüber hinaus entstand die Idee einer Plattform für regionale Lebensmittelversorgung, auf der lokale Erzeuger und Verbraucher Bedarf und Angebot kommunizieren.
Und die Projekte sind…
Nachdem sich die Teilnehmer auf drei Projekte aufgeteilt hatten, machten sie sich an die Konzeption und Umsetzung. Das Urban Living Lab, Showcase der zukünftigen digitalisierten Stadt, bot für die nächsten beiden Tage das zu Hause der Stadthacker: Hacken, Pizza, ein Bier am Abend (es war schließlich Samstag) und eine magische Zwischenpräsentation – bis Mitternacht wurde entwickelt; am Sonntagmorgen ging es frisch weiter. Am Ende stellten die Teams ihre Ergebnisse dem Publikum und der Jury (es gab Preise zu gewinnen) vor:
- Rückzugsräume in der Stuttgarter Innenstadt. Nach außen hin Kunstobjekte, dienen diese Räume als freundliche Rückzugsmöglichkeiten, um sich für ein paar Minuten aus dem Alltag auszuklinken.
- LIME (LIfe MEmories). Eine, nein die App für Detailfotografie zur Erkundung und Entdeckung der Stadt; Im groben die Verwirklichung der Idee aus der Pitching Session.
- City Card. Von den jüngsten Teilnehmern entwickelt, begleitet die App die Bürger oder Touristen bei der Erkundung der Stadt, indem sie den Weg dokumentiert. Durch Push-Benachrichtigungen (können auch erst im Nachhinein verfolgt werden) erhält der Flaneur aktuelle Hinweise über seinen Standpunkt (Zeitgeschichtliche Ereignisse, Öffnungszeiten, Veranstaltungen an diesem Tag oder Werte über die Luftverschmutzung).
Durch Mitgestaltung zur Teilhabe
Warum haben wir Hack Your City Stuttgart überhaupt veranstaltet?
Hack Your City Stuttgart ist eine moderne Form der Bürgerbeteiligung. Oder in den Worten von Yannick Haan (Wissenschaft im Dialog) und Stefan Höffken (Urbanophil): »Langfristiges Ziel ist es, eine engagierte Community aufzubauen, die selbst Projekte vorantreibt. Hack Your City will den Teilnehmenden Räume geben, um sich mit der eigenen Stadt auseinanderzusetzen, um mit der eigenen Stadt zu experimentieren, um aber auch die eigene Stadt zu verändern. Schlussendlich sollen die Menschen dazu befähigt werden, mithilfe von Technik mehr über die Stadt zu erfahren und sie aktiv mitzugestalten. Die Bürger sollen von stillen Bewohnern der Stadt zu ihren Teilhabern werden.«
Zu guter Letzt
Stadtentwicklung funktioniert nur, wenn sie nachhaltig ist. Daher haben die Teams die Möglichkeit, ihre Projekte nach dem Hackathon fortzuführen. Im OK Lab Stuttgart wird das kollaborative Arbeiten durch Infrastruktur und Ressourcen gefördert.
Credits
Alle Fraunhofer IAO-Kolleginnen und Kollegen, die uns auf die eine oder andere Weise unterstützt haben; moovel lab; unsere Jury: Dr. Eileen Mandir, Kathleen Fritsche, Prof. Ansgar Gerlicher, Steffen Braun; Wissenschaft im Dialog; OK Lab Stuttgart; Samsung; Sonntagmorgen; Startup Stuttgart; Leancamp, BW Bank, Herrn Joe Bauer und natürlich herzlichen Dank an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Leselinks:
- Stuttgart für alle, alle für Stuttgart (Teil 1)
https://blog.iao.fraunhofer.de/stuttgart-fuer-alle-alle-fuer-stuttgart-teil-1 - Hack Your City Stuttgart – moovel lab Blog
http://lab.moovel.com/blog/hyc-stuttgart
Weitere Informationen zu HACK YOUR CITY finden sich hier:
hackyourcity.de