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Schafft das »perfekte« Mobilitätssystem eine unfitte Bevölkerung?

IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015: »Zukunftstadt«

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus?
IAO-Blogreihe zum Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt
Teil 1: Die bewegte Stadt

Das Ideal unserer Mobilität ist schnell, umsteigefrei und möglichst ohne Fußwege: Mit dem Auto zum Fitnessstudio, am besten den Parkplatz ganz vorne gleich neben dem Eingang bekommen. Dann fünf Kilometer auf dem Laufband und noch ein paar Kraftübungen, vielleicht ein Aerobic-Kurs in der Woche mit antreibender Musik unterlegt und ab geht’s wieder nach Hause – mit dem Auto, versteht sich. So sieht das Fitnessprogramm vieler aktiver Menschen aus. Im Alltag werden der Fahrstuhl oder die Rolltreppe genutzt, lieber das Auto statt des Fahrrads gewählt und Spazierengehen wird zum echten Event. Wir klammern das implizite Fitnessprogramm des Alltags aus unserer Mobilität aus – und das hat Folgen:

Fehlende Bewegung im Alltag macht uns krank

Die Deutschen sind die Nation mit den meisten Übergewichtigen in Europa, was nicht allein auf falsche Ernährung zurückzuführen ist, sondern auch auf die steigende Lebenserwartung (hierzu mehr in einem meiner nächsten Beiträge). Auch fehlende Bewegung im Alltag trägt dazu bei. Schreibtischjobs – die einen immer größeren Anteil in Deutschland bestreiten – fördern bei fehlendem Ausgleich chronische Krankheiten wie bspw. Rückenschmerzen. Körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren ist für die meisten Menschen weiterhin eine Herausforderung. Diät-Rezepte und Trainingspläne funktionieren deshalb als Lockangebote für den Kauf von Zeitschriften. Seit neuestem sprießen Angebote wie on-demand Online-Fitnessvideo-Plattformen oder Apps, die Schritte-Battles unter Freunden, Kalorientagebücher oder das Tracking von sportlichen Aktivitäten anbieten, aus dem Boden. Doch braucht man all das tatsächlich, um fit zu sein?

Fit durch den Alltag

Man muss kein Fitness-Studio besuchen, um sich fit zu halten. Auch mit kleinen Maßnahmen kann man im Alltag Großes erreichen: mal aufs Fahrrad zu steigen oder zu Fuß zu gehen statt ins Auto zu sitzen hilft schon. Auch die Rolltreppen und Fahrstühle zu meiden und stattdessen Treppen zu steigen fördert die Fitness. Ein paar einfache Tricks helfen dabei, über eingeschlichene Muster nachzudenken und die eigene Bequemlichkeit zu überwinden: Untersuchungen zeigen z.B., dass Menschen sich zur Nutzung der herkömmlichen Treppe entscheiden, wenn neben der Rolltreppe ein Schild angebracht ist, auf dem steht: »Heute schon was für die Gesundheit getan?«. Auch das bewusste Platzieren des Fahrrads am Hauseingang soll ein schlechtes Gewissen verursachen, dass Menschen in der Wahl ihrer Verkehrsmittel beeinflusst. Im Volksmund heißt es, eine neue Gewohnheit zu erlernen, benötige ca. einen Monat der bewussten Entscheidungen. Doch um mich bewusst zu entscheiden, muss ich erst einmal darauf aufmerksam gemacht werden, welche umfassenden Konsequenzen mein aktuelles Verhalten für meine körperliche Verfassung zur Folge hat.

Alltagsfitness: There’s no App for it

Was aktuellen App-Lösungen fehlt, ist der Fokus auf nachhaltige, d.h. auch gesunde, Lebensweisen anstatt nur auf Fitness. Häufig wird bei der Installation bestehender Apps bereits vorausgesetzt, dass der Nutzer Interesse an seinem Verhalten hat, dieses analysieren und optimieren möchte, ganz im Sinne des Self-Optimization-Trends. Wer daran allerdings kein Interesse hat, erhält kein Feedback und somit keine Chance auf Reflektion der eigenen Lebensweise. Die Integration von Gesundheits- und Nachhaltigkeits-Fragestellungen in eine Routenplanungs-App erscheint in diesem Rahmen wesentlich sinnvoller, da diese auch Nicht-Fitness-Freaks nutzen. Ein Umdenken anzustoßen, indem alternative Routen angezeigt werden oder das Mobilitätsverhalten wöchentlich ausgewertet wird, ist ein erster Schritt zu einer gesünderen Bevölkerung. Wie Menschen in einem Folgeschritt dazu motiviert werden können, ihr Verhalten zu verändern, werde ich in meinem nächsten Blogbeitrag behandeln.

Ein Hinweis noch zum Schluss: vielleicht seid ihr ja schon vorbildlich, was nachhaltige Mobilität betrifft? Oder ihr kennt »Heldinnen und Helden der neuen Mobilität«? Dann freue ich mich auf eure Kommentare im Blog und empfehle eine Bewerbung unter www.neue-mobilitaet-bw.de/mitmachen/landesauszeichnung-heldinnen-und-helden-der-neuen-mobilitaet!

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