Das Business Innovation Engineering Center (BIEC) möchte kleine und mittlere Unternehmen in Baden-Württemberg bei ihren Digitalisierungsmaßnahmen unterstützen und so die Innovationsfähigkeit im Mittelstand steigern.
Digitalisierung schafft Transparenz, Wettbewerb, Anbieterunabhängigkeit, Servicezugang zu jeder Zeit und direkte Auftragsweitergabe für Mittelständler. Doch das eigentliche Potenzial der Digitalisierung liegt woanders: Wer Vorhandenes einfach 1:1 vom Papier auf ein Display überträgt, verliert viel Zeit und Energie und verpasst die wahre Chance der Digitalisierung: etablierte oder wie es so schön heißt »gewachsene« Unternehmenslösungen und Prozesse neu zu denken.
Eine Plattform ist nicht automatisch ein soziales Netzwerk, sondern viel mehr die Basis für innovative Lösungen. (© Fraunhofer IAO)
Systemische Blockaden lösen
Eine systematische Digitalisierung der Wertschöpfung schafft einen schnellen, »barrierefreien« Informationsfluss von der Kundenansprache bis zu Abschluss, Lieferung und Bezahlung. Doch die digitale Realität vieler Betriebe sieht heute noch anders aus: Informationen werden mit Papierformularen hinterlegt, Schnittstellen und die Integration in die IT sind nicht oder nur unzureichend vorhanden, für die Dokumentation in Betriebsprozessen wird auf Hilfsmittel wie Excel zurückgegriffen, relevante Informationen zu einer Tätigkeit müssen über mehrere Systeme zusammengesucht werden, unterschiedliche IT-Systeme laufen nebeneinander auf den Panels, machen Dateneingaben zu aufwändigen und komplexen Aktionen und schaffen vor allem eines: wiederkehrende Frustrationspunkte bei denen, die die Anwendungen bedienen müssen (mangelnde Usability). Dabei bietet die Digitalisierung gerade für diese alltäglichen »Pain-Points« einfache und pragmatische Lösungen. Oft lassen sich passende kleine Helfer implementieren, die im Unternehmensalltag große Hilfe leisten und auch hohes Einsparpotenzial bieten können, ohne dass dafür die gesamte IT-Landschaft umgekrempelt werden muss.
Prozesse intelligenter machen
Bleiben wir bei unserem Beispiel aus dem ersten Beitrag dieser Blogreihe: Ein Getränkehersteller hat systemische Barrieren in seiner Wertschöpfung identifiziert und hat mit kleinen Verbesserungen begonnen. Dazu war es notwendig, sich die Situation vor Ort anzusehen, die Handlungsfelder mit der größten Wirkung und die »Quick Wins«, sprich die schnellen Lösungen mit dem geringsten Aufwand auszumachen. Als eine solche schnelle Lösung fiel beispielsweise auf: Ein Mitarbeiter überwacht mehrere Maschinen und hat zu verschiedenen Zeitpunkten der Schicht verschiedene Aufgaben zu erledigen. Wann er wo etwas zu tun hat, erfährt er erst an jeder Maschine. Ein neues »HMI-Bild« das ihm an einer Maschine alle notwendigen Informationen zusammenzufasst, macht in Zukunft umständliches Suchen überflüssig, weil der Anwender jederzeit den vollen Überblick über den Status des gesamten Prozesses hat. Damit verbessert sich nicht nur der Informationsfluss und der gesamte Ablauf, sondern auch die Arbeitssituation und -zufriedenheit des Mitarbeiters, der nicht mehr das »menschliche Zahnrädchen« im großen Getriebe fungiert, sondern selbst den Prozess steuert und strukturiert.
Im Zuge der Plattformeinführung hat unser Getränkehersteller direkt einige bisher analoge Prozesse digitalisiert, verknüpft und optimiert. Die meisten Bestellungen kommen digital herein und werden zusammen mit den prognostizierten Absatzzahlen in der Produktion transparent besprochen. Die Produktion wird entsprechend erhöht oder gesenkt. Auch die Wartung der Maschinen, die Nachbestellung der Zutaten oder der Transport können so frühzeitig veranlasst werden und betrieblicher Leerlauf oder Staus an einzelnen Stationen der Wertschöpfungskette werden durch die bessere Prozesskoordination und Überwachung vermieden.
Chancen erkennen?
Digitale Lösungen werden leider häufig am Menschen vorbei implementiert, ohne das eigentliche Problem anzupacken. Oftmals werden einzelne Elemente oder Funktionen, wie z.B. Auftragsdokumente, getrennt von anderen wichtigen Teilen (z.B. einer Qualitätsprüfung) einer Produktion oder Prozesses betrachtet – mit Konsequenzen, die wiederum die Beschäftigten »ausbaden« müssen: der Mitarbeitende kann zwar den Auftrag digital auf einem Tablet steuern und verfolgen, aber die restlichen Arbeiten finden in anderen Programmen, anderen Stationen oder wieder analog statt. Das Abschreiben oder Kopieren von Auftragsnummern oder anderen Informationen führt zu Fehlern und Mehraufwand und macht die gewonnenen Vorteile durch das Digitalisierungsprojekt wieder zunichte. Digitalisierung muss nicht alles auf einmal lösen. Ein Projekt kann, richtig zugeschnitten, klein beginnen und Schritt für Schritt wachsen. Es ist wichtig zu wissen, wo die größten Optimierungspotenziale schlummern und welche zwingend miteinander verknüpft sind.
Gerade jetzt können Sie sehr viel Feedback zu Ihren Prozessen und Anwendungen erfassen, um Ihre Tools zu verbessern oder neue innovative Arbeitsmittel zu schaffen. Die Fragen, welche Herausforderungen besonders hoch zu priorisieren sind, welche Methoden die richtigen sind, wie innovative Konzepte aussehen, welche Technologien in Zukunft auf uns zukommen, wird durch anwendungsorientierte Forschung beantwortet.
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