Was, wenn bei uns auf einmal das Licht ausgeht? Der österreichische Bestseller-Autor Marc Elsberg beschreibt in seinem Technik-Thriller »Blackout – Morgen ist es zu spät« das Szenario eines vollumfänglichen Blackouts und die weitreichenden Konsequenzen für uns alle. Jüngste Meldungen aus Spanien haben gezeigt: Dieses Szenario ist tatsächlich realistisch.
Zugegeben, es handelt sich dabei um den absoluten Worst Case. Dennoch sind die Sorgen um die Stromversorgung der Zukunft und um die Bezahlbarkeit von Energie berechtigt. Versorgungsengpässe, beispielsweise mit Gas als Energieträger, und Herausforderungen im Netzbetrieb treiben die Kosten für Unternehmen und Endverbraucher gleichermaßen in die Höhe.
Die Energiewende und die damit verbundene zunehmende Integration volatiler erneuerbarer Energien in den Strommix verursachen einen Bedarf an intelligenten Lösungen, da PV- und Windeinspeisung wetterbedingt fluktuieren. Künstliche Intelligenz unterstützt die Bewältigung unserer täglichen Aufgaben bereits in vielen Bereichen – doch kann auch die Energiewirtschaft von dieser Technologie profitieren? Welche Chancen und Risiken gibt es?
Das Stromnetz als Taktgeber der Energiewirtschaft
In der ersten Jahreshälfte 2022 gaben die Netzbetreiber in Deutschland in Summe rund 340 Mio. € für die Aufrechterhaltung der Systemstabilität aus. Auslöser war der Einsatz von 1.848 GWh an Regelenergie, um die Stromnetze zu stabilisieren. In Deutschland sorgen die Übertragungsnetzbetreiber maßgeblich dafür, dass die Netzfrequenz von 50 Hertz stabil gehalten wird, indem Erzeugung und Verbrauch von Energie in den Stromnetzen im Gleichgewicht gehalten werden. Zu diesem Zweck werden Prognosen über den Energiebedarf und die Energieerzeugung erstellt. Je präziser diese Prognosen, desto geringer potenzielle Abweichungen und damit auch das kostenintensive Steuern der Anlagen auf Erzeugungs- wie auch Verbrauchsseite. Im Bedarfsfall müssen die Einspeiseleistung von Kraftwerken oder die Leistungsaufnahme von Anlagen wie Ladestationen für E-Fahrzeuge oder Wärmepumpen kurzfristig angepasst werden. In der Konsequenz erhöhen sich die Systemkosten der Stromnetze, weil die Kapazitäten zur Erzeugung der Regelenergie für den Ausgleich in entsprechender Höhe vorgehalten werden müssen. Außerdem müssen Verbraucher mit Einschränkungen in der Energieversorgung z. B. der Ladeleistung für E-Fahrzeuge rechnen, wenn Netzbetreiber deren Anlagen herunterregeln. Hinzu kommt, dass PV-Anlagen die Stromproduktion während der Mittagsstunden stark in die Höhe treiben, während in den Abendstunden weniger Energie zur Verfügung steht.
Herausforderungen im Betrieb von Energiesystemen bestehen nicht nur für das Gesamtsystem, sondern auch auf Mikroebene. Denn energieintensive Unternehmensstandorte sind ab einem Stromverbrauch von 100.000 kWh/Jahr leistungsgemessen. Das bedeutet, dass deren Stromkosten gesenkt werden können, wenn sie Lastspitzen vermeiden und stattdessen den Strombezug gleichmäßig verteilen. Demnach besteht für diese Unternehmen ein Einsparpotenzial, indem Energiebedarf und -erzeugung gut prognostiziert und alle Verbrauchsanlagen bestmöglich durch intelligentes Lastmanagement gesteuert werden.
Künstliche Intelligenz als Helfer in der Not
Hier kann KI als Werkzeug tatkräftig unterstützen. KI-Modelle ermöglichen eine stark verbesserte Prognosegüte im Vergleich zu klassischen Methoden zur Fortschreibung von Zeitreihen wie dem Energiebedarf. Von einfachen Modellen wie simplen Entscheidungsbäumen bis hin zu komplexen Ansätzen wie tiefen neuronalen Netzen entstehen durch KI immer bessere Prognosen, die in der Energiewirtschaft von enormer Wichtigkeit sind. Das KI-Modell lernt dabei anhand von historischen Daten die komplexen Zusammenhänge zwischen bekannten historischen Daten und den unbekannten zukünftigen Werten. Darin unterscheiden sich KI-Methoden von klassischen Ansätzen, die voraussetzen, dass der Anwender den Zusammenhang bereits kennt. So können Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie sich verschiedene Faktoren wie beispielsweise die Sonneneinstrahlung auf die Energieerzeugung der eigenen PV-Anlage auswirken. Auf dieser Basis können viel genauere Prognosen über die zukünftigen Werte angestellt werden. KI-Anwendungen dienen dabei als Entscheidungshilfe in der Systemführung und optimieren dadurch den Netzbetrieb. In Zukunft sind KI-Anwendungen auch als Agenten denkbar, die Entscheidungen eigenständig treffen und die notwendigen Handlungen auch ausführen, beispielsweise den Leistungsbezug von steuerbaren Anlagen wie Ladeinfrastruktur herabzusenken. Vor allem für mittelständische Unternehmen mit weniger KI-Kompetenzen aber energieintensiven Liegenschaften ergibt sich dadurch ein enormer Vorteil: Ihr Energiemanagement wird nicht nur unterstützt, sondern durch KI vollständig übernommen und kontinuierlich optimiert.
Auch für die Instandhaltung und Sicherheit der Stromnetze kann KI durch Predictive Maintenance und Anomaliedetektion unterstützen. Betreibern werden dadurch rechtzeitig automatische Hinweise gegeben, wo im Netz eine Wartung oder Entstörung notwendig ist. KI-Anwendungen können hierbei mit weiteren Technologien wie Drohnen zur Bildaufnahme der Netzinfrastruktur im Verbund eingesetzt werden, wo vorher aufwendige Begehungen und manuelle Inspektionen erforderlich waren.
Nicht zuletzt eröffnen KI-Anwendungen in der Energiewirtschaft auch neue Verwertungsmöglichkeiten für Endverbraucher, indem sie beispielsweise smart charging für E-Fahrzeuge ermöglichen und beispielsweise Batterien laden, wenn viel Strom verfügbar und günstig ist.
KI-Anwendungen in der Praxis
KI-Anwendungen machen Zusammenhänge offensichtlich, die durch herkömmliche Analysemethoden nicht zu entdecken sind, und legen Anwendern ein mächtiges Werkzeug für verschiedene Herausforderungen in die Hand. Gehemmt wird der Einsatz von KI-Methoden in der Energiewirtschaft durch unzureichendes Wissen und mangelnde Expertise. Die Wahrnehmung des Mehrwerts von KI-Anwendungen variiert zudem stark. Während einige im Einsatz von KI eine einzigartige Chance sehen, um zuvor unlösbare Probleme zu adressieren und deutliche Wettbewerbsvorteile zu erzielen, sehen andere KI als nutzlos an. Die Technologie muss zuerst in Anwendungen überführt werden, macht zu Anfang Fehler und verursacht so Kosten. Zudem sind die Mechanismen von KI-Methoden intransparent, die benötigte Datengrundlage steht oft in Widerspruch mit den Anforderungen an den Datenschutz und insbesondere für kritische Infrastruktur ist der Einsatz mit einem hohen Risikofaktor verknüpft.
Entscheidend ist der richtige Umgang mit KI-Anwendungen. Um kostenintensive Fehler zu vermeiden, kann ein Human-in-the-loop-Ansatz gewählt werden, sodass die KI zwar unterstützend wirkt, aber der Mensch in Entscheidungen eingebunden bleibt und im Fehlerfall eingreifen kann. Eigene KI-Kompetenzen aufzubauen, hilft dabei die Potenziale von KI besser einschätzen und somit bessere Entscheidungen über den Einsatz von KI-Anwendungen treffen zu können. Hier setzt auch das Fraunhofer IAO an: Wir bieten interessierten Fachleuten der Energiewirtschaft ein Seminar für den einen einfachen Einstieg in das Thema Data Science und Künstliche Intelligenz in der Energiewirtschaft an, mit dem Sie Schritt für Schritt die nötigen Kompetenzen für den Start in die smarte Energieversorgung entwickeln können.

Leselinks:
- 26.-27. November 2025: Data Science und Künstliche Intelligenz in der Energiewirtschaft
- Bericht: Künstliche Intelligenz für die integrierte Energiewende
- dena-UMFRAGE & dena-FACTSHEET: Künstliche Intelligenz in der Energiewirtschaft (2022)
Kategorien: Künstliche Intelligenz
Tags: Energiewirtschaft, Stromnetz
Hinterlasse einen Kommentar