Warum kosten Rasierer nahezu nichts, Rasierklingen jedoch ein kleines Vermögen? Wie können Mobilfunkanbieter Handys für 1 Euro anbieten, die regulär im Elektro-Handel 499 Euro kosten? Warum gibt es in Fitnessstudios Premium Tarife mit Personal Trainer, Getränkeflatrate und unbegrenzter Spa-Benutzung, wenn die meisten Mitglieder nur in den ersten zwei Wochen des Jahres trainieren? Viele Fragen – eine simple Antwort: hinter all diesen Fällen stecken relativ einfache Leistungen. Im Bereich der Gesundheitsprävention finden wir häufig die umgekehrte Konstellation: sehr anspruchsvolle Leistungen, aber z.T. simple Geschäftsmodelle. Der Blick über den Tellerrand der eigenen Branche auf die Geschäftsmodelle anderer kann also hier wirklich etwas bewirken.
Geschäftsmodellierung– an welchen Schrauben lohnt es sich zu drehen?
Die geschilderten Beispiele weisen große Unterschiede beim Preis- bzw. Erlösmodell sowie dem eigentlichen Nutzenversprechen auf. Im Bereich der Gesundheitsprävention können gleiche Leistungen mit sehr unterschiedlichen Geschäftsmodellen umgesetzt werden. Für den Kunden entstehen dadurch nicht nur neue Wahlmöglichkeiten, sondern mitunter sogar neue Wege der Bedürfnisbefriedigung. Für den Anbieter entstehen neue Verdienstmodelle. Bei der Gesundheitsprävention können diese neuen Möglichkeiten in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Lifestyle platziert und gestaltet werden. Dabei macht es absolut entscheidende Unterschiede, ob durch den Einsatz von Technologie vorrangig der Bereich Sicherheit oder der Bereich Lifestyle angesprochen werden soll. Ein GPS basiertes Ortungssystem bietet dem Kunden beispielsweise einen völlig anderen Nutzen, wenn es eingesetzt wird, um demenzkranke Personen zu »überwachen« oder einem Freizeitläufer als Tracking-System dient – obwohl die Technologie identisch ist! Eigentlich wenig überraschend, da die Zielgruppen sich drastisch unterscheiden: erkrankte Personen/Patienten auf der einen, gesunde, sportliche Menschen auf der anderen Seite. Diese werden mit völlig verschiedenen Nutzenversprechen angesprochen (»Uns läuft keiner davon und falls doch, holen wir sekundenschnell Hilfe!« vs. »Dokumentieren Sie Ihr Training schnell und bequem am Computer«). Zwei sehr unterschiedliche Wege führen also zum Ziele und ein erfolgreiches Geschäftsmodell muss sich auf beide Zielgruppen einstellen. Oder zumindest entscheiden, für welche.
Typisch Gesundheitswesen: Gefühlte und reale Preise
Bei den Preismodellen wurde eingangs das »follow the free« Prinzip beschrieben: ein Teil des Angebots wird verschenkt. Dieser Teil ist allerdings nicht alleine für sich nutzbar. Dennoch eliminiert er eine entscheidende Einstiegshürde. Der Konsument ist involviert, eine Erwartungshaltung erzeugt und die Schwelle zum Kauf entsprechend niedrig. Lässt sich dies in den Bereich der Gesundheitswirtschaft übertragen? Warum nicht innovative technische Hilfsmittel »kostenlos« verteilen und diese Kosten dann über monatliche Gebühren für Dienstleistungen wieder refinanzieren? Kostenloser Verleih von NordicWalking Stöcken bei mindestens einmal wöchentlicher Teilnahme an der Walking Gruppe. Monatsgebühr 19,95 EUR? Oder umgekehrt: kostenloser web-basierter Service (Gesundheitsportal mit Dokumentation, Tipps & Tricks, Community), finanziert durch den Verkauf von elektronischen Geräten sowie Werbeeinblendungen bei einmaligen Kosten von 29,99 EUR? Diese Beispiele finden sich in dieser bzw. ähnlicher Form bereits am Markt. Welche kommen als nächstes?
Preismodelle, die mit Premium-Angeboten und/oder Flatrates arbeiten, machen sich psychologische Phänomene zu nutze. Wer will schon »Standard«, wenn er für »nur« 4,99 EUR mehr »Premium« bekommt? Kühle Rechner entscheiden anhand der reinen Zahlen und wahrscheinlichem Nutzungsverhalten. Aber bei Premium entscheidet nicht (nur) die Ratio sondern die Emotion. Diese ist es auch, die uns vor Pauschalen zurückschrecken lässt, Flatrates aber zu wahren Magneten macht.
Warum ein gutes Produkt nicht automatisch erfolgreich ist
Wer sich auf reine Magie verlässt (»irgendwer kauft meine Angebote bestimmt«) wird im Gesundheitswesen sicher nicht den Erfolg haben, den derjenige erzielt, der strukturiert sein Geschäftsmodell entwickelt. Die offensichtlichsten Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich beim Preis, bei der Wahl des Kundensegments und beim Angebot/Nutzenversprechen selbst. Welche Player sich auf diesem Feld in Zukunft tummeln werden, bleibt abzuwarten. Allerdings: die (scheinbar) etablierten Anbieter müssen sich von ambitionierten »Quereinsteigern« wie bspw. Google oder Microsoft in Acht nehmen.