In unserer Blogreihe »Ko-Kreation und Innovation« gehen wir der Frage nach, warum es mehr Perspektivenvielfalt im Innovationsprozess braucht, was Ko-Kreation eigentlich ist und welche Mehrwerte sie Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen bietet. Wir sprechen über die Voraussetzungen, die für erfolgreiche Ko-Kreation erforderlich sind und darüber, wie man unterschiedliche Menschen erreicht und motiviert, um sich und ihre Perspektiven in Innovationsprozesse einzubringen. Unser Ziel dabei: Den Innovationsstandort Deutschland stärken!
Ob Gender Data Gap, die »männliche Stadt« oder diskriminierende KI: Diese und viele weitere aktuell diskutierten Schlagworte verdeutlichen, dass wir in einer Welt leben, die teilweise nur für einen Bruchteil der Bevölkerung gemacht zu sein scheint. Essenzielle Bedürfnisse von verschiedenen Bevölkerungsgruppen werden in der Entwicklung von neuen Produkten, Dienstleistungen als auch infrastrukturellen oder städtebaulichen Projekten nicht in vollem Umfang beachtet, beispielsweise hinsichtlich der Barrierefreiheit oder der Benachteiligung von Frauen und ethnischen Minderheiten. Der Grund ist häufig, dass viele Nutzerperspektiven bei der Entwicklung schlichtweg nicht im Fokus stehen. Wenn wir gesellschaftliche Konflikte und teure Nachbesserungen vermeiden wollen, müssen wir Nutzende bereits im Innovations- und Entwicklungsmanagement besser integrieren. Einen vielversprechenden Ansatz dafür möchte ich heute vorstellen: Ko-Kreation.
Unter Ko-Kreation verstehen wir die Zusammenarbeit verschiedener Akteure und die Integration unterschiedlicher Perspektiven und Kompetenzen bei der Entwicklung neuartiger Lösungen. So kann ein umfassenderes Zielgruppen- und Problemverständnis die Nutzerorientierung als auch die Innovationskraft der entwickelten Lösung steigern.
Wie läuft die ko-kreative Dienstleistungsentwicklung konkret ab?
In dem von uns entwickelten Framework der ko-kreativen Dienstleistungsentwicklung werden Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten und potenzielle Nutzende von Anfang an in den Entwicklungsprozess eingebunden, um einen interdisziplinären Meinungsaustausch und eine breite Lösungskompetenz zu fördern, und so gemeinsam an tragfähigen, innovativen Dienstleistungen zu arbeiten.
In der ersten Phase – wir nennen sie »Co-Exploration« – werden gemeinsam Herausforderungen, Probleme und Trends identifiziert und so ein Gestaltungsfeld für die Dienstleistungsentwicklung abgesteckt. Durch umfangreiche Recherchen, Analysen und Dialoge wird ein Verständnis über das Gestaltungsfeld geschaffen und die darin enthaltenen Potenziale ausgelotet.
In der zweiten Phase »Co-Innovation« dreht sich alles um die gemeinsame Dienstleistungsentwicklung. In insgesamt vier Unterphasen kommen die heterogenen Teams bestehend aus Entwicklerinnen und Entwicklern, potenziellen Nutzenden und weiteren Stakeholdern in verschiedenen Workshops zusammen, um ihre individuellen Expertisen und Kompetenzen zu bündeln:
In »Co-Empathize & Co-Define« geht es zu Beginn darum, durch Befragungen und Beobachtungen ein umfangreiches Zielgruppenverständnis aufzubauen, Personas und Insights aus den eventuell bereits vorliegenden Daten abzuleiten. Anschließend werden in »Co-Ideation & Co-Design« mithilfe diverser Kreativ- und Designmethoden (z.B. 6-3-5, Value Proposition Design) innovative Lösungsideen und Dienstleistungskonzepte abgeleitet und alternative Entwicklungsoptionen verglichen. In »Co-Prototyping« wird dann das ausgearbeitete Konzept in einen Service Blueprint, einen Prototyp und eine Customer Journey überführt. Es geht darum, das Dienstleistungskonzept zu visualisieren, um es in »Co-Testing“ mit ausgewählten Testpersonen hinsichtlich des Nutzens, der Verständlichkeit, Funktionalität und Akzeptanz, bspw. in teilnehmenden Beobachtungen, Befragungen oder User Experience Tests zu untersuchen.
Diese vier Unterphasen wiederholen sich so lange bis die gewünschten Ergebnisse und Erkenntnisse erreicht wurden, um im nächsten Schritt über die Weiterverfolgung zu entscheiden. Normalerweise geht diese »Co-Innovation«-Phase über ein paar Wochen, wobei jede Unterphase durch einen gemeinsamen Workshop eingeläutet wird.
In der dritten und letzten Phase, die wir »Co-Conceptualization & Co-Evaluation« nennen, geht es darum, die Ergebnisse und das Konzept übergreifend zu bewerten und Möglichkeiten zur Implementierung abzuleiten. Fragestellungen sind dabei z.B.: Wird ein Mehrwert für die Kundengruppen generiert? Wie kann ein tragfähiges Geschäftsmodell aussehen? Lässt sich das Konzept skalieren oder auf andere Bereiche übertragen? Am Ende steht somit im Idealfall ein implementierbares, gewinnbringendes Dienstleistungskonzept.
In Abb. 2 ist eine Auswahl an möglichen Methoden je Phase der ko-kreativen Dienstleistungsentwicklung dargestellt.
Um mit den einleitenden Worten zu enden: Wir leben in einer Welt, in der sehr viel möglich scheint: Die Technik entwickelt sich stetig weiter, neue Erkenntnisse und effizientere Prozesse werden geschaffen. Mir persönlich ist es dabei wichtig, dass nicht an den Menschen und deren Bedürfnissen vorbei, sondern gemeinsam mit ihnen und für sie gewinnbringende Lösungen entwickelt werden. Die Einbindung der potenziellen Zielgruppe und externer Akteure in den Entwicklungsprozess kann dabei den bedeutenden Unterschied in der Innovationsentwicklung machen. Im Rahmen der Smart Campus Initiative konnten wir mithilfe unseres Prozesses zur ko-kreativen Dienstleistungsentwicklung bereits vielfältige positive Erfahrungen erzielen, sei es in der Entwicklung eines Roboters zur Navigationsunterstützung für Menschen mit Handicap, der Entwicklung einer Sharing-App oder der Arbeitsplatzbuchung in der Bibliothek.
Würden Sie gerne einmal einen ko-kreativen Dienstleistungsentwicklungsprozess in Ihrem Unternehmen durchführen? Gerne unterstützen wir Sie durch Beratung, Moderation, passende Formate und Methoden.
Leselinks:
- Dieser Beitrag ist Teil der Ausgabe 1/23 unseres Kundenmagazins »FORWARD zum Schwerpunktthema Innovation in Ökosystemen
- Video Smart Campus Approach
- Projekt Smart Campus Initiative
- Fraunhofer IAO Forschungs- und Innovationszentrum Kognitive Dienstleistungssysteme
Kategorien: Innovation
Tags: Blogreihe Ko-Kreation und Innovation, Dienstleistungsentwicklung, Innovationsmanagement, Ko-Kreation, Partizipation, Smart Services